Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Galante Getichte.


Der andre brief.
JCh habe seid und brief, durchlauchster! aufgerissen;
Bekümmert, ob nicht auch den faden meiner ruh?
Jch habe seine schrifft bewillkommt mit viel küssen,
Ach daß der himmel nicht gall in den zucker thu!
Er und die hoffnung speist mich ja mit himmel-brodte,
Der zweifel und die furcht mischt aber myrrhen ein.
Jch weiß, der fürsten wort und bitten sind gebote;
Doch reu und unlust folgt offt aufs gehorsam-seyn.
Der eckel haßt hernach, was er erst angebetet,
Ein erst geküster mund wird bald gegeifert an,
Was rosen gleich geblüht, wie unkraut ausgejethet,
Weil doch die liebe nicht den wechsel hassen kan.
Wir frauenzimmer sind granaten-äpffeln gleiche,
Die man von porzellan wirfft endlich auf den mist;
Die heut ein engel war, heist morgen aaß und leiche,
Weil sarg und braut-bett offt zwey zoll entfernt kaum ist.
Hätt' ich auch gleich hiervor nicht, grosser fürst, zu sorgen,
Weil tugend mir von ihm sagt etwas bessers wahr;
Denn was sie heute liebt, haßt sie gewiß nicht morgen,
Zumahl wenn liebe wird geanckert ans altar.
Muß sich doch schlechtes wachs nicht nähern solchen sonnen,
Sonst schmeltzt ihr gunst-strahl auch die kühnen flügel ab.
Der liebes-zucker ist in thränen-saltz zerronnen,
So offt ein irrdisch mund den göttern küsse gab.
Was kan ein zufall nicht, nicht fremde mißgunst stifften,
Weil gantze sonnen ja ein wölcklein rauben kan?
Was kan der speichel nicht der eyfersucht vergifften?
Sie hengt den tugenden die schlimmsten kletten an,
Sie schwärtzt mit hütten-rauch die himmel-reinen flammen,
Sie wirfft mit schmach und koth der unschuld ebenbild.
Drey wetter seh ich schon ziehn über mir zusammen,
Wo liebe mehr bey mir, als kluge vorsicht, gilt.
Beher-
A 4
Galante Getichte.


Der andre brief.
JCh habe ſeid und brief, durchlauchſter! aufgeriſſen;
Bekuͤmmert, ob nicht auch den faden meiner ruh?
Jch habe ſeine ſchrifft bewillkommt mit viel kuͤſſen,
Ach daß der himmel nicht gall in den zucker thu!
Er und die hoffnung ſpeiſt mich ja mit himmel-brodte,
Der zweifel und die furcht miſcht aber myrrhen ein.
Jch weiß, der fuͤrſten wort und bitten ſind gebote;
Doch reu und unluſt folgt offt aufs gehorſam-ſeyn.
Der eckel haßt hernach, was er erſt angebetet,
Ein erſt gekuͤſter mund wird bald gegeifert an,
Was roſen gleich gebluͤht, wie unkraut ausgejethet,
Weil doch die liebe nicht den wechſel haſſen kan.
Wir frauenzimmer ſind granaten-aͤpffeln gleiche,
Die man von porzellan wirfft endlich auf den miſt;
Die heut ein engel war, heiſt morgen aaß und leiche,
Weil ſarg und braut-bett offt zwey zoll entfernt kaum iſt.
Haͤtt’ ich auch gleich hiervor nicht, groſſer fuͤrſt, zu ſorgen,
Weil tugend mir von ihm ſagt etwas beſſers wahr;
Denn was ſie heute liebt, haßt ſie gewiß nicht morgen,
Zumahl wenn liebe wird geanckert ans altar.
Muß ſich doch ſchlechtes wachs nicht naͤhern ſolchen ſonnen,
Sonſt ſchmeltzt ihr gunſt-ſtrahl auch die kuͤhnen fluͤgel ab.
Der liebes-zucker iſt in thraͤnen-ſaltz zerronnen,
So offt ein irꝛdiſch mund den goͤttern kuͤſſe gab.
Was kan ein zufall nicht, nicht fremde mißgunſt ſtifften,
Weil gantze ſonnen ja ein woͤlcklein rauben kan?
Was kan der ſpeichel nicht der eyferſucht vergifften?
Sie hengt den tugenden die ſchlimmſten kletten an,
Sie ſchwaͤrtzt mit huͤtten-rauch die himmel-reinen flammen,
Sie wirfft mit ſchmach und koth der unſchuld ebenbild.
Drey wetter ſeh ich ſchon ziehn uͤber mir zuſammen,
Wo liebe mehr bey mir, als kluge vorſicht, gilt.
Beher-
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0031" n="7"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Galante Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Der andre brief.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">J</hi>Ch habe &#x017F;eid und brief, durchlauch&#x017F;ter! aufgeri&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Beku&#x0364;mmert, ob nicht auch den faden meiner ruh?</l><lb/>
            <l>Jch habe &#x017F;eine &#x017F;chrifft bewillkommt mit viel ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Ach daß der himmel nicht gall in den zucker thu!</l><lb/>
            <l>Er und die hoffnung &#x017F;pei&#x017F;t mich ja mit himmel-brodte,</l><lb/>
            <l>Der zweifel und die furcht mi&#x017F;cht aber myrrhen ein.</l><lb/>
            <l>Jch weiß, der fu&#x0364;r&#x017F;ten wort und bitten &#x017F;ind gebote;</l><lb/>
            <l>Doch reu und unlu&#x017F;t folgt offt aufs gehor&#x017F;am-&#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Der eckel haßt hernach, was er er&#x017F;t angebetet,</l><lb/>
            <l>Ein er&#x017F;t geku&#x0364;&#x017F;ter mund wird bald gegeifert an,</l><lb/>
            <l>Was ro&#x017F;en gleich geblu&#x0364;ht, wie unkraut ausgejethet,</l><lb/>
            <l>Weil doch die liebe nicht den wech&#x017F;el ha&#x017F;&#x017F;en kan.</l><lb/>
            <l>Wir frauenzimmer &#x017F;ind granaten-a&#x0364;pffeln gleiche,</l><lb/>
            <l>Die man von porzellan wirfft endlich auf den mi&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>Die heut ein engel war, hei&#x017F;t morgen aaß und leiche,</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;arg und braut-bett offt zwey zoll entfernt kaum i&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Ha&#x0364;tt&#x2019; ich auch gleich hiervor nicht, gro&#x017F;&#x017F;er fu&#x0364;r&#x017F;t, zu &#x017F;orgen,</l><lb/>
            <l>Weil tugend mir von ihm &#x017F;agt etwas be&#x017F;&#x017F;ers wahr;</l><lb/>
            <l>Denn was &#x017F;ie heute liebt, haßt &#x017F;ie gewiß nicht morgen,</l><lb/>
            <l>Zumahl wenn liebe wird geanckert ans altar.</l><lb/>
            <l>Muß &#x017F;ich doch &#x017F;chlechtes wachs nicht na&#x0364;hern &#x017F;olchen &#x017F;onnen,</l><lb/>
            <l>Son&#x017F;t &#x017F;chmeltzt ihr gun&#x017F;t-&#x017F;trahl auch die ku&#x0364;hnen flu&#x0364;gel ab.</l><lb/>
            <l>Der liebes-zucker i&#x017F;t in thra&#x0364;nen-&#x017F;altz zerronnen,</l><lb/>
            <l>So offt ein ir&#xA75B;di&#x017F;ch mund den go&#x0364;ttern ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gab.</l><lb/>
            <l>Was kan ein zufall nicht, nicht fremde mißgun&#x017F;t &#x017F;tifften,</l><lb/>
            <l>Weil gantze &#x017F;onnen ja ein wo&#x0364;lcklein rauben kan?</l><lb/>
            <l>Was kan der &#x017F;peichel nicht der eyfer&#x017F;ucht vergifften?</l><lb/>
            <l>Sie hengt den tugenden die &#x017F;chlimm&#x017F;ten kletten an,</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;chwa&#x0364;rtzt mit hu&#x0364;tten-rauch die himmel-reinen flammen,</l><lb/>
            <l>Sie wirfft mit &#x017F;chmach und koth der un&#x017F;chuld ebenbild.</l><lb/>
            <l>Drey wetter &#x017F;eh ich &#x017F;chon ziehn u&#x0364;ber mir zu&#x017F;ammen,</l><lb/>
            <l>Wo liebe mehr bey mir, als kluge vor&#x017F;icht, gilt.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">A 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Beher-</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0031] Galante Getichte. Der andre brief. JCh habe ſeid und brief, durchlauchſter! aufgeriſſen; Bekuͤmmert, ob nicht auch den faden meiner ruh? Jch habe ſeine ſchrifft bewillkommt mit viel kuͤſſen, Ach daß der himmel nicht gall in den zucker thu! Er und die hoffnung ſpeiſt mich ja mit himmel-brodte, Der zweifel und die furcht miſcht aber myrrhen ein. Jch weiß, der fuͤrſten wort und bitten ſind gebote; Doch reu und unluſt folgt offt aufs gehorſam-ſeyn. Der eckel haßt hernach, was er erſt angebetet, Ein erſt gekuͤſter mund wird bald gegeifert an, Was roſen gleich gebluͤht, wie unkraut ausgejethet, Weil doch die liebe nicht den wechſel haſſen kan. Wir frauenzimmer ſind granaten-aͤpffeln gleiche, Die man von porzellan wirfft endlich auf den miſt; Die heut ein engel war, heiſt morgen aaß und leiche, Weil ſarg und braut-bett offt zwey zoll entfernt kaum iſt. Haͤtt’ ich auch gleich hiervor nicht, groſſer fuͤrſt, zu ſorgen, Weil tugend mir von ihm ſagt etwas beſſers wahr; Denn was ſie heute liebt, haßt ſie gewiß nicht morgen, Zumahl wenn liebe wird geanckert ans altar. Muß ſich doch ſchlechtes wachs nicht naͤhern ſolchen ſonnen, Sonſt ſchmeltzt ihr gunſt-ſtrahl auch die kuͤhnen fluͤgel ab. Der liebes-zucker iſt in thraͤnen-ſaltz zerronnen, So offt ein irꝛdiſch mund den goͤttern kuͤſſe gab. Was kan ein zufall nicht, nicht fremde mißgunſt ſtifften, Weil gantze ſonnen ja ein woͤlcklein rauben kan? Was kan der ſpeichel nicht der eyferſucht vergifften? Sie hengt den tugenden die ſchlimmſten kletten an, Sie ſchwaͤrtzt mit huͤtten-rauch die himmel-reinen flammen, Sie wirfft mit ſchmach und koth der unſchuld ebenbild. Drey wetter ſeh ich ſchon ziehn uͤber mir zuſammen, Wo liebe mehr bey mir, als kluge vorſicht, gilt. Beher- A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/31
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/31>, abgerufen am 21.11.2024.