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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Galante Getichte.
Die wangen sind an ihr granaten ohne kerne,
Geblüme, das nicht reücht, ein feld von rosen leer.
Die brüste regt kein trieb entflammter liebes-sterne,
Sie sind von Zemblens eiß ein zugefroren meer.
Sie schleppt der heyrath band wie eine sclaven-kette;
Sie fleucht, als legten sich mit mir ihr schlangen bey.
Ja find' ich einst noch platz in der gemahlin bette,
So glaub', daß sie mehr kalt als salamander sey.
Kein feur, darinnen Zevs in fliessend gold zerronnen,
Kein lodernd seufftzen flößt ihr laulicht lieben ein,
Der nord-stern wärmt den Belt mehr, als mich ihre sonnen,
Sie müht sich steinerner als Niobe zu seyn.
Will ich zum opffer ihr gleich meine seel anzünden,
So dünckt sie sich doch mir vor ein altar zu gut:
Das fühlen, glaub ich, hat bey ihr selbst kein empfinden,
Und unser liebes-öl braucht sie vor kalte fluth.
Doch würde der geduld noch dieser unmuth weichen,
Wär' er mit eyfersucht und hochmuth nicht vergallt.
Sie ist dem rosen-strauch im winter zu vergleichen,
Der keine rosen trägt, und doch den dorn behält.
Urtheile nun, mein kind! ob wir verliebt seyn mögen?
Selbst Aetna leschet aus, wenn zunder ihm gebricht,
Der wahn ehrt götzen nur, die einem sind entgegen,
Die lieb erkennt den haß vor keinen abgott nicht;
Die Anmuth aber hat den sitz bey dir erwehlet,
Der unhold wüsteney ist weit von dir verbannt.
Mit deinen sitten hat der liebreitz sich vermählet,
Dein schön-seyn hat ein garn der freyheit ausgespannt,
Jn diesem siehst du mich hier deinen sclaven liegen,
Verstoß nun diesen nicht, den du selbst fesselst an.
Laß mich von deiner hand kein schärffer urtheil kriegen,
Als dein liebreitzend aug' uns prophezeyen kan.
Die sonne, welche du zweyfach in augen trägest,
Pflantzt, wie du mir, den trieb den sonnenwenden ein;
Die hold, so du selbst feil auf deinem mund auslegest,
Kan meiner seele nicht verbothne waare seyn.
Das
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Galante Getichte.
Die wangen ſind an ihr granaten ohne kerne,
Gebluͤme, das nicht reuͤcht, ein feld von roſen leer.
Die bruͤſte regt kein trieb entflammter liebes-ſterne,
Sie ſind von Zemblens eiß ein zugefroren meer.
Sie ſchleppt der heyrath band wie eine ſclaven-kette;
Sie fleucht, als legten ſich mit mir ihr ſchlangen bey.
Ja find’ ich einſt noch platz in der gemahlin bette,
So glaub’, daß ſie mehr kalt als ſalamander ſey.
Kein feur, darinnen Zevs in flieſſend gold zerronnen,
Kein lodernd ſeufftzen floͤßt ihr laulicht lieben ein,
Der nord-ſtern waͤrmt den Belt mehr, als mich ihre ſonnen,
Sie muͤht ſich ſteinerner als Niobe zu ſeyn.
Will ich zum opffer ihr gleich meine ſeel anzuͤnden,
So duͤnckt ſie ſich doch mir vor ein altar zu gut:
Das fuͤhlen, glaub ich, hat bey ihr ſelbſt kein empfinden,
Und unſer liebes-oͤl braucht ſie vor kalte fluth.
Doch wuͤrde der geduld noch dieſer unmuth weichen,
Waͤr’ er mit eyferſucht und hochmuth nicht vergallt.
Sie iſt dem roſen-ſtrauch im winter zu vergleichen,
Der keine roſen traͤgt, und doch den dorn behaͤlt.
Urtheile nun, mein kind! ob wir verliebt ſeyn moͤgen?
Selbſt Aetna leſchet aus, wenn zunder ihm gebricht,
Der wahn ehrt goͤtzen nur, die einem ſind entgegen,
Die lieb erkennt den haß vor keinen abgott nicht;
Die Anmuth aber hat den ſitz bey dir erwehlet,
Der unhold wuͤſteney iſt weit von dir verbannt.
Mit deinen ſitten hat der liebreitz ſich vermaͤhlet,
Dein ſchoͤn-ſeyn hat ein garn der freyheit ausgeſpannt,
Jn dieſem ſiehſt du mich hier deinen ſclaven liegen,
Verſtoß nun dieſen nicht, den du ſelbſt feſſelſt an.
Laß mich von deiner hand kein ſchaͤrffer urtheil kriegen,
Als dein liebreitzend aug’ uns prophezeyen kan.
Die ſonne, welche du zweyfach in augen traͤgeſt,
Pflantzt, wie du mir, den trieb den ſonnenwenden ein;
Die hold, ſo du ſelbſt feil auf deinem mund auslegeſt,
Kan meiner ſeele nicht verbothne waare ſeyn.
Das
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[5/0029] Galante Getichte. Die wangen ſind an ihr granaten ohne kerne, Gebluͤme, das nicht reuͤcht, ein feld von roſen leer. Die bruͤſte regt kein trieb entflammter liebes-ſterne, Sie ſind von Zemblens eiß ein zugefroren meer. Sie ſchleppt der heyrath band wie eine ſclaven-kette; Sie fleucht, als legten ſich mit mir ihr ſchlangen bey. Ja find’ ich einſt noch platz in der gemahlin bette, So glaub’, daß ſie mehr kalt als ſalamander ſey. Kein feur, darinnen Zevs in flieſſend gold zerronnen, Kein lodernd ſeufftzen floͤßt ihr laulicht lieben ein, Der nord-ſtern waͤrmt den Belt mehr, als mich ihre ſonnen, Sie muͤht ſich ſteinerner als Niobe zu ſeyn. Will ich zum opffer ihr gleich meine ſeel anzuͤnden, So duͤnckt ſie ſich doch mir vor ein altar zu gut: Das fuͤhlen, glaub ich, hat bey ihr ſelbſt kein empfinden, Und unſer liebes-oͤl braucht ſie vor kalte fluth. Doch wuͤrde der geduld noch dieſer unmuth weichen, Waͤr’ er mit eyferſucht und hochmuth nicht vergallt. Sie iſt dem roſen-ſtrauch im winter zu vergleichen, Der keine roſen traͤgt, und doch den dorn behaͤlt. Urtheile nun, mein kind! ob wir verliebt ſeyn moͤgen? Selbſt Aetna leſchet aus, wenn zunder ihm gebricht, Der wahn ehrt goͤtzen nur, die einem ſind entgegen, Die lieb erkennt den haß vor keinen abgott nicht; Die Anmuth aber hat den ſitz bey dir erwehlet, Der unhold wuͤſteney iſt weit von dir verbannt. Mit deinen ſitten hat der liebreitz ſich vermaͤhlet, Dein ſchoͤn-ſeyn hat ein garn der freyheit ausgeſpannt, Jn dieſem ſiehſt du mich hier deinen ſclaven liegen, Verſtoß nun dieſen nicht, den du ſelbſt feſſelſt an. Laß mich von deiner hand kein ſchaͤrffer urtheil kriegen, Als dein liebreitzend aug’ uns prophezeyen kan. Die ſonne, welche du zweyfach in augen traͤgeſt, Pflantzt, wie du mir, den trieb den ſonnenwenden ein; Die hold, ſo du ſelbſt feil auf deinem mund auslegeſt, Kan meiner ſeele nicht verbothne waare ſeyn. Das A 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/29>, abgerufen am 20.04.2024.