Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Leanders aus Schlesien
Die seuffzer lassen sich nach keiner regel richten,
Wenn schmertz und todes-angst in marck und adern steckt.
Unmöglich ist es nicht, daß dich ein aug' entzündet,
Doch meines klagest du mit höchstem unrecht an,
Nachdem es keinen strahl in seinem sterne findet,
Der ein so edles hertz in flammen setzen kan.
Und könnt' ich mich auch das schon überreden lassen;
So würd' ich dennoch nicht von allem zweiffel los.
Denn hertzen, die so bald und hefftig funcken fassen,
Verfallen insgemein in mehr als eine schoos.


Aus dem frantzösischen des Passeratii.
DU angenehmes heer, das in den lüfften schwirrt,
Und das des voglers hand mit süßen körnern kirrt,
Jhr vogel, die ihr fast nicht sicher singen könnet!
Ach springt mir doch zu lieb' in meinem vorsatz bey,
Daß mir, so wol als euch, einmal geholffen sey!
Jhr kennt den vogel wohl, den man die liebe nennet;
Der ist es, der uns nicht zu ruh und frieden läst,
Der so viel klagen uns aus hertz und munde prest,
Dem passet fleißig auf und last euch nicht betrügen:
Wenn ihr ihn nun ertappt, so gebt ihm zwar qvartier;
Doch bringt ihn wohl gefaßt und abgepflückt zu mir:
So soll der vogel uns nicht mehr ins hertze fliegen.


Auf ein schönes kind einer schönen
mutter.
ZArt und schnee-weißes kind! das an der Daphne brüsten,
Nach denen so viel händ' und münd' umsonst gelüsten,
Als eine muntre bien' an süßen rosen hängt,
Und sich an statt der milch, mit nectar-säfften tränckt;
Mein auge kan in dir nichts menschliches erkennen.
Weil du nun göttlich bist, wie soll ich dich denn nennen?
Zwar
Leanders aus Schleſien
Die ſeuffzer laſſen ſich nach keiner regel richten,
Wenn ſchmertz und todes-angſt in marck und adern ſteckt.
Unmoͤglich iſt es nicht, daß dich ein aug’ entzuͤndet,
Doch meines klageſt du mit hoͤchſtem unrecht an,
Nachdem es keinen ſtrahl in ſeinem ſterne findet,
Der ein ſo edles hertz in flammen ſetzen kan.
Und koͤnnt’ ich mich auch das ſchon uͤberreden laſſen;
So wuͤrd’ ich dennoch nicht von allem zweiffel los.
Denn hertzen, die ſo bald und hefftig funcken faſſen,
Verfallen insgemein in mehr als eine ſchoos.


Aus dem fꝛantzoͤſiſchen des Paſſeratii.
DU angenehmes heer, das in den luͤfften ſchwirrt,
Und das des voglers hand mit ſuͤßen koͤrnern kirrt,
Jhr vogel, die ihr faſt nicht ſicher ſingen koͤnnet!
Ach ſpringt mir doch zu lieb’ in meinem vorſatz bey,
Daß mir, ſo wol als euch, einmal geholffen ſey!
Jhr kennt den vogel wohl, den man die liebe nennet;
Der iſt es, der uns nicht zu ruh und frieden laͤſt,
Der ſo viel klagen uns aus hertz und munde preſt,
Dem paſſet fleißig auf und laſt euch nicht betruͤgen:
Wenn ihr ihn nun ertappt, ſo gebt ihm zwar qvartier;
Doch bringt ihn wohl gefaßt und abgepfluͤckt zu mir:
So ſoll der vogel uns nicht mehr ins hertze fliegen.


Auf ein ſchoͤnes kind einer ſchoͤnen
mutter.
ZArt und ſchnee-weißes kind! das an der Daphne bruͤſten,
Nach denen ſo viel haͤnd’ und muͤnd’ umſonſt geluͤſten,
Als eine muntre bien’ an ſuͤßen roſen haͤngt,
Und ſich an ſtatt der milch, mit nectar-ſaͤfften traͤnckt;
Mein auge kan in dir nichts menſchliches erkennen.
Weil du nun goͤttlich biſt, wie ſoll ich dich denn nennen?
Zwar
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0252" n="250"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw><lb/>
            <l>Die &#x017F;euffzer la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nach keiner regel richten,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;chmertz und todes-ang&#x017F;t in marck und adern &#x017F;teckt.</l><lb/>
            <l>Unmo&#x0364;glich i&#x017F;t es nicht, daß dich ein aug&#x2019; entzu&#x0364;ndet,</l><lb/>
            <l>Doch meines klage&#x017F;t du mit ho&#x0364;ch&#x017F;tem unrecht an,</l><lb/>
            <l>Nachdem es keinen &#x017F;trahl in &#x017F;einem &#x017F;terne findet,</l><lb/>
            <l>Der ein &#x017F;o edles hertz in flammen &#x017F;etzen kan.</l><lb/>
            <l>Und ko&#x0364;nnt&#x2019; ich mich auch das &#x017F;chon u&#x0364;berreden la&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>So wu&#x0364;rd&#x2019; ich dennoch nicht von allem zweiffel los.</l><lb/>
            <l>Denn hertzen, die &#x017F;o bald und hefftig funcken fa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Verfallen insgemein in mehr als eine &#x017F;choos.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Aus dem f&#xA75B;antzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen des</hi> <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;eratii.</hi> </hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">D</hi>U angenehmes heer, das in den lu&#x0364;fften &#x017F;chwirrt,</l><lb/>
            <l>Und das des voglers hand mit &#x017F;u&#x0364;ßen ko&#x0364;rnern kirrt,</l><lb/>
            <l>Jhr vogel, die ihr fa&#x017F;t nicht &#x017F;icher &#x017F;ingen ko&#x0364;nnet!</l><lb/>
            <l>Ach &#x017F;pringt mir doch zu lieb&#x2019; in meinem vor&#x017F;atz bey,</l><lb/>
            <l>Daß mir, &#x017F;o wol als euch, einmal geholffen &#x017F;ey!</l><lb/>
            <l>Jhr kennt den vogel wohl, den man die liebe nennet;</l><lb/>
            <l>Der i&#x017F;t es, der uns nicht zu ruh und frieden la&#x0364;&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;o viel klagen uns aus hertz und munde pre&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Dem pa&#x017F;&#x017F;et fleißig auf und la&#x017F;t euch nicht betru&#x0364;gen:</l><lb/>
            <l>Wenn ihr ihn nun ertappt, &#x017F;o gebt ihm zwar qvartier;</l><lb/>
            <l>Doch bringt ihn wohl gefaßt und abgepflu&#x0364;ckt zu mir:</l><lb/>
            <l>So &#x017F;oll der vogel uns nicht mehr ins hertze fliegen.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Auf ein &#x017F;cho&#x0364;nes kind einer &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
mutter.</hi> </hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">Z</hi>Art und &#x017F;chnee-weißes kind! das an der Daphne bru&#x0364;&#x017F;ten,</l><lb/>
            <l>Nach denen &#x017F;o viel ha&#x0364;nd&#x2019; und mu&#x0364;nd&#x2019; um&#x017F;on&#x017F;t gelu&#x0364;&#x017F;ten,</l><lb/>
            <l>Als eine muntre bien&#x2019; an &#x017F;u&#x0364;ßen ro&#x017F;en ha&#x0364;ngt,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ich an &#x017F;tatt der milch, mit nectar-&#x017F;a&#x0364;fften tra&#x0364;nckt;</l><lb/>
            <l>Mein auge kan in dir nichts men&#x017F;chliches erkennen.</l><lb/>
            <l>Weil du nun go&#x0364;ttlich bi&#x017F;t, wie &#x017F;oll ich dich denn nennen?</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Zwar</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0252] Leanders aus Schleſien Die ſeuffzer laſſen ſich nach keiner regel richten, Wenn ſchmertz und todes-angſt in marck und adern ſteckt. Unmoͤglich iſt es nicht, daß dich ein aug’ entzuͤndet, Doch meines klageſt du mit hoͤchſtem unrecht an, Nachdem es keinen ſtrahl in ſeinem ſterne findet, Der ein ſo edles hertz in flammen ſetzen kan. Und koͤnnt’ ich mich auch das ſchon uͤberreden laſſen; So wuͤrd’ ich dennoch nicht von allem zweiffel los. Denn hertzen, die ſo bald und hefftig funcken faſſen, Verfallen insgemein in mehr als eine ſchoos. Aus dem fꝛantzoͤſiſchen des Paſſeratii. DU angenehmes heer, das in den luͤfften ſchwirrt, Und das des voglers hand mit ſuͤßen koͤrnern kirrt, Jhr vogel, die ihr faſt nicht ſicher ſingen koͤnnet! Ach ſpringt mir doch zu lieb’ in meinem vorſatz bey, Daß mir, ſo wol als euch, einmal geholffen ſey! Jhr kennt den vogel wohl, den man die liebe nennet; Der iſt es, der uns nicht zu ruh und frieden laͤſt, Der ſo viel klagen uns aus hertz und munde preſt, Dem paſſet fleißig auf und laſt euch nicht betruͤgen: Wenn ihr ihn nun ertappt, ſo gebt ihm zwar qvartier; Doch bringt ihn wohl gefaßt und abgepfluͤckt zu mir: So ſoll der vogel uns nicht mehr ins hertze fliegen. Auf ein ſchoͤnes kind einer ſchoͤnen mutter. ZArt und ſchnee-weißes kind! das an der Daphne bruͤſten, Nach denen ſo viel haͤnd’ und muͤnd’ umſonſt geluͤſten, Als eine muntre bien’ an ſuͤßen roſen haͤngt, Und ſich an ſtatt der milch, mit nectar-ſaͤfften traͤnckt; Mein auge kan in dir nichts menſchliches erkennen. Weil du nun goͤttlich biſt, wie ſoll ich dich denn nennen? Zwar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/252
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/252>, abgerufen am 11.05.2024.