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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
Weil er vermauret ist, kriecht, wenn ein stücke kracht,
Mit hertz und hos' und wamst sechs klafftern in die erden.
Nein! nein! ihr seyd nicht so; Jhr steht wie klotz und stein,
Und dürfft die festbarkeit nicht in die erde graben.
Zwar wär mit andern euch manch laster nur gemein,
Jhr würdet zweiffels-frey schon wall und mauren haben.
Wie manche mauer hat der ehbruch nicht gebaut!
Es weiß der kinder schaar, die auf dem pflaster lauffen,
Und ihren vater noch nicht auf der welt geschaut,
Wohl selten, wer darzu die steine müssen kauffen:
Jndessen weiß es der, so sie bezahlet hat.
Er schickt zum überfluß bey jedem oster-feste
Etwas ins waysen-hauß, und etwas vor den rath;
So bauen waysen dann die prächtigen palläste.
Hier pralt das rath-haus nicht, wie manches armen-haus:
Man läst das theure gold nicht auf die fenster mahlen;
Allein es sieht auch sonst nicht so gefährlich aus:
Man darff hier nicht so offt vor fenster-laden zahlen:
Es darff kein häscher-schwarm mit flegeln lauschen stehn:
Es lassen andere Philister sich bewachen:
Der Morgenstern darff hier nicht patroulliren gehn,
Wenn unsre bürger sich zusammen lustig machen:
Hier geht es meistentheils gar still und ruhig zu:
Man sieht kein tolles schwerd auf menschen-leiber rasen:
Und stört ein affter-stern ja irgend unsre ruh,
So läst man hand und hand auf mund und augen grasen:
So bringt man allezeit des lebens schatz davon,
Und macht den tapffern leib nicht vor der zeit zur aschen:
Bekommt schon jemand was vom schellenmarckt zum lohn,
So wird es bald mit bier und krätzer abgewaschen;
Jndessen fürchtet ihr geschoß und degen nicht:
Man hört da keinen Fuchs durch marckt und gassen wetzen:
Der, ob ihm gleich gehirn und witz und hertz gebricht,
Doch schon die halbe stadt in zittern denckt zu setzen.
Bey euch wohnt fried und lust, es weichet zanck und streit:
Und wer von Lobeda den nahmen nicht wird kennen,
Der-
Vermiſchte Getichte.
Weil er vermauret iſt, kriecht, wenn ein ſtuͤcke kracht,
Mit hertz und hoſ’ und wamſt ſechs klafftern in die erden.
Nein! nein! ihr ſeyd nicht ſo; Jhr ſteht wie klotz und ſtein,
Und duͤrfft die feſtbarkeit nicht in die erde graben.
Zwar waͤr mit andern euch manch laſter nur gemein,
Jhr wuͤrdet zweiffels-frey ſchon wall und mauren haben.
Wie manche mauer hat der ehbruch nicht gebaut!
Es weiß der kinder ſchaar, die auf dem pflaſter lauffen,
Und ihren vater noch nicht auf der welt geſchaut,
Wohl ſelten, wer darzu die ſteine muͤſſen kauffen:
Jndeſſen weiß es der, ſo ſie bezahlet hat.
Er ſchickt zum uͤberfluß bey jedem oſter-feſte
Etwas ins wayſen-hauß, und etwas vor den rath;
So bauen wayſen dann die praͤchtigen pallaͤſte.
Hier pralt das rath-haus nicht, wie manches armen-haus:
Man laͤſt das theure gold nicht auf die fenſter mahlen;
Allein es ſieht auch ſonſt nicht ſo gefaͤhrlich aus:
Man darff hier nicht ſo offt vor fenſter-laden zahlen:
Es darff kein haͤſcher-ſchwarm mit flegeln lauſchen ſtehn:
Es laſſen andere Philiſter ſich bewachen:
Der Morgenſtern darff hier nicht patroulliren gehn,
Wenn unſre buͤrger ſich zuſammen luſtig machen:
Hier geht es meiſtentheils gar ſtill und ruhig zu:
Man ſieht kein tolles ſchwerd auf menſchen-leiber raſen:
Und ſtoͤrt ein affter-ſtern ja irgend unſre ruh,
So laͤſt man hand und hand auf mund und augen graſen:
So bringt man allezeit des lebens ſchatz davon,
Und macht den tapffern leib nicht vor der zeit zur aſchen:
Bekommt ſchon jemand was vom ſchellenmarckt zum lohn,
So wird es bald mit bier und kraͤtzer abgewaſchen;
Jndeſſen fuͤrchtet ihr geſchoß und degen nicht:
Man hoͤrt da keinen Fuchs durch marckt und gaſſen wetzen:
Der, ob ihm gleich gehirn und witz und hertz gebricht,
Doch ſchon die halbe ſtadt in zittern denckt zu ſetzen.
Bey euch wohnt fried und luſt, es weichet zanck und ſtreit:
Und wer von Lobeda den nahmen nicht wird kennen,
Der-
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[239/0263] Vermiſchte Getichte. Weil er vermauret iſt, kriecht, wenn ein ſtuͤcke kracht, Mit hertz und hoſ’ und wamſt ſechs klafftern in die erden. Nein! nein! ihr ſeyd nicht ſo; Jhr ſteht wie klotz und ſtein, Und duͤrfft die feſtbarkeit nicht in die erde graben. Zwar waͤr mit andern euch manch laſter nur gemein, Jhr wuͤrdet zweiffels-frey ſchon wall und mauren haben. Wie manche mauer hat der ehbruch nicht gebaut! Es weiß der kinder ſchaar, die auf dem pflaſter lauffen, Und ihren vater noch nicht auf der welt geſchaut, Wohl ſelten, wer darzu die ſteine muͤſſen kauffen: Jndeſſen weiß es der, ſo ſie bezahlet hat. Er ſchickt zum uͤberfluß bey jedem oſter-feſte Etwas ins wayſen-hauß, und etwas vor den rath; So bauen wayſen dann die praͤchtigen pallaͤſte. Hier pralt das rath-haus nicht, wie manches armen-haus: Man laͤſt das theure gold nicht auf die fenſter mahlen; Allein es ſieht auch ſonſt nicht ſo gefaͤhrlich aus: Man darff hier nicht ſo offt vor fenſter-laden zahlen: Es darff kein haͤſcher-ſchwarm mit flegeln lauſchen ſtehn: Es laſſen andere Philiſter ſich bewachen: Der Morgenſtern darff hier nicht patroulliren gehn, Wenn unſre buͤrger ſich zuſammen luſtig machen: Hier geht es meiſtentheils gar ſtill und ruhig zu: Man ſieht kein tolles ſchwerd auf menſchen-leiber raſen: Und ſtoͤrt ein affter-ſtern ja irgend unſre ruh, So laͤſt man hand und hand auf mund und augen graſen: So bringt man allezeit des lebens ſchatz davon, Und macht den tapffern leib nicht vor der zeit zur aſchen: Bekommt ſchon jemand was vom ſchellenmarckt zum lohn, So wird es bald mit bier und kraͤtzer abgewaſchen; Jndeſſen fuͤrchtet ihr geſchoß und degen nicht: Man hoͤrt da keinen Fuchs durch marckt und gaſſen wetzen: Der, ob ihm gleich gehirn und witz und hertz gebricht, Doch ſchon die halbe ſtadt in zittern denckt zu ſetzen. Bey euch wohnt fried und luſt, es weichet zanck und ſtreit: Und wer von Lobeda den nahmen nicht wird kennen, Der-

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/263>, abgerufen am 16.07.2024.