Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Begräbniß-Getichte.
Jhr auge war geschickt, auch feinden zu gefallen:
Jhr holder mund ein sitz von tausend nachtigallen;
Und dennoch stirbet sie: Und dennoch muß ich thun,
Was ich von ihr gehofft, wenn ich einst würde ruhn.
Jsts möglich? Hier verschmacht das wort ihm auf den lippen:
Er ächtzt, er stehnet nur. Wie wenn an harten klippen
Ein starckes schiff anstößt, und zwar nicht gantz zerschellt;
Doch aber mit gewalt ins meer zurücke prellt:
Alsdenn der steuer-mann die müde hand läßt sincken,
Das ende seiner pein, den bitt:rn tod zu trincken:
So scheinet es auch hier. Allein, ich sag: es scheint;
Denn da der grosse fürst für angst zu sterben meint,
So kommt die schnelle post: Turin muß unterliegen,
Wo Friedrichs trouppen ihm nicht gleich zu hülffe fliegen.
Alsbald ermuntert sich sein halb-erloschner geist:
Der held wacht wieder auf. Er hört, er winckt, er weist,
Und endlich bricht er los: Was? Will mein kranckes stehnen,
Da man um ehre kämpfft, mich an den schlaf gewöhnen,
Und Franckreich dienste thun? Nein! nein! des reiches flor
Geht leichen, geht verlust, geht meinem schmertzen vor.
Eilt! helden! die wir längst zu dieser that erwehlet!
Theilt so viel wunden aus, als man hie seufftzer zehlet!
Jch lege meinen schatz und viel mit ihr ins grab,
Wischt durch der feinde schimpff mir meine thränen ab!
Charlotte fordert es. Charlotte, die gelebet,
Jtzt todt ist, aber doch in euren hertzen schwebet.
Gesagt; und auch geschehn. Die trouppen eilen fort,
Jch seh' von ferne schon den überwindungs-ort.
Jhr tichter! sinnet nur auf neue jubel-lieder!
Savoyen ist erlöst, und Preussen jauchtzet wieder.
Mein könig! dieses ist, was ich schon offt gesagt,
Daß nur ein Titus war, der jedermann behagt,
Und nur ein Friedrich lebt, den alle welt itzt liebet.
Man schau dich, wie man will, froh oder auch betrübet;
So bist du allzeit groß. Ein ander weint ja wohl;
Allein er weiß alsdenn nicht, wie er herrschen soll.
Du
Begraͤbniß-Getichte.
Jhr auge war geſchickt, auch feinden zu gefallen:
Jhr holder mund ein ſitz von tauſend nachtigallen;
Und dennoch ſtirbet ſie: Und dennoch muß ich thun,
Was ich von ihr gehofft, wenn ich einſt wuͤrde ruhn.
Jſts moͤglich? Hier verſchmacht das wort ihm auf den lippen:
Er aͤchtzt, er ſtehnet nur. Wie wenn an harten klippen
Ein ſtarckes ſchiff anſtoͤßt, und zwar nicht gantz zerſchellt;
Doch aber mit gewalt ins meer zuruͤcke prellt:
Alsdenn der ſteuer-mann die muͤde hand laͤßt ſincken,
Das ende ſeiner pein, den bitt:rn tod zu trincken:
So ſcheinet es auch hier. Allein, ich ſag: es ſcheint;
Denn da der groſſe fuͤrſt fuͤr angſt zu ſterben meint,
So kommt die ſchnelle poſt: Turin muß unterliegen,
Wo Friedrichs trouppen ihm nicht gleich zu huͤlffe fliegen.
Alsbald ermuntert ſich ſein halb-erloſchner geiſt:
Der held wacht wieder auf. Er hoͤrt, er winckt, er weiſt,
Und endlich bricht er los: Was? Will mein kranckes ſtehnen,
Da man um ehre kaͤmpfft, mich an den ſchlaf gewoͤhnen,
Und Franckreich dienſte thun? Nein! nein! des reiches flor
Geht leichen, geht verluſt, geht meinem ſchmertzen vor.
Eilt! helden! die wir laͤngſt zu dieſer that erwehlet!
Theilt ſo viel wunden aus, als man hie ſeufftzer zehlet!
Jch lege meinen ſchatz und viel mit ihr ins grab,
Wiſcht durch der feinde ſchimpff mir meine thraͤnen ab!
Charlotte fordert es. Charlotte, die gelebet,
Jtzt todt iſt, aber doch in euren hertzen ſchwebet.
Geſagt; und auch geſchehn. Die trouppen eilen fort,
Jch ſeh’ von ferne ſchon den uͤberwindungs-ort.
Jhr tichter! ſinnet nur auf neue jubel-lieder!
Savoyen iſt erloͤſt, und Preuſſen jauchtzet wieder.
Mein koͤnig! dieſes iſt, was ich ſchon offt geſagt,
Daß nur ein Titus war, der jedermann behagt,
Und nur ein Friedrich lebt, den alle welt itzt liebet.
Man ſchau dich, wie man will, froh oder auch betruͤbet;
So biſt du allzeit groß. Ein ander weint ja wohl;
Allein er weiß alsdenn nicht, wie er herꝛſchen ſoll.
Du
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0181" n="157"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begra&#x0364;bniß-Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Jhr auge war ge&#x017F;chickt, auch feinden zu gefallen:</l><lb/>
          <l>Jhr holder mund ein &#x017F;itz von tau&#x017F;end nachtigallen;</l><lb/>
          <l>Und dennoch &#x017F;tirbet &#x017F;ie: Und dennoch muß ich thun,</l><lb/>
          <l>Was ich von ihr gehofft, wenn ich ein&#x017F;t wu&#x0364;rde ruhn.</l><lb/>
          <l>J&#x017F;ts mo&#x0364;glich? Hier ver&#x017F;chmacht das wort ihm auf den lippen:</l><lb/>
          <l>Er a&#x0364;chtzt, er &#x017F;tehnet nur. Wie wenn an harten klippen</l><lb/>
          <l>Ein &#x017F;tarckes &#x017F;chiff an&#x017F;to&#x0364;ßt, und zwar nicht gantz zer&#x017F;chellt;</l><lb/>
          <l>Doch aber mit gewalt ins meer zuru&#x0364;cke prellt:</l><lb/>
          <l>Alsdenn der &#x017F;teuer-mann die mu&#x0364;de hand la&#x0364;ßt &#x017F;incken,</l><lb/>
          <l>Das ende &#x017F;einer pein, den bitt:rn tod zu trincken:</l><lb/>
          <l>So &#x017F;cheinet es auch hier. Allein, ich &#x017F;ag: es &#x017F;cheint;</l><lb/>
          <l>Denn da der gro&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r&#x017F;t fu&#x0364;r ang&#x017F;t zu &#x017F;terben meint,</l><lb/>
          <l>So kommt die &#x017F;chnelle po&#x017F;t: Turin muß unterliegen,</l><lb/>
          <l>Wo Friedrichs trouppen ihm nicht gleich zu hu&#x0364;lffe fliegen.</l><lb/>
          <l>Alsbald ermuntert &#x017F;ich &#x017F;ein halb-erlo&#x017F;chner gei&#x017F;t:</l><lb/>
          <l>Der held wacht wieder auf. Er ho&#x0364;rt, er winckt, er wei&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>Und endlich bricht er los: Was? Will mein kranckes &#x017F;tehnen,</l><lb/>
          <l>Da man um ehre ka&#x0364;mpfft, mich an den &#x017F;chlaf gewo&#x0364;hnen,</l><lb/>
          <l>Und Franckreich dien&#x017F;te thun? Nein! nein! des reiches flor</l><lb/>
          <l>Geht leichen, geht verlu&#x017F;t, geht meinem &#x017F;chmertzen vor.</l><lb/>
          <l>Eilt! helden! die wir la&#x0364;ng&#x017F;t zu die&#x017F;er that erwehlet!</l><lb/>
          <l>Theilt &#x017F;o viel wunden aus, als man hie &#x017F;eufftzer zehlet!</l><lb/>
          <l>Jch lege meinen &#x017F;chatz und viel mit ihr ins grab,</l><lb/>
          <l>Wi&#x017F;cht durch der feinde &#x017F;chimpff mir meine thra&#x0364;nen ab!</l><lb/>
          <l>Charlotte fordert es. Charlotte, die gelebet,</l><lb/>
          <l>Jtzt todt i&#x017F;t, aber doch in euren hertzen &#x017F;chwebet.</l><lb/>
          <l>Ge&#x017F;agt; und auch ge&#x017F;chehn. Die trouppen eilen fort,</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;eh&#x2019; von ferne &#x017F;chon den u&#x0364;berwindungs-ort.</l><lb/>
          <l>Jhr tichter! &#x017F;innet nur auf neue jubel-lieder!</l><lb/>
          <l>Savoyen i&#x017F;t erlo&#x0364;&#x017F;t, und Preu&#x017F;&#x017F;en jauchtzet wieder.</l><lb/>
          <l>Mein ko&#x0364;nig! die&#x017F;es i&#x017F;t, was ich &#x017F;chon offt ge&#x017F;agt,</l><lb/>
          <l>Daß nur ein Titus war, der jedermann behagt,</l><lb/>
          <l>Und nur ein Friedrich lebt, den alle welt itzt liebet.</l><lb/>
          <l>Man &#x017F;chau dich, wie man will, froh oder auch betru&#x0364;bet;</l><lb/>
          <l>So bi&#x017F;t du allzeit groß. Ein ander weint ja wohl;</l><lb/>
          <l>Allein er weiß alsdenn nicht, wie er her&#xA75B;&#x017F;chen &#x017F;oll.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Du</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0181] Begraͤbniß-Getichte. Jhr auge war geſchickt, auch feinden zu gefallen: Jhr holder mund ein ſitz von tauſend nachtigallen; Und dennoch ſtirbet ſie: Und dennoch muß ich thun, Was ich von ihr gehofft, wenn ich einſt wuͤrde ruhn. Jſts moͤglich? Hier verſchmacht das wort ihm auf den lippen: Er aͤchtzt, er ſtehnet nur. Wie wenn an harten klippen Ein ſtarckes ſchiff anſtoͤßt, und zwar nicht gantz zerſchellt; Doch aber mit gewalt ins meer zuruͤcke prellt: Alsdenn der ſteuer-mann die muͤde hand laͤßt ſincken, Das ende ſeiner pein, den bitt:rn tod zu trincken: So ſcheinet es auch hier. Allein, ich ſag: es ſcheint; Denn da der groſſe fuͤrſt fuͤr angſt zu ſterben meint, So kommt die ſchnelle poſt: Turin muß unterliegen, Wo Friedrichs trouppen ihm nicht gleich zu huͤlffe fliegen. Alsbald ermuntert ſich ſein halb-erloſchner geiſt: Der held wacht wieder auf. Er hoͤrt, er winckt, er weiſt, Und endlich bricht er los: Was? Will mein kranckes ſtehnen, Da man um ehre kaͤmpfft, mich an den ſchlaf gewoͤhnen, Und Franckreich dienſte thun? Nein! nein! des reiches flor Geht leichen, geht verluſt, geht meinem ſchmertzen vor. Eilt! helden! die wir laͤngſt zu dieſer that erwehlet! Theilt ſo viel wunden aus, als man hie ſeufftzer zehlet! Jch lege meinen ſchatz und viel mit ihr ins grab, Wiſcht durch der feinde ſchimpff mir meine thraͤnen ab! Charlotte fordert es. Charlotte, die gelebet, Jtzt todt iſt, aber doch in euren hertzen ſchwebet. Geſagt; und auch geſchehn. Die trouppen eilen fort, Jch ſeh’ von ferne ſchon den uͤberwindungs-ort. Jhr tichter! ſinnet nur auf neue jubel-lieder! Savoyen iſt erloͤſt, und Preuſſen jauchtzet wieder. Mein koͤnig! dieſes iſt, was ich ſchon offt geſagt, Daß nur ein Titus war, der jedermann behagt, Und nur ein Friedrich lebt, den alle welt itzt liebet. Man ſchau dich, wie man will, froh oder auch betruͤbet; So biſt du allzeit groß. Ein ander weint ja wohl; Allein er weiß alsdenn nicht, wie er herꝛſchen ſoll. Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/181
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/181>, abgerufen am 03.05.2024.