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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Hochzeit-Gedichte.
Mit betheurung, keine würd' aus dem tabulate kommen,
Biß ein ehrlicher galan eine bitte vor sie thu.
Doch genung! ich sehe schon feuer aus den augen blitzen,
Hundert nadeln sind auf mich vor den lobgesang gewetzt,
Zwar die wahrheit könte mich wider solchen anfall schützen,
Wer ein gut gewissen hat, wird dadurch nicht aufgehetzt.
Doch die ungelegenheit bey den jungfern zu vermeiden,
So entschuldige das werck, sprich: Es sey ein bloser traum,
Sonst wird manch beredter mund einen schandfleck vor mich
schneiden,
Der im gantzen A B C habe nicht genugsam raum.
Aber wo gerath ich hin? Werther Vetter! diese zeilen,
Sind zu sehr von deinem glück und von meiner pflicht ent-
fernt,
Beydes heisset meinen fuß von den arrestirten eilen,
Und an einen ort zu gehn, wo man tugend kennen lernt.
Zwar das hertze wird mir schwer; solten die erzörnten damen
Nur aus rache im April mir wol einen possen thun?
Solte wol der fragende nach dem Fesselischen namen
Jn ein zucht-hauß müssen gehn, und in stock und fesseln ruhn?
Nein, ich folge dir getrost, denn ich sehe solche fessel,
Uber deren süße last sich kein kluger mann beschwehrt;
Ausser wer per accidens trifft auf eine böse nessel,
Dir ist ein vollkommnes glück durch die Fesselin beschehrt,
Zum beweiß: daß wer zuerst einen schatz vom himmel bittet,
Und von stiller demuth mehr, als von frechen augen, hält,
Werde nach der liebes-wahl mit viel segen überschüttet,
Welcher auf sein hauß und hof als ein göldner regen fällt.
Lebe demnach höchst vergnügt, Werthgeschätzter Freund und
Vetter!
Deine liebe setze dich in ein solches paradieß,
Wo dein stets beglückter fuß tritt auf frische rosen-blätter,
So der mund, das aug und hertz hat den herrlichsten genieß.
Dich erfreu des himmels gunst mit gewünschten mäyen-tagen,
Die kein stürmender April stören noch vertilgen kan;
Kurtz, man müsse so von dir, als von Fortunato sagen:
Jener nagelte das glück; und du legst ihm fessel an.
Die
E 2
Hochzeit-Gedichte.
Mit betheurung, keine wuͤrd’ aus dem tabulate kommen,
Biß ein ehrlicher galan eine bitte vor ſie thu.
Doch genung! ich ſehe ſchon feuer aus den augen blitzen,
Hundert nadeln ſind auf mich vor den lobgeſang gewetzt,
Zwar die wahrheit koͤnte mich wider ſolchen anfall ſchuͤtzen,
Wer ein gut gewiſſen hat, wird dadurch nicht aufgehetzt.
Doch die ungelegenheit bey den jungfern zu vermeiden,
So entſchuldige das werck, ſprich: Es ſey ein bloſer traum,
Sonſt wird manch beredter mund einen ſchandfleck vor mich
ſchneiden,
Der im gantzen A B C habe nicht genugſam raum.
Aber wo gerath ich hin? Werther Vetter! dieſe zeilen,
Sind zu ſehr von deinem gluͤck und von meiner pflicht ent-
fernt,
Beydes heiſſet meinen fuß von den arreſtirten eilen,
Und an einen ort zu gehn, wo man tugend kennen lernt.
Zwar das hertze wird mir ſchwer; ſolten die erzoͤrnten damen
Nur aus rache im April mir wol einen poſſen thun?
Solte wol der fragende nach dem Feſſeliſchen namen
Jn ein zucht-hauß muͤſſen gehn, und in ſtock und feſſeln ruhn?
Nein, ich folge dir getroſt, denn ich ſehe ſolche feſſel,
Uber deren ſuͤße laſt ſich kein kluger mann beſchwehrt;
Auſſer wer per accidens trifft auf eine boͤſe neſſel,
Dir iſt ein vollkommnes gluͤck durch die Feſſelin beſchehrt,
Zum beweiß: daß wer zuerſt einen ſchatz vom himmel bittet,
Und von ſtiller demuth mehr, als von frechen augen, haͤlt,
Werde nach der liebes-wahl mit viel ſegen uͤberſchuͤttet,
Welcher auf ſein hauß und hof als ein goͤldner regen faͤllt.
Lebe demnach hoͤchſt vergnuͤgt, Werthgeſchaͤtzter Freund und
Vetter!
Deine liebe ſetze dich in ein ſolches paradieß,
Wo dein ſtets begluͤckter fuß tritt auf friſche roſen-blaͤtter,
So der mund, das aug und hertz hat den herrlichſten genieß.
Dich erfreu des himmels gunſt mit gewuͤnſchten maͤyen-tagen,
Die kein ſtuͤrmender April ſtoͤren noch vertilgen kan;
Kurtz, man muͤſſe ſo von dir, als von Fortunato ſagen:
Jener nagelte das gluͤck; und du legſt ihm feſſel an.
Die
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[67/0069] Hochzeit-Gedichte. Mit betheurung, keine wuͤrd’ aus dem tabulate kommen, Biß ein ehrlicher galan eine bitte vor ſie thu. Doch genung! ich ſehe ſchon feuer aus den augen blitzen, Hundert nadeln ſind auf mich vor den lobgeſang gewetzt, Zwar die wahrheit koͤnte mich wider ſolchen anfall ſchuͤtzen, Wer ein gut gewiſſen hat, wird dadurch nicht aufgehetzt. Doch die ungelegenheit bey den jungfern zu vermeiden, So entſchuldige das werck, ſprich: Es ſey ein bloſer traum, Sonſt wird manch beredter mund einen ſchandfleck vor mich ſchneiden, Der im gantzen A B C habe nicht genugſam raum. Aber wo gerath ich hin? Werther Vetter! dieſe zeilen, Sind zu ſehr von deinem gluͤck und von meiner pflicht ent- fernt, Beydes heiſſet meinen fuß von den arreſtirten eilen, Und an einen ort zu gehn, wo man tugend kennen lernt. Zwar das hertze wird mir ſchwer; ſolten die erzoͤrnten damen Nur aus rache im April mir wol einen poſſen thun? Solte wol der fragende nach dem Feſſeliſchen namen Jn ein zucht-hauß muͤſſen gehn, und in ſtock und feſſeln ruhn? Nein, ich folge dir getroſt, denn ich ſehe ſolche feſſel, Uber deren ſuͤße laſt ſich kein kluger mann beſchwehrt; Auſſer wer per accidens trifft auf eine boͤſe neſſel, Dir iſt ein vollkommnes gluͤck durch die Feſſelin beſchehrt, Zum beweiß: daß wer zuerſt einen ſchatz vom himmel bittet, Und von ſtiller demuth mehr, als von frechen augen, haͤlt, Werde nach der liebes-wahl mit viel ſegen uͤberſchuͤttet, Welcher auf ſein hauß und hof als ein goͤldner regen faͤllt. Lebe demnach hoͤchſt vergnuͤgt, Werthgeſchaͤtzter Freund und Vetter! Deine liebe ſetze dich in ein ſolches paradieß, Wo dein ſtets begluͤckter fuß tritt auf friſche roſen-blaͤtter, So der mund, das aug und hertz hat den herrlichſten genieß. Dich erfreu des himmels gunſt mit gewuͤnſchten maͤyen-tagen, Die kein ſtuͤrmender April ſtoͤren noch vertilgen kan; Kurtz, man muͤſſe ſo von dir, als von Fortunato ſagen: Jener nagelte das gluͤck; und du legſt ihm feſſel an. Die E 2

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/69>, abgerufen am 03.05.2024.