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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
Jhr weiset mir voraus, was einer muß beginnen,
Der das berühmte schloß der weißheit will gewinnen,
Die nimmer untergeht: Jhr zeiget aus der schrifft,
Was GOtt, so viel man zwar hier wissen kan, betrifft,
Und wie der mensch die welt soll unter sich verachten,
Hergegen bald nach dem am allermeisten trachten,
Was keines wetters macht, kein starcker nord zubricht,
Kein dieb nicht stehlen kan, und keine motte sticht:
Jhr macht uns offenbahr das thun der blinden heyden,
Den fremden gottes-dienst vom wahren unterscheiden:
Jhr, meiner Musen trost! ihr gebt uns zu verstehn,
Was des Aristons sohn, der lehrer zu Athen,
Was Tullius zu Rom, was rasende Sibyllen,
Was Stagirites glaubt von GOttes thun und willen,
Was Maro, wenn er schreibt von der Cumaner magd,
Unwissentlich daselbst von Christus hat gesagt:
Was man von denen hat, die sonsten weise waren,
Und in erschaffner krafft der sachen wohl erfahren:
Was sie von GOtt gelehrt: Was frommer Christen amt:
Warum der Tantalus zur höllen sey verdammt:
Warum der weisse bär noch nie hat seinen wagen
Nach der Bootes hin ins blaue saltz getragen:
Warum doch jenes bild bey Ariadne kniet:
Wie daß man auch so schön und wohl gemahlet sieht
Thaumantis tochter schweiff, den brennenden cometen,
Den boten böser post, den traurigen propheten:
Wie diß und jenes ist: Wie Perseus flüchtig steht:
Caßiopea sitzt: Wie Phöbus untergeht:
Wie Hecate nach ihm ihr bleiches silber schicket,
Und mit der sternen schaar hin auf die wache rücket:
Und was dergleichen mehr. Jhr seyd, was guten rath
Und treue zucht betrifft, an meiner eltern statt.
Lehrt mich der jugend pest, die faule wollust hassen
Des teufels unterpfül, hingegen dieses fassen,
Was gut und tugend heist. Denn wer die junge zeit
Durch müßiggang verderbt, kriegt auf das alter leyd.
Durch
S 3
Vermiſchte Getichte.
Jhr weiſet mir voraus, was einer muß beginnen,
Der das beruͤhmte ſchloß der weißheit will gewinnen,
Die nimmer untergeht: Jhr zeiget aus der ſchrifft,
Was GOtt, ſo viel man zwar hier wiſſen kan, betrifft,
Und wie der menſch die welt ſoll unter ſich verachten,
Hergegen bald nach dem am allermeiſten trachten,
Was keines wetters macht, kein ſtarcker nord zubricht,
Kein dieb nicht ſtehlen kan, und keine motte ſticht:
Jhr macht uns offenbahr das thun der blinden heyden,
Den fremden gottes-dienſt vom wahren unterſcheiden:
Jhr, meiner Muſen troſt! ihr gebt uns zu verſtehn,
Was des Ariſtons ſohn, der lehrer zu Athen,
Was Tullius zu Rom, was raſende Sibyllen,
Was Stagirites glaubt von GOttes thun und willen,
Was Maro, wenn er ſchreibt von der Cumaner magd,
Unwiſſentlich daſelbſt von Chriſtus hat geſagt:
Was man von denen hat, die ſonſten weiſe waren,
Und in erſchaffner krafft der ſachen wohl erfahren:
Was ſie von GOtt gelehrt: Was frommer Chriſten amt:
Warum der Tantalus zur hoͤllen ſey verdammt:
Warum der weiſſe baͤr noch nie hat ſeinen wagen
Nach der Bootes hin ins blaue ſaltz getragen:
Warum doch jenes bild bey Ariadne kniet:
Wie daß man auch ſo ſchoͤn und wohl gemahlet ſieht
Thaumantis tochter ſchweiff, den brennenden cometen,
Den boten boͤſer poſt, den traurigen propheten:
Wie diß und jenes iſt: Wie Perſeus fluͤchtig ſteht:
Caßiopea ſitzt: Wie Phoͤbus untergeht:
Wie Hecate nach ihm ihr bleiches ſilber ſchicket,
Und mit der ſternen ſchaar hin auf die wache ruͤcket:
Und was dergleichen mehr. Jhr ſeyd, was guten rath
Und treue zucht betrifft, an meiner eltern ſtatt.
Lehrt mich der jugend peſt, die faule wolluſt haſſen
Des teufels unterpfuͤl, hingegen dieſes faſſen,
Was gut und tugend heiſt. Denn wer die junge zeit
Durch muͤßiggang verderbt, kriegt auf das alter leyd.
Durch
S 3
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[277/0301] Vermiſchte Getichte. Jhr weiſet mir voraus, was einer muß beginnen, Der das beruͤhmte ſchloß der weißheit will gewinnen, Die nimmer untergeht: Jhr zeiget aus der ſchrifft, Was GOtt, ſo viel man zwar hier wiſſen kan, betrifft, Und wie der menſch die welt ſoll unter ſich verachten, Hergegen bald nach dem am allermeiſten trachten, Was keines wetters macht, kein ſtarcker nord zubricht, Kein dieb nicht ſtehlen kan, und keine motte ſticht: Jhr macht uns offenbahr das thun der blinden heyden, Den fremden gottes-dienſt vom wahren unterſcheiden: Jhr, meiner Muſen troſt! ihr gebt uns zu verſtehn, Was des Ariſtons ſohn, der lehrer zu Athen, Was Tullius zu Rom, was raſende Sibyllen, Was Stagirites glaubt von GOttes thun und willen, Was Maro, wenn er ſchreibt von der Cumaner magd, Unwiſſentlich daſelbſt von Chriſtus hat geſagt: Was man von denen hat, die ſonſten weiſe waren, Und in erſchaffner krafft der ſachen wohl erfahren: Was ſie von GOtt gelehrt: Was frommer Chriſten amt: Warum der Tantalus zur hoͤllen ſey verdammt: Warum der weiſſe baͤr noch nie hat ſeinen wagen Nach der Bootes hin ins blaue ſaltz getragen: Warum doch jenes bild bey Ariadne kniet: Wie daß man auch ſo ſchoͤn und wohl gemahlet ſieht Thaumantis tochter ſchweiff, den brennenden cometen, Den boten boͤſer poſt, den traurigen propheten: Wie diß und jenes iſt: Wie Perſeus fluͤchtig ſteht: Caßiopea ſitzt: Wie Phoͤbus untergeht: Wie Hecate nach ihm ihr bleiches ſilber ſchicket, Und mit der ſternen ſchaar hin auf die wache ruͤcket: Und was dergleichen mehr. Jhr ſeyd, was guten rath Und treue zucht betrifft, an meiner eltern ſtatt. Lehrt mich der jugend peſt, die faule wolluſt haſſen Des teufels unterpfuͤl, hingegen dieſes faſſen, Was gut und tugend heiſt. Denn wer die junge zeit Durch muͤßiggang verderbt, kriegt auf das alter leyd. Durch S 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/301>, abgerufen am 22.11.2024.