Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Hochzeit-Getichte.
Alleine? fraget ihr: Ja, wie gedacht, alleine.
Denn was ich ehmahls schrieb, war weder mein noch seine,
Hier hatte Seneca, dort Plato was gesagt;
Da hatt' ich einen spruch dem Plautus abgejagt;
Und etwan anderswo den Tacitus bestohlen.
Auf diesem schwachen grund, ich sag es unverholen,
Baut' ich von versen offt damahls ein gantzes hauß,
Und ziert' es noch dazu mit sinne-bildern aus.
Wie öffters muß ich doch der abgeschmackten sachen,
Wenn ich zurücke seh', noch bey mir selber lachen;
Gleichwohl gefielen sie, und nahmen durch den schein,
Wie schlecht er immer war, viel hundert leser ein.
Ha! schrie man hier und da; für dem muß Opitz weichen
Ja, dacht ich, wenn ich ihn nur erstlich könt' erreichen!
Den willen hätt' ich wohl. So, wie ich es gedacht,
So ist es auch geschehn. Jch habe manche nacht
Und manchen tag geschwitzt; allein ich muß gestehen,
Daß ich ihm noch umsonst versuche nachzugehen.
O grausamer Horaz! was hat dich doch bewegt,
Daß du uns so viel last im tichten aufgelegt?
So bald ich nur dein buch mit nutz und ernst gelesen;
So ist mir auch nicht mehr im schreiben wohl gewesen.
Vor kamen wort und reim; itzt lauff ich ihnen nach:
Vor flog ich himmel-an; itzt thu ich gantz gemach.
Jch schleiche, wie ein dachs, aus dem poeten-orden,
Und bin mit grosser müh kaum noch dein schüler worden.
Kommt, sprech ich offtermahls, gold, marmel und porphir!
Nein, deuck' ich wiederum, flieht, fliehet weit von mir!
Jhr seyd mir viel zu theur bey diesen schweren jahren,
Jch habe jung verschwendt, ich will im alter spahren.
Und also bin ich nicht mehr nach der neuen welt:
Denn ich erfinde nichts, was in die augen fällt.
Was wird denn Schlesien zu meinen versen sagen?
Es sage, was es will; Jch muß es dennoch wagen.
Wir haben hier ein paar, bey dessen liebes-gluth
Cupidens blinder rath nicht das geringste thut.
Denn
Hochzeit-Getichte.
Alleine? fraget ihr: Ja, wie gedacht, alleine.
Denn was ich ehmahls ſchrieb, war weder mein noch ſeine,
Hier hatte Seneca, dort Plato was geſagt;
Da hatt’ ich einen ſpruch dem Plautus abgejagt;
Und etwan anderswo den Tacitus beſtohlen.
Auf dieſem ſchwachen grund, ich ſag es unverholen,
Baut’ ich von verſen offt damahls ein gantzes hauß,
Und ziert’ es noch dazu mit ſinne-bildern aus.
Wie oͤffters muß ich doch der abgeſchmackten ſachen,
Wenn ich zuruͤcke ſeh’, noch bey mir ſelber lachen;
Gleichwohl gefielen ſie, und nahmen durch den ſchein,
Wie ſchlecht er immer war, viel hundert leſer ein.
Ha! ſchrie man hier und da; fuͤr dem muß Opitz weichen
Ja, dacht ich, wenn ich ihn nur erſtlich koͤnt’ erreichen!
Den willen haͤtt’ ich wohl. So, wie ich es gedacht,
So iſt es auch geſchehn. Jch habe manche nacht
Und manchen tag geſchwitzt; allein ich muß geſtehen,
Daß ich ihm noch umſonſt verſuche nachzugehen.
O grauſamer Horaz! was hat dich doch bewegt,
Daß du uns ſo viel laſt im tichten aufgelegt?
So bald ich nur dein buch mit nutz und ernſt geleſen;
So iſt mir auch nicht mehr im ſchreiben wohl geweſen.
Vor kamen wort und reim; itzt lauff ich ihnen nach:
Vor flog ich himmel-an; itzt thu ich gantz gemach.
Jch ſchleiche, wie ein dachs, aus dem poeten-orden,
Und bin mit groſſer muͤh kaum noch dein ſchuͤler worden.
Kommt, ſprech ich offtermahls, gold, marmel und porphir!
Nein, deuck’ ich wiederum, flieht, fliehet weit von mir!
Jhr ſeyd mir viel zu theur bey dieſen ſchweren jahren,
Jch habe jung verſchwendt, ich will im alter ſpahren.
Und alſo bin ich nicht mehr nach der neuen welt:
Denn ich erfinde nichts, was in die augen faͤllt.
Was wird denn Schleſien zu meinen verſen ſagen?
Es ſage, was es will; Jch muß es dennoch wagen.
Wir haben hier ein paar, bey deſſen liebes-gluth
Cupidens blinder rath nicht das geringſte thut.
Denn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0126" n="102"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hochzeit-Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Alleine? fraget ihr: Ja, wie gedacht, alleine.</l><lb/>
          <l>Denn was ich ehmahls &#x017F;chrieb, war weder mein noch &#x017F;eine,</l><lb/>
          <l>Hier hatte Seneca, dort Plato was ge&#x017F;agt;</l><lb/>
          <l>Da hatt&#x2019; ich einen &#x017F;pruch dem Plautus abgejagt;</l><lb/>
          <l>Und etwan anderswo den Tacitus be&#x017F;tohlen.</l><lb/>
          <l>Auf die&#x017F;em &#x017F;chwachen grund, ich &#x017F;ag es unverholen,</l><lb/>
          <l>Baut&#x2019; ich von ver&#x017F;en offt damahls ein gantzes hauß,</l><lb/>
          <l>Und ziert&#x2019; es noch dazu mit &#x017F;inne-bildern aus.</l><lb/>
          <l>Wie o&#x0364;ffters muß ich doch der abge&#x017F;chmackten &#x017F;achen,</l><lb/>
          <l>Wenn ich zuru&#x0364;cke &#x017F;eh&#x2019;, noch bey mir &#x017F;elber lachen;</l><lb/>
          <l>Gleichwohl gefielen &#x017F;ie, und nahmen durch den &#x017F;chein,</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;chlecht er immer war, viel hundert le&#x017F;er ein.</l><lb/>
          <l>Ha! &#x017F;chrie man hier und da; fu&#x0364;r dem muß Opitz weichen</l><lb/>
          <l>Ja, dacht ich, wenn ich ihn nur er&#x017F;tlich ko&#x0364;nt&#x2019; erreichen!</l><lb/>
          <l>Den willen ha&#x0364;tt&#x2019; ich wohl. So, wie ich es gedacht,</l><lb/>
          <l>So i&#x017F;t es auch ge&#x017F;chehn. Jch habe manche nacht</l><lb/>
          <l>Und manchen tag ge&#x017F;chwitzt; allein ich muß ge&#x017F;tehen,</l><lb/>
          <l>Daß ich ihm noch um&#x017F;on&#x017F;t ver&#x017F;uche nachzugehen.</l><lb/>
          <l>O grau&#x017F;amer Horaz! was hat dich doch bewegt,</l><lb/>
          <l>Daß du uns &#x017F;o viel la&#x017F;t im tichten aufgelegt?</l><lb/>
          <l>So bald ich nur dein buch mit nutz und ern&#x017F;t gele&#x017F;en;</l><lb/>
          <l>So i&#x017F;t mir auch nicht mehr im &#x017F;chreiben wohl gewe&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Vor kamen wort und reim; itzt lauff ich ihnen nach:</l><lb/>
          <l>Vor flog ich himmel-an; itzt thu ich gantz gemach.</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;chleiche, wie ein dachs, aus dem poeten-orden,</l><lb/>
          <l>Und bin mit gro&#x017F;&#x017F;er mu&#x0364;h kaum noch dein &#x017F;chu&#x0364;ler worden.</l><lb/>
          <l>Kommt, &#x017F;prech ich offtermahls, gold, marmel und porphir!</l><lb/>
          <l>Nein, deuck&#x2019; ich wiederum, flieht, fliehet weit von mir!</l><lb/>
          <l>Jhr &#x017F;eyd mir viel zu theur bey die&#x017F;en &#x017F;chweren jahren,</l><lb/>
          <l>Jch habe jung ver&#x017F;chwendt, ich will im alter &#x017F;pahren.</l><lb/>
          <l>Und al&#x017F;o bin ich nicht mehr nach der neuen welt:</l><lb/>
          <l>Denn ich erfinde nichts, was in die augen fa&#x0364;llt.</l><lb/>
          <l>Was wird denn Schle&#x017F;ien zu meinen ver&#x017F;en &#x017F;agen?</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;age, was es will; Jch muß es dennoch wagen.</l><lb/>
          <l>Wir haben hier ein paar, bey de&#x017F;&#x017F;en liebes-gluth</l><lb/>
          <l>Cupidens blinder rath nicht das gering&#x017F;te thut.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Denn</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0126] Hochzeit-Getichte. Alleine? fraget ihr: Ja, wie gedacht, alleine. Denn was ich ehmahls ſchrieb, war weder mein noch ſeine, Hier hatte Seneca, dort Plato was geſagt; Da hatt’ ich einen ſpruch dem Plautus abgejagt; Und etwan anderswo den Tacitus beſtohlen. Auf dieſem ſchwachen grund, ich ſag es unverholen, Baut’ ich von verſen offt damahls ein gantzes hauß, Und ziert’ es noch dazu mit ſinne-bildern aus. Wie oͤffters muß ich doch der abgeſchmackten ſachen, Wenn ich zuruͤcke ſeh’, noch bey mir ſelber lachen; Gleichwohl gefielen ſie, und nahmen durch den ſchein, Wie ſchlecht er immer war, viel hundert leſer ein. Ha! ſchrie man hier und da; fuͤr dem muß Opitz weichen Ja, dacht ich, wenn ich ihn nur erſtlich koͤnt’ erreichen! Den willen haͤtt’ ich wohl. So, wie ich es gedacht, So iſt es auch geſchehn. Jch habe manche nacht Und manchen tag geſchwitzt; allein ich muß geſtehen, Daß ich ihm noch umſonſt verſuche nachzugehen. O grauſamer Horaz! was hat dich doch bewegt, Daß du uns ſo viel laſt im tichten aufgelegt? So bald ich nur dein buch mit nutz und ernſt geleſen; So iſt mir auch nicht mehr im ſchreiben wohl geweſen. Vor kamen wort und reim; itzt lauff ich ihnen nach: Vor flog ich himmel-an; itzt thu ich gantz gemach. Jch ſchleiche, wie ein dachs, aus dem poeten-orden, Und bin mit groſſer muͤh kaum noch dein ſchuͤler worden. Kommt, ſprech ich offtermahls, gold, marmel und porphir! Nein, deuck’ ich wiederum, flieht, fliehet weit von mir! Jhr ſeyd mir viel zu theur bey dieſen ſchweren jahren, Jch habe jung verſchwendt, ich will im alter ſpahren. Und alſo bin ich nicht mehr nach der neuen welt: Denn ich erfinde nichts, was in die augen faͤllt. Was wird denn Schleſien zu meinen verſen ſagen? Es ſage, was es will; Jch muß es dennoch wagen. Wir haben hier ein paar, bey deſſen liebes-gluth Cupidens blinder rath nicht das geringſte thut. Denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/126
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/126>, abgerufen am 23.11.2024.