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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Begräbniß-Getichte.
Sie war dein ander hertz, des hauses freuden-licht,
Der kinder ehren-bild, des nächsten zuversicht.
Und also scheint es zwar, ob müst du sie beklagen;
Jedoch was dir dein hertz, dein kranckes hertz zerschlagen,
Das eben solte ja zum troste dir gedeyn.
Was klagst du? Einen leib, der aller angst und pein
Nunmehr entrissen ist? Was klagst du? Eine seele,
Die ihr gefängniß flieht, und aus der sünden-höle
Sich nach dem himmel schwingt? Wie? oder klagst du dich?
Klagst du dein armes haus? Ach freylich, sprichst du, mich!
Ach freylich, kind und haus! Laß ab von deinen thränen!
Wer liebt, der muß sich stets nach solchen dingen sehnen,
Die das geliebt' erfreun. Dein treues eh-gemahl
Hat fünff und zwantzig jahr im haus und überall,
Nächst GOtt und ihrer seel, auf nichts als dich gesehen:
Das glücke, das dir schien, war auch ihr wohl-ergehen:
Der kummer, der dich traff, war auch ihr trauer-brod;
Liebst du nun so, wie sie, was klagst du ihren tod,
Der sie so glücklich macht? Was weinst du, daß sie stirbet,
Da sie zwar viel verläst, jedoch weit mehr erwirbet?
Ja da sie, stirbt sie gleich, dennoch lebendig bleibt,
Weil sie ihr wesen längst den kindern einverleibt.
Laß andre traurig seyn, wo alles muß verschwinden;
Du kanst der mutter bild in jeder tochter finden.


Trauer-klage eines fürnehmen witwers
über den tod seiner gemahlin.

B. N.
WEnn ich, o seeligste! noch an den tag gedencke,
Da, was ich itzund bin, von mir noch ferne schien:
Und wenn ich wieder mich nach deinem grabe lencke,
Wo jammer augst und noth auf mich zusammen ziehn;
Ach! so begreiff ich nicht, ob sterben oder leben?
Ob elend oder glück auf erden besser sey?
Du
Begraͤbniß-Getichte.
Sie war dein ander hertz, des hauſes freuden-licht,
Der kinder ehren-bild, des naͤchſten zuverſicht.
Und alſo ſcheint es zwar, ob muͤſt du ſie beklagen;
Jedoch was dir dein hertz, dein kranckes hertz zerſchlagen,
Das eben ſolte ja zum troſte dir gedeyn.
Was klagſt du? Einen leib, der aller angſt und pein
Nunmehr entriſſen iſt? Was klagſt du? Eine ſeele,
Die ihr gefaͤngniß flieht, und aus der ſuͤnden-hoͤle
Sich nach dem himmel ſchwingt? Wie? oder klagſt du dich?
Klagſt du dein armes haus? Ach freylich, ſprichſt du, mich!
Ach freylich, kind und haus! Laß ab von deinen thraͤnen!
Wer liebt, der muß ſich ſtets nach ſolchen dingen ſehnen,
Die das geliebt’ erfreun. Dein treues eh-gemahl
Hat fuͤnff und zwantzig jahr im haus und uͤberall,
Naͤchſt GOtt und ihrer ſeel, auf nichts als dich geſehen:
Das gluͤcke, das dir ſchien, war auch ihr wohl-ergehen:
Der kummer, der dich traff, war auch ihr trauer-brod;
Liebſt du nun ſo, wie ſie, was klagſt du ihren tod,
Der ſie ſo gluͤcklich macht? Was weinſt du, daß ſie ſtirbet,
Da ſie zwar viel verlaͤſt, jedoch weit mehr erwirbet?
Ja da ſie, ſtirbt ſie gleich, dennoch lebendig bleibt,
Weil ſie ihr weſen laͤngſt den kindern einverleibt.
Laß andre traurig ſeyn, wo alles muß verſchwinden;
Du kanſt der mutter bild in jeder tochter finden.


Trauer-klage eines fuͤrnehmen witwers
uͤber den tod ſeiner gemahlin.

B. N.
WEnn ich, o ſeeligſte! noch an den tag gedencke,
Da, was ich itzund bin, von mir noch ferne ſchien:
Und wenn ich wieder mich nach deinem grabe lencke,
Wo jammer augſt und noth auf mich zuſammen ziehn;
Ach! ſo begreiff ich nicht, ob ſterben oder leben?
Ob elend oder gluͤck auf erden beſſer ſey?
Du
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[152/0176] Begraͤbniß-Getichte. Sie war dein ander hertz, des hauſes freuden-licht, Der kinder ehren-bild, des naͤchſten zuverſicht. Und alſo ſcheint es zwar, ob muͤſt du ſie beklagen; Jedoch was dir dein hertz, dein kranckes hertz zerſchlagen, Das eben ſolte ja zum troſte dir gedeyn. Was klagſt du? Einen leib, der aller angſt und pein Nunmehr entriſſen iſt? Was klagſt du? Eine ſeele, Die ihr gefaͤngniß flieht, und aus der ſuͤnden-hoͤle Sich nach dem himmel ſchwingt? Wie? oder klagſt du dich? Klagſt du dein armes haus? Ach freylich, ſprichſt du, mich! Ach freylich, kind und haus! Laß ab von deinen thraͤnen! Wer liebt, der muß ſich ſtets nach ſolchen dingen ſehnen, Die das geliebt’ erfreun. Dein treues eh-gemahl Hat fuͤnff und zwantzig jahr im haus und uͤberall, Naͤchſt GOtt und ihrer ſeel, auf nichts als dich geſehen: Das gluͤcke, das dir ſchien, war auch ihr wohl-ergehen: Der kummer, der dich traff, war auch ihr trauer-brod; Liebſt du nun ſo, wie ſie, was klagſt du ihren tod, Der ſie ſo gluͤcklich macht? Was weinſt du, daß ſie ſtirbet, Da ſie zwar viel verlaͤſt, jedoch weit mehr erwirbet? Ja da ſie, ſtirbt ſie gleich, dennoch lebendig bleibt, Weil ſie ihr weſen laͤngſt den kindern einverleibt. Laß andre traurig ſeyn, wo alles muß verſchwinden; Du kanſt der mutter bild in jeder tochter finden. Trauer-klage eines fuͤrnehmen witwers uͤber den tod ſeiner gemahlin. B. N. WEnn ich, o ſeeligſte! noch an den tag gedencke, Da, was ich itzund bin, von mir noch ferne ſchien: Und wenn ich wieder mich nach deinem grabe lencke, Wo jammer augſt und noth auf mich zuſammen ziehn; Ach! ſo begreiff ich nicht, ob ſterben oder leben? Ob elend oder gluͤck auf erden beſſer ſey? Du

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/176>, abgerufen am 24.11.2024.