Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Verliebte und Galante Gedichte.
Man kannte sie in allen landen:
Sie kannt auch selber iedermann:
Und wie sie allen angestanden;
So stund ihr auch ein ieder an.


Auf die demüthige Flavia.
FLavia gab ihre demuth augenscheinlich an den tag,
Weil sie unter junggesellen allezeit nur unten lag.


Der Chloris antwort an den Adon,
der ihr seine liebe angetragen, und
gegen-liebe verlanget.
ES ist zu viel, Adon! sich also gleich verlieben:
Es ist zu viel, Adon! alsbald halbtodt zu seyn;
Doch was die feder gleich auf das papier geschrieben,
Das trifft deswegen nicht auch mit dem hertzen ein.
Ein wort ist doch kein pfeil. Es kostet wenig dinte,
So stirbt man hundert mal auf allen blättern hin.
Drum halt' ich deinen brief vor eine blose finte,
Darauf ich, viel zu bau'n, noch nicht versehen bin.
Du hast nur blosen schertz in bleichen ernst gekleidet,
Jch weiß wohl, daß Adon nicht so geschwinde liebt;
Dieweil sein kluger geist die übereilung meidet,
So ihren dienern nichts, als reu zu lohne giebt.
Verzeih' denn, Werther Freund! daß ich der marter lache,
Die deine poesie der höllen gleiche macht:
Gereimte klagen sind gar eine leichte sache;
Wie bald ist, was nicht ist, in einen vers gebracht?
Du sprichst zwar: Wo ich dir kein pflaster übersende,
So werdest du ein raub des blassen todes seyn;
Allein es geht mit dir noch lange nicht zum ende.
Und welch Galenus giebt gesunden artzney ein?
Wer auf dem tode liegt, wird keine verse dichten.
(Schau, wie dein eigen brief mir dein gemüth entdeckt).
Die
Q 3
Verliebte und Galante Gedichte.
Man kannte ſie in allen landen:
Sie kannt auch ſelber iedermann:
Und wie ſie allen angeſtanden;
So ſtund ihr auch ein ieder an.


Auf die demuͤthige Flavia.
FLavia gab ihre demuth augenſcheinlich an den tag,
Weil ſie unter junggeſellen allezeit nur unten lag.


Der Chloris antwort an den Adon,
der ihr ſeine liebe angetragen, und
gegen-liebe verlanget.
ES iſt zu viel, Adon! ſich alſo gleich verlieben:
Es iſt zu viel, Adon! alsbald halbtodt zu ſeyn;
Doch was die feder gleich auf das papier geſchrieben,
Das trifft deswegen nicht auch mit dem hertzen ein.
Ein wort iſt doch kein pfeil. Es koſtet wenig dinte,
So ſtirbt man hundert mal auf allen blaͤttern hin.
Drum halt’ ich deinen brief vor eine bloſe finte,
Darauf ich, viel zu bau’n, noch nicht verſehen bin.
Du haſt nur bloſen ſchertz in bleichen ernſt gekleidet,
Jch weiß wohl, daß Adon nicht ſo geſchwinde liebt;
Dieweil ſein kluger geiſt die uͤbereilung meidet,
So ihren dienern nichts, als reu zu lohne giebt.
Verzeih’ denn, Werther Freund! daß ich der marter lache,
Die deine poeſie der hoͤllen gleiche macht:
Gereimte klagen ſind gar eine leichte ſache;
Wie bald iſt, was nicht iſt, in einen vers gebracht?
Du ſprichſt zwar: Wo ich dir kein pflaſter uͤberſende,
So werdeſt du ein raub des blaſſen todes ſeyn;
Allein es geht mit dir noch lange nicht zum ende.
Und welch Galenus giebt geſunden artzney ein?
Wer auf dem tode liegt, wird keine verſe dichten.
(Schau, wie dein eigen brief mir dein gemuͤth entdeckt).
Die
Q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0251" n="249"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte und Galante Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Man kannte &#x017F;ie in allen landen:</l><lb/>
            <l>Sie kannt auch &#x017F;elber iedermann:</l><lb/>
            <l>Und wie &#x017F;ie allen ange&#x017F;tanden;</l><lb/>
            <l>So &#x017F;tund ihr auch ein ieder an.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Auf die demu&#x0364;thige Flavia.</hi> </hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">F</hi>Lavia gab ihre demuth augen&#x017F;cheinlich an den tag,</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ie unter jungge&#x017F;ellen allezeit nur unten lag.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Der Chloris antwort an den Adon,<lb/>
der ihr &#x017F;eine liebe angetragen, und<lb/>
gegen-liebe verlanget.</hi> </hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t zu viel, Adon! &#x017F;ich al&#x017F;o gleich verlieben:</l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t zu viel, Adon! alsbald halbtodt zu &#x017F;eyn;</l><lb/>
            <l>Doch was die feder gleich auf das papier ge&#x017F;chrieben,</l><lb/>
            <l>Das trifft deswegen nicht auch mit dem hertzen ein.</l><lb/>
            <l>Ein wort i&#x017F;t doch kein pfeil. Es ko&#x017F;tet wenig dinte,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;tirbt man hundert mal auf allen bla&#x0364;ttern hin.</l><lb/>
            <l>Drum halt&#x2019; ich deinen brief vor eine blo&#x017F;e finte,</l><lb/>
            <l>Darauf ich, viel zu bau&#x2019;n, noch nicht ver&#x017F;ehen bin.</l><lb/>
            <l>Du ha&#x017F;t nur blo&#x017F;en &#x017F;chertz in bleichen ern&#x017F;t gekleidet,</l><lb/>
            <l>Jch weiß wohl, daß Adon nicht &#x017F;o ge&#x017F;chwinde liebt;</l><lb/>
            <l>Dieweil &#x017F;ein kluger gei&#x017F;t die u&#x0364;bereilung meidet,</l><lb/>
            <l>So ihren dienern nichts, als reu zu lohne giebt.</l><lb/>
            <l>Verzeih&#x2019; denn, Werther Freund! daß ich der marter lache,</l><lb/>
            <l>Die deine poe&#x017F;ie der ho&#x0364;llen gleiche macht:</l><lb/>
            <l>Gereimte klagen &#x017F;ind gar eine leichte &#x017F;ache;</l><lb/>
            <l>Wie bald i&#x017F;t, was nicht i&#x017F;t, in einen vers gebracht?</l><lb/>
            <l>Du &#x017F;prich&#x017F;t zwar: Wo ich dir kein pfla&#x017F;ter u&#x0364;ber&#x017F;ende,</l><lb/>
            <l>So werde&#x017F;t du ein raub des bla&#x017F;&#x017F;en todes &#x017F;eyn;</l><lb/>
            <l>Allein es geht mit dir noch lange nicht zum ende.</l><lb/>
            <l>Und welch Galenus giebt ge&#x017F;unden artzney ein?</l><lb/>
            <l>Wer auf dem tode liegt, wird keine ver&#x017F;e dichten.</l><lb/>
            <l>(Schau, wie dein eigen brief mir dein gemu&#x0364;th entdeckt).</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Q 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0251] Verliebte und Galante Gedichte. Man kannte ſie in allen landen: Sie kannt auch ſelber iedermann: Und wie ſie allen angeſtanden; So ſtund ihr auch ein ieder an. Auf die demuͤthige Flavia. FLavia gab ihre demuth augenſcheinlich an den tag, Weil ſie unter junggeſellen allezeit nur unten lag. Der Chloris antwort an den Adon, der ihr ſeine liebe angetragen, und gegen-liebe verlanget. ES iſt zu viel, Adon! ſich alſo gleich verlieben: Es iſt zu viel, Adon! alsbald halbtodt zu ſeyn; Doch was die feder gleich auf das papier geſchrieben, Das trifft deswegen nicht auch mit dem hertzen ein. Ein wort iſt doch kein pfeil. Es koſtet wenig dinte, So ſtirbt man hundert mal auf allen blaͤttern hin. Drum halt’ ich deinen brief vor eine bloſe finte, Darauf ich, viel zu bau’n, noch nicht verſehen bin. Du haſt nur bloſen ſchertz in bleichen ernſt gekleidet, Jch weiß wohl, daß Adon nicht ſo geſchwinde liebt; Dieweil ſein kluger geiſt die uͤbereilung meidet, So ihren dienern nichts, als reu zu lohne giebt. Verzeih’ denn, Werther Freund! daß ich der marter lache, Die deine poeſie der hoͤllen gleiche macht: Gereimte klagen ſind gar eine leichte ſache; Wie bald iſt, was nicht iſt, in einen vers gebracht? Du ſprichſt zwar: Wo ich dir kein pflaſter uͤberſende, So werdeſt du ein raub des blaſſen todes ſeyn; Allein es geht mit dir noch lange nicht zum ende. Und welch Galenus giebt geſunden artzney ein? Wer auf dem tode liegt, wird keine verſe dichten. (Schau, wie dein eigen brief mir dein gemuͤth entdeckt). Die Q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/251
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/251>, abgerufen am 11.05.2024.