Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Sinn-Getichte.
Grabschrifft der Clelia.
HJer lieget Clelia. Mehr darffst du wohl nicht wissen,
Denn dieser nahme schleust verstand und tugend ein.
Jhr geist war viel zu groß, der cörper viel zu klein,
Und also hat der tod sie beyde trennen müssen.


Als ein praler den korb bekam.
DU denckst, dein schönes kleid soll alle mägdgen fangen,
Und dein gepudert kopff gewisse gunst erlangen.
O nein! Calliste spricht: Es ist mit dem kein rath,
Der gold auf hosen trägt, und keines drinnen hat.


Auf eine wind-mühle.
SChau hier ein fliegend hauß, das niemahls stille steht,
Und dennoch auch niemahls von seiner stelle geht.
Schau eine werckstatt an, die in den lüfften schwebet,
Die andere ernährt, und selbst vom winde lebet.


Auf ein offnes städtgen.
DU siehest deinen feind mit offnem angesicht.
Die mauer ist dein zaun, das rathhaus deine schencke,
Das küh-horn deine post, der röhr-trog deine träncke.
An thoren fehlts dir wohl, jedoch an thooren nicht.


Auf einen unschuldigen doctor.
WAs ist es für ein glas, darein Pillander sieht?
Es ist ein theurer safft, daraus er silber zieht.
Was ist es vor ein brief, den seine feder stellt?
Es ist ein freyer paß. Wohin? Jn jene welt.
Die
Sinn-Getichte.
Grabſchrifft der Clelia.
HJer lieget Clelia. Mehr darffſt du wohl nicht wiſſen,
Denn dieſer nahme ſchleuſt verſtand und tugend ein.
Jhr geiſt war viel zu groß, der coͤrper viel zu klein,
Und alſo hat der tod ſie beyde trennen muͤſſen.


Als ein praler den korb bekam.
DU denckſt, dein ſchoͤnes kleid ſoll alle maͤgdgen fangen,
Und dein gepudert kopff gewiſſe gunſt erlangen.
O nein! Calliſte ſpricht: Es iſt mit dem kein rath,
Der gold auf hoſen traͤgt, und keines drinnen hat.


Auf eine wind-muͤhle.
SChau hier ein fliegend hauß, das niemahls ſtille ſteht,
Und dennoch auch niemahls von ſeiner ſtelle geht.
Schau eine werckſtatt an, die in den luͤfften ſchwebet,
Die andere ernaͤhrt, und ſelbſt vom winde lebet.


Auf ein offnes ſtaͤdtgen.
DU ſieheſt deinen feind mit offnem angeſicht.
Die mauer iſt dein zaun, das rathhaus deine ſchencke,
Das kuͤh-horn deine poſt, der roͤhr-trog deine traͤncke.
An thoren fehlts dir wohl, jedoch an thooren nicht.


Auf einen unſchuldigen doctor.
WAs iſt es fuͤr ein glas, darein Pillander ſieht?
Es iſt ein theurer ſafft, daraus er ſilber zieht.
Was iſt es vor ein brief, den ſeine feder ſtellt?
Es iſt ein freyer paß. Wohin? Jn jene welt.
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0074" n="50"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sinn-Getichte.</hi> </fw><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Grab&#x017F;chrifft der Clelia.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">H</hi>Jer lieget Clelia. Mehr darff&#x017F;t du wohl nicht wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Denn die&#x017F;er nahme &#x017F;chleu&#x017F;t ver&#x017F;tand und tugend ein.</l><lb/>
          <l>Jhr gei&#x017F;t war viel zu groß, der co&#x0364;rper viel zu klein,</l><lb/>
          <l>Und al&#x017F;o hat der tod &#x017F;ie beyde trennen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Als ein praler den korb bekam.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">D</hi>U denck&#x017F;t, dein &#x017F;cho&#x0364;nes kleid &#x017F;oll alle ma&#x0364;gdgen fangen,</l><lb/>
          <l>Und dein gepudert kopff gewi&#x017F;&#x017F;e gun&#x017F;t erlangen.</l><lb/>
          <l>O nein! Calli&#x017F;te &#x017F;pricht: Es i&#x017F;t mit dem kein rath,</l><lb/>
          <l>Der gold auf ho&#x017F;en tra&#x0364;gt, und keines drinnen hat.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Auf eine wind-mu&#x0364;hle.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">S</hi>Chau hier ein fliegend hauß, das niemahls &#x017F;tille &#x017F;teht,</l><lb/>
          <l>Und dennoch auch niemahls von &#x017F;einer &#x017F;telle geht.</l><lb/>
          <l>Schau eine werck&#x017F;tatt an, die in den lu&#x0364;fften &#x017F;chwebet,</l><lb/>
          <l>Die andere erna&#x0364;hrt, und &#x017F;elb&#x017F;t vom winde lebet.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Auf ein offnes &#x017F;ta&#x0364;dtgen.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">D</hi>U &#x017F;iehe&#x017F;t deinen feind mit offnem ange&#x017F;icht.</l><lb/>
          <l>Die mauer i&#x017F;t dein zaun, das rathhaus deine &#x017F;chencke,</l><lb/>
          <l>Das ku&#x0364;h-horn deine po&#x017F;t, der ro&#x0364;hr-trog deine tra&#x0364;ncke.</l><lb/>
          <l>An thoren fehlts dir wohl, jedoch an thooren nicht.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Auf einen un&#x017F;chuldigen doctor.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">W</hi>As i&#x017F;t es fu&#x0364;r ein glas, darein Pillander &#x017F;ieht?</l><lb/>
          <l>Es i&#x017F;t ein theurer &#x017F;afft, daraus er &#x017F;ilber zieht.</l><lb/>
          <l>Was i&#x017F;t es vor ein brief, den &#x017F;eine feder &#x017F;tellt?</l><lb/>
          <l>Es i&#x017F;t ein freyer paß. Wohin? Jn jene welt.</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0074] Sinn-Getichte. Grabſchrifft der Clelia. HJer lieget Clelia. Mehr darffſt du wohl nicht wiſſen, Denn dieſer nahme ſchleuſt verſtand und tugend ein. Jhr geiſt war viel zu groß, der coͤrper viel zu klein, Und alſo hat der tod ſie beyde trennen muͤſſen. Als ein praler den korb bekam. DU denckſt, dein ſchoͤnes kleid ſoll alle maͤgdgen fangen, Und dein gepudert kopff gewiſſe gunſt erlangen. O nein! Calliſte ſpricht: Es iſt mit dem kein rath, Der gold auf hoſen traͤgt, und keines drinnen hat. Auf eine wind-muͤhle. SChau hier ein fliegend hauß, das niemahls ſtille ſteht, Und dennoch auch niemahls von ſeiner ſtelle geht. Schau eine werckſtatt an, die in den luͤfften ſchwebet, Die andere ernaͤhrt, und ſelbſt vom winde lebet. Auf ein offnes ſtaͤdtgen. DU ſieheſt deinen feind mit offnem angeſicht. Die mauer iſt dein zaun, das rathhaus deine ſchencke, Das kuͤh-horn deine poſt, der roͤhr-trog deine traͤncke. An thoren fehlts dir wohl, jedoch an thooren nicht. Auf einen unſchuldigen doctor. WAs iſt es fuͤr ein glas, darein Pillander ſieht? Es iſt ein theurer ſafft, daraus er ſilber zieht. Was iſt es vor ein brief, den ſeine feder ſtellt? Es iſt ein freyer paß. Wohin? Jn jene welt. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/74
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/74>, abgerufen am 24.11.2024.