Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Getichte.
Das biß auf unsre zeit das alterthum verschont.
Last, critici! euch nur das suchen nicht ermüden!
Grabt alle steingen auf: Durchkriecht der hölen klufft:
Seht, ob sich irgendwo ein' alte ziffer findet:
Sucht einen Drudden-fuß: Sucht eine aschen-grufft!
Jch schwere, daß der fleis euch Lobeda verbindet;
Doch nein! denn Lobeda wird hier nicht danckbar seyn:
Es darff den ruhm nicht erst aus tieffen hölen graben:
Der glantz des alterthums ist ein geborgter schein;
Wer lob erwerben will, muß selbst die ehre haben,
Die hast du, Lobeda! und als dein eigenthum:
Wenn dich die spötter gleich ein kleines wesen nennen;
Dein enger umzirck hat weit ausgespannten ruhm,
Bey allen, welche dich mit deinem innhalt kennen.
Offt hat ein kleiner leib ein grosses hertz umfast:
Ein kleiner garten trägt offtmahls die schönsten früchte:
Ein zwerg hält offt an witz der grösten erden last,
Die von den riesen stammt, ein schönes gleich-gewichte.
Wenn gleich das pflaster nicht mit quater-steinen prangt;
Man darff die tritte doch nicht in dem kothe zehlen.
Mich deucht, wenn Grand Louis noch seinen zweck erlangt,
Er wird an statt Pariß zur residentz dich wehlen.
Die mauren sehen zwar, als wie zu Jer'cho aus:
Die wäll und gräben sind auch leichte zu ersteigen:
Man sieht kein proviant- kein zeug- noch pulver-haus;
Doch dieses alles kan dir keine schande zeigen.
Der mauren einfall zeugt von deiner tapfferkeit,
Die schon der teutsche krieg den sternen eingeschrieben;
Allein, wie kömmt es doch, daß sie so lange zeit,
Und biß auf diesen tag, noch ungebaut geblieben?
Diß eben lehret uns, daß du nicht furchtsam seyst,
Und daß die bürger selbst als dicke mauren stehen.
Gesetzt nun, daß man dich ein kleines wesen heist;
Hierinnen kanst du wohl auch ländern gleiche gehen.
Manch Sterops, der sich sonst gewaltig mausig macht,
Und alle stunden will zu einem helden werden,
Weil
Vermiſchte Getichte.
Das biß auf unſre zeit das alterthum verſchont.
Laſt, critici! euch nur das ſuchen nicht ermuͤden!
Grabt alle ſteingen auf: Durchkriecht der hoͤlen klufft:
Seht, ob ſich irgendwo ein’ alte ziffer findet:
Sucht einen Drudden-fuß: Sucht eine aſchen-grufft!
Jch ſchwere, daß der fleis euch Lobeda verbindet;
Doch nein! denn Lobeda wird hier nicht danckbar ſeyn:
Es darff den ruhm nicht erſt aus tieffen hoͤlen graben:
Der glantz des alterthums iſt ein geborgter ſchein;
Wer lob erwerben will, muß ſelbſt die ehre haben,
Die haſt du, Lobeda! und als dein eigenthum:
Wenn dich die ſpoͤtter gleich ein kleines weſen nennen;
Dein enger umzirck hat weit ausgeſpannten ruhm,
Bey allen, welche dich mit deinem innhalt kennen.
Offt hat ein kleiner leib ein groſſes hertz umfaſt:
Ein kleiner garten traͤgt offtmahls die ſchoͤnſten fruͤchte:
Ein zwerg haͤlt offt an witz der groͤſten erden laſt,
Die von den rieſen ſtammt, ein ſchoͤnes gleich-gewichte.
Wenn gleich das pflaſter nicht mit quater-ſteinen prangt;
Man darff die tritte doch nicht in dem kothe zehlen.
Mich deucht, wenn Grand Louis noch ſeinen zweck erlangt,
Er wird an ſtatt Pariß zur reſidentz dich wehlen.
Die mauren ſehen zwar, als wie zu Jer’cho aus:
Die waͤll und graͤben ſind auch leichte zu erſteigen:
Man ſieht kein proviant- kein zeug- noch pulver-haus;
Doch dieſes alles kan dir keine ſchande zeigen.
Der mauren einfall zeugt von deiner tapfferkeit,
Die ſchon der teutſche krieg den ſternen eingeſchrieben;
Allein, wie koͤmmt es doch, daß ſie ſo lange zeit,
Und biß auf dieſen tag, noch ungebaut geblieben?
Diß eben lehret uns, daß du nicht furchtſam ſeyſt,
Und daß die buͤrger ſelbſt als dicke mauren ſtehen.
Geſetzt nun, daß man dich ein kleines weſen heiſt;
Hierinnen kanſt du wohl auch laͤndern gleiche gehen.
Manch Sterops, der ſich ſonſt gewaltig mauſig macht,
Und alle ſtunden will zu einem helden werden,
Weil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0262" n="238"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Getichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Das biß auf un&#x017F;re zeit das alterthum ver&#x017F;chont.</l><lb/>
            <l>La&#x017F;t, critici! euch nur das &#x017F;uchen nicht ermu&#x0364;den!</l><lb/>
            <l>Grabt alle &#x017F;teingen auf: Durchkriecht der ho&#x0364;len klufft:</l><lb/>
            <l>Seht, ob &#x017F;ich irgendwo ein&#x2019; alte ziffer findet:</l><lb/>
            <l>Sucht einen Drudden-fuß: Sucht eine a&#x017F;chen-grufft!</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;chwere, daß der fleis euch Lobeda verbindet;</l><lb/>
            <l>Doch nein! denn Lobeda wird hier nicht danckbar &#x017F;eyn:</l><lb/>
            <l>Es darff den ruhm nicht er&#x017F;t aus tieffen ho&#x0364;len graben:</l><lb/>
            <l>Der glantz des alterthums i&#x017F;t ein geborgter &#x017F;chein;</l><lb/>
            <l>Wer lob erwerben will, muß &#x017F;elb&#x017F;t die ehre haben,</l><lb/>
            <l>Die ha&#x017F;t du, Lobeda! und als dein eigenthum:</l><lb/>
            <l>Wenn dich die &#x017F;po&#x0364;tter gleich ein kleines we&#x017F;en nennen;</l><lb/>
            <l>Dein enger umzirck hat weit ausge&#x017F;pannten ruhm,</l><lb/>
            <l>Bey allen, welche dich mit deinem innhalt kennen.</l><lb/>
            <l>Offt hat ein kleiner leib ein gro&#x017F;&#x017F;es hertz umfa&#x017F;t:</l><lb/>
            <l>Ein kleiner garten tra&#x0364;gt offtmahls die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten fru&#x0364;chte:</l><lb/>
            <l>Ein zwerg ha&#x0364;lt offt an witz der gro&#x0364;&#x017F;ten erden la&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Die von den rie&#x017F;en &#x017F;tammt, ein &#x017F;cho&#x0364;nes gleich-gewichte.</l><lb/>
            <l>Wenn gleich das pfla&#x017F;ter nicht mit quater-&#x017F;teinen prangt;</l><lb/>
            <l>Man darff die tritte doch nicht in dem kothe zehlen.</l><lb/>
            <l>Mich deucht, wenn Grand Louis noch &#x017F;einen zweck erlangt,</l><lb/>
            <l>Er wird an &#x017F;tatt Pariß zur re&#x017F;identz dich wehlen.</l><lb/>
            <l>Die mauren &#x017F;ehen zwar, als wie zu Jer&#x2019;cho aus:</l><lb/>
            <l>Die wa&#x0364;ll und gra&#x0364;ben &#x017F;ind auch leichte zu er&#x017F;teigen:</l><lb/>
            <l>Man &#x017F;ieht kein proviant- kein zeug- noch pulver-haus;</l><lb/>
            <l>Doch die&#x017F;es alles kan dir keine &#x017F;chande zeigen.</l><lb/>
            <l>Der mauren einfall zeugt von deiner tapfferkeit,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;chon der teut&#x017F;che krieg den &#x017F;ternen einge&#x017F;chrieben;</l><lb/>
            <l>Allein, wie ko&#x0364;mmt es doch, daß &#x017F;ie &#x017F;o lange zeit,</l><lb/>
            <l>Und biß auf die&#x017F;en tag, noch ungebaut geblieben?</l><lb/>
            <l>Diß eben lehret uns, daß du nicht furcht&#x017F;am &#x017F;ey&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und daß die bu&#x0364;rger &#x017F;elb&#x017F;t als dicke mauren &#x017F;tehen.</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;etzt nun, daß man dich ein kleines we&#x017F;en hei&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>Hierinnen kan&#x017F;t du wohl auch la&#x0364;ndern gleiche gehen.</l><lb/>
            <l>Manch Sterops, der &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t gewaltig mau&#x017F;ig macht,</l><lb/>
            <l>Und alle &#x017F;tunden will zu einem helden werden,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Weil</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0262] Vermiſchte Getichte. Das biß auf unſre zeit das alterthum verſchont. Laſt, critici! euch nur das ſuchen nicht ermuͤden! Grabt alle ſteingen auf: Durchkriecht der hoͤlen klufft: Seht, ob ſich irgendwo ein’ alte ziffer findet: Sucht einen Drudden-fuß: Sucht eine aſchen-grufft! Jch ſchwere, daß der fleis euch Lobeda verbindet; Doch nein! denn Lobeda wird hier nicht danckbar ſeyn: Es darff den ruhm nicht erſt aus tieffen hoͤlen graben: Der glantz des alterthums iſt ein geborgter ſchein; Wer lob erwerben will, muß ſelbſt die ehre haben, Die haſt du, Lobeda! und als dein eigenthum: Wenn dich die ſpoͤtter gleich ein kleines weſen nennen; Dein enger umzirck hat weit ausgeſpannten ruhm, Bey allen, welche dich mit deinem innhalt kennen. Offt hat ein kleiner leib ein groſſes hertz umfaſt: Ein kleiner garten traͤgt offtmahls die ſchoͤnſten fruͤchte: Ein zwerg haͤlt offt an witz der groͤſten erden laſt, Die von den rieſen ſtammt, ein ſchoͤnes gleich-gewichte. Wenn gleich das pflaſter nicht mit quater-ſteinen prangt; Man darff die tritte doch nicht in dem kothe zehlen. Mich deucht, wenn Grand Louis noch ſeinen zweck erlangt, Er wird an ſtatt Pariß zur reſidentz dich wehlen. Die mauren ſehen zwar, als wie zu Jer’cho aus: Die waͤll und graͤben ſind auch leichte zu erſteigen: Man ſieht kein proviant- kein zeug- noch pulver-haus; Doch dieſes alles kan dir keine ſchande zeigen. Der mauren einfall zeugt von deiner tapfferkeit, Die ſchon der teutſche krieg den ſternen eingeſchrieben; Allein, wie koͤmmt es doch, daß ſie ſo lange zeit, Und biß auf dieſen tag, noch ungebaut geblieben? Diß eben lehret uns, daß du nicht furchtſam ſeyſt, Und daß die buͤrger ſelbſt als dicke mauren ſtehen. Geſetzt nun, daß man dich ein kleines weſen heiſt; Hierinnen kanſt du wohl auch laͤndern gleiche gehen. Manch Sterops, der ſich ſonſt gewaltig mauſig macht, Und alle ſtunden will zu einem helden werden, Weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/262
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/262>, abgerufen am 23.11.2024.