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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Vermischte Gedichte.
Jedoch du kanst nicht selbst vor dich die antwort schreiben.
Man hört auch offtermals das kleine zeischen an.
Die nachtigall kan uns nicht stets die zeit vertreiben,
Drum ließ von meiner hand, was ich itzt reimen kan.
Soll ich hinführo mehr von deinen händen lesen?
So glaube, daß mich diß gantz ungemein vergnügt.
Jn deinen versen zeigt sich ein besonders wesen,
Das unsre hertzen mehr als ertz und glantz besiegt.
Leander schreibt von flut, von flut aus tieffen brünnen;
Und spricht, die poesie sey darum bey ihm matt.
Was soll ich aber wol in einem hofe sinnen,
Das nicht die eigenschafft der harten steine hat?
Jedoch dein höflich seyn nimmt gleichwol mit vor willen,
Seind schon die verse nicht galant, beliebt, noch frey.
Jch wolte meine pflicht, so gut ich kan, erfüllen.
Nur, bitt ich, reiß den brief, als er verdient, entzwey.


Leander an Floretten.
JCh schreibe nicht zu viel, preißwürdige Florette!
Dein auserlesner brief fällt meiner feder bey.
Apollo selber spricht: daß nichts so schön und nette
Als dein beliebter vers, o andre Sapho! sey.
Und darum darffst du dich des dichtens gar nicht schämen.
Die sonne schämet sich der goldnen strahlen nicht.
Jch aber möchte wol vom Pindus abschied nehmen,
Weil meine schlechte faust doch keine lorbeer bricht.
Wenn auch ein adler mir schon seine federn schenckte,
So wüst' ich dennoch nicht, wie man sie führen soll,
Weil sie kein hoher geist, als wie der deine, lenckte.
Allein Florette schreibt mit ieder feder wohl.
Drum ist es nichts als schertz, wenn deine Muse klaget;
Daß ihr Leander nicht die hand im dichten führt.
Denn was sie von der krafft der süßen worte saget,
Jst, glaub' es nur, ein lob, so dir allein gebührt.
Jch weiß die steine nicht, wie Orpheus, zu bewegen,
Man sieht sie noch, wie vor, an ihrer stelle stehn.
Und
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Vermiſchte Gedichte.
Jedoch du kanſt nicht ſelbſt vor dich die antwort ſchreiben.
Man hoͤrt auch offtermals das kleine zeischen an.
Die nachtigall kan uns nicht ſtets die zeit vertreiben,
Drum ließ von meiner hand, was ich itzt reimen kan.
Soll ich hinfuͤhro mehr von deinen haͤnden leſen?
So glaube, daß mich diß gantz ungemein vergnuͤgt.
Jn deinen verſen zeigt ſich ein beſonders weſen,
Das unſre hertzen mehr als ertz und glantz beſiegt.
Leander ſchreibt von flut, von flut aus tieffen bruͤnnen;
Und ſpricht, die poeſie ſey darum bey ihm matt.
Was ſoll ich aber wol in einem hofe ſinnen,
Das nicht die eigenſchafft der harten ſteine hat?
Jedoch dein hoͤflich ſeyn nimmt gleichwol mit vor willen,
Seind ſchon die verſe nicht galant, beliebt, noch frey.
Jch wolte meine pflicht, ſo gut ich kan, erfuͤllen.
Nur, bitt ich, reiß den brief, als er verdient, entzwey.


Leander an Floretten.
JCh ſchreibe nicht zu viel, preißwuͤrdige Florette!
Dein auserleſner brief faͤllt meiner feder bey.
Apollo ſelber ſpricht: daß nichts ſo ſchoͤn und nette
Als dein beliebter vers, o andre Sapho! ſey.
Und darum darffſt du dich des dichtens gar nicht ſchaͤmen.
Die ſonne ſchaͤmet ſich der goldnen ſtrahlen nicht.
Jch aber moͤchte wol vom Pindus abſchied nehmen,
Weil meine ſchlechte fauſt doch keine lorbeer bricht.
Wenn auch ein adler mir ſchon ſeine federn ſchenckte,
So wuͤſt’ ich dennoch nicht, wie man ſie fuͤhren ſoll,
Weil ſie kein hoher geiſt, als wie der deine, lenckte.
Allein Florette ſchreibt mit ieder feder wohl.
Drum iſt es nichts als ſchertz, wenn deine Muſe klaget;
Daß ihr Leander nicht die hand im dichten fuͤhrt.
Denn was ſie von der krafft der ſuͤßen worte ſaget,
Jſt, glaub’ es nur, ein lob, ſo dir allein gebuͤhrt.
Jch weiß die ſteine nicht, wie Orpheus, zu bewegen,
Man ſieht ſie noch, wie vor, an ihrer ſtelle ſtehn.
Und
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[307/0309] Vermiſchte Gedichte. Jedoch du kanſt nicht ſelbſt vor dich die antwort ſchreiben. Man hoͤrt auch offtermals das kleine zeischen an. Die nachtigall kan uns nicht ſtets die zeit vertreiben, Drum ließ von meiner hand, was ich itzt reimen kan. Soll ich hinfuͤhro mehr von deinen haͤnden leſen? So glaube, daß mich diß gantz ungemein vergnuͤgt. Jn deinen verſen zeigt ſich ein beſonders weſen, Das unſre hertzen mehr als ertz und glantz beſiegt. Leander ſchreibt von flut, von flut aus tieffen bruͤnnen; Und ſpricht, die poeſie ſey darum bey ihm matt. Was ſoll ich aber wol in einem hofe ſinnen, Das nicht die eigenſchafft der harten ſteine hat? Jedoch dein hoͤflich ſeyn nimmt gleichwol mit vor willen, Seind ſchon die verſe nicht galant, beliebt, noch frey. Jch wolte meine pflicht, ſo gut ich kan, erfuͤllen. Nur, bitt ich, reiß den brief, als er verdient, entzwey. Leander an Floretten. JCh ſchreibe nicht zu viel, preißwuͤrdige Florette! Dein auserleſner brief faͤllt meiner feder bey. Apollo ſelber ſpricht: daß nichts ſo ſchoͤn und nette Als dein beliebter vers, o andre Sapho! ſey. Und darum darffſt du dich des dichtens gar nicht ſchaͤmen. Die ſonne ſchaͤmet ſich der goldnen ſtrahlen nicht. Jch aber moͤchte wol vom Pindus abſchied nehmen, Weil meine ſchlechte fauſt doch keine lorbeer bricht. Wenn auch ein adler mir ſchon ſeine federn ſchenckte, So wuͤſt’ ich dennoch nicht, wie man ſie fuͤhren ſoll, Weil ſie kein hoher geiſt, als wie der deine, lenckte. Allein Florette ſchreibt mit ieder feder wohl. Drum iſt es nichts als ſchertz, wenn deine Muſe klaget; Daß ihr Leander nicht die hand im dichten fuͤhrt. Denn was ſie von der krafft der ſuͤßen worte ſaget, Jſt, glaub’ es nur, ein lob, ſo dir allein gebuͤhrt. Jch weiß die ſteine nicht, wie Orpheus, zu bewegen, Man ſieht ſie noch, wie vor, an ihrer ſtelle ſtehn. Und U 2

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/309>, abgerufen am 27.04.2024.