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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Begräbniß-Getichte.
Drum stellt die wehmuth ein, und streut die rosen-blätter,
Die Annia verlangt, nachdem sie ihrem schatz
Biß in das grab gefolgt, bey diesem sommer-wetter
Auf den gecrönten sarg! Macht der vergnügung platz!
Trennt die vereinigten durch kein vergeblich grämen,
Gönnt ihnen ihre ruh und sanffte sicherheit!
Sonst dörfften euch so Griech- als Römer bald beschämen,
Die bey dergleichen fall sich sonderbar erfreut.
Entweicht! was macht ihr hier an diesem trauer-orte?
Die nunmehr seeligste rührt ferner keine noth.
Doch wiederholt vorher des weisen königs worte:
Die unbefleckte lieb' ist stärcker als der tod.


Als herr Johann David Kretschmar
ausser seinem vaterland in Leipzig den
20 April 1706 zur erden bestät-
tiget wurde.
G. S.
WEiß eine perle nicht den kiesel auszuhalten?
Und muß ein kluger kopff viel eher noch erkalten,
Als ein verwehnter thor, der nichts gelernet hat,
Als was ihm Rhenius und irgend der Donat
Mit ruthen eingepauckt? Es ist wohl schwer zu fassen;
Allein wir müssen doch den himmel walten lassen,
Der weiser ist, als wir. Sonst ist es freylich wahr,
Daß mein erblaster freund was ungemeines war.
Wie wuste Gryphius nicht seinen witz zn loben?
Fridrieiana kennt und rühmt noch seine proben:
Wie uns Cartesius die augen aufgethan:
Und wie Thomasens muth den alten Schlendrian,
Den viele stümper uns so kräfftig angepriesen,
Nun vollends ausgefegt, und uns die bahn gewiesen,
So uns das innerste der sitten-lehr entdeckt,
So sehr die heucheley auch diesen schatz versteckt;
Was
L 3
Begraͤbniß-Getichte.
Drum ſtellt die wehmuth ein, und ſtreut die roſen-blaͤtter,
Die Annia verlangt, nachdem ſie ihrem ſchatz
Biß in das grab gefolgt, bey dieſem ſommer-wetter
Auf den gecroͤnten ſarg! Macht der vergnuͤgung platz!
Trennt die vereinigten durch kein vergeblich graͤmen,
Goͤnnt ihnen ihre ruh und ſanffte ſicherheit!
Sonſt doͤrfften euch ſo Griech- als Roͤmer bald beſchaͤmen,
Die bey dergleichen fall ſich ſonderbar erfreut.
Entweicht! was macht ihr hier an dieſem trauer-orte?
Die nunmehr ſeeligſte ruͤhrt ferner keine noth.
Doch wiederholt vorher des weiſen koͤnigs worte:
Die unbefleckte lieb’ iſt ſtaͤrcker als der tod.


Als herꝛ Johann David Kretſchmar
auſſer ſeinem vaterland in Leipzig den
20 April 1706 zur erden beſtaͤt-
tiget wurde.
G. S.
WEiß eine perle nicht den kieſel auszuhalten?
Und muß ein kluger kopff viel eher noch erkalten,
Als ein verwehnter thor, der nichts gelernet hat,
Als was ihm Rhenius und irgend der Donat
Mit ruthen eingepauckt? Es iſt wohl ſchwer zu faſſen;
Allein wir muͤſſen doch den himmel walten laſſen,
Der weiſer iſt, als wir. Sonſt iſt es freylich wahr,
Daß mein erblaſter freund was ungemeines war.
Wie wuſte Gryphius nicht ſeinen witz zn loben?
Fridrieiana kennt und ruͤhmt noch ſeine proben:
Wie uns Carteſius die augen aufgethan:
Und wie Thomaſens muth den alten Schlendrian,
Den viele ſtuͤmper uns ſo kraͤfftig angeprieſen,
Nun vollends ausgefegt, und uns die bahn gewieſen,
So uns das innerſte der ſitten-lehr entdeckt,
So ſehr die heucheley auch dieſen ſchatz verſteckt;
Was
L 3
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[165/0189] Begraͤbniß-Getichte. Drum ſtellt die wehmuth ein, und ſtreut die roſen-blaͤtter, Die Annia verlangt, nachdem ſie ihrem ſchatz Biß in das grab gefolgt, bey dieſem ſommer-wetter Auf den gecroͤnten ſarg! Macht der vergnuͤgung platz! Trennt die vereinigten durch kein vergeblich graͤmen, Goͤnnt ihnen ihre ruh und ſanffte ſicherheit! Sonſt doͤrfften euch ſo Griech- als Roͤmer bald beſchaͤmen, Die bey dergleichen fall ſich ſonderbar erfreut. Entweicht! was macht ihr hier an dieſem trauer-orte? Die nunmehr ſeeligſte ruͤhrt ferner keine noth. Doch wiederholt vorher des weiſen koͤnigs worte: Die unbefleckte lieb’ iſt ſtaͤrcker als der tod. Als herꝛ Johann David Kretſchmar auſſer ſeinem vaterland in Leipzig den 20 April 1706 zur erden beſtaͤt- tiget wurde. G. S. WEiß eine perle nicht den kieſel auszuhalten? Und muß ein kluger kopff viel eher noch erkalten, Als ein verwehnter thor, der nichts gelernet hat, Als was ihm Rhenius und irgend der Donat Mit ruthen eingepauckt? Es iſt wohl ſchwer zu faſſen; Allein wir muͤſſen doch den himmel walten laſſen, Der weiſer iſt, als wir. Sonſt iſt es freylich wahr, Daß mein erblaſter freund was ungemeines war. Wie wuſte Gryphius nicht ſeinen witz zn loben? Fridrieiana kennt und ruͤhmt noch ſeine proben: Wie uns Carteſius die augen aufgethan: Und wie Thomaſens muth den alten Schlendrian, Den viele ſtuͤmper uns ſo kraͤfftig angeprieſen, Nun vollends ausgefegt, und uns die bahn gewieſen, So uns das innerſte der ſitten-lehr entdeckt, So ſehr die heucheley auch dieſen ſchatz verſteckt; Was L 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/189>, abgerufen am 03.05.2024.