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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Leanders aus Schlesien
Allein ich hob kaum an, die waffen vorzunehmen,
Als mich Albanie schon auf das hertze schmieß.
Sie lacht', und ich erschrack; sie lief, und ich blieb stehen.
Es wolte mir der schnee in meiner faust zergehen.
Jch fühlt', ich weiß nicht, was vor feuer in der brust.
Denn daß Albanie den Cypripor agiret,
Und in den kalten ball, den sie so wohl geführet,
Der liebe glnt versteckt, das hatt' ich nicht gewust.


An Sylvien, warum er nicht mehr
so fertig dichten könne.
ES kommt dir fremde vor, daß ich mit meinen versen,
Die sonst geschwinde gehn, itzund gar langsam bin.
Die Musen wollen nicht beständig in mir herrschen,
Es weicht ihr heißer zug mit deinen augen hin.
Jch habe, wie es scheint, mich gäntzlich ausgeleeret,
Und wenn ich dichten will, so fehlt es überall.
Verdruß und einsamkeit hat alle krafft verzehret,
Und meine poesie giebt schon das todten-mahl.
Denn ob ich dann und wann gleich ein paar reime dichte,
So fehlet ihnen doch die alte liebligkeit:
Der frische lorbeerbaum, wird eine dürre sichte,
Und der erhitzte geist bald in die lufft zerstreut.
Das macht, daß ich nicht mehr aus diesen brunnen trincke,
Die itzund in der welt der dichter stärcke sind,
Und daß ich gantz umsonst den süßen sternen wincke,
Von denen thau und krafft in haupt und adern rinnt.
Die Musen wollen sich nicht meiner mehr bedienen,
Sie wenden ihre gunst weit edlern schwanen zu.
Jch darff mich nicht, wie vor, auf den Parnaß erkühnen,
Und finde kaum zur noth bey seiner wurtzel ruh.
Mein einsames revier, wo turteltauben ächzen,
Und keine nachtigaln den trüben sinn erfreun,
Macht zwar, daß hertz und mund offt nach erqvickung lechzen,
Doch giebt es mir nicht viel von schönen liedern ein.
Wer
Leanders aus Schleſien
Allein ich hob kaum an, die waffen vorzunehmen,
Als mich Albanie ſchon auf das hertze ſchmieß.
Sie lacht’, und ich erſchrack; ſie lief, und ich blieb ſtehen.
Es wolte mir der ſchnee in meiner fauſt zergehen.
Jch fuͤhlt’, ich weiß nicht, was vor feuer in der bruſt.
Denn daß Albanie den Cypripor agiret,
Und in den kalten ball, den ſie ſo wohl gefuͤhret,
Der liebe glnt verſteckt, das hatt’ ich nicht gewuſt.


An Sylvien, warum er nicht mehr
ſo fertig dichten koͤnne.
ES kommt dir fremde vor, daß ich mit meinen verſen,
Die ſonſt geſchwinde gehn, itzund gar langſam bin.
Die Muſen wollen nicht beſtaͤndig in mir herrſchen,
Es weicht ihr heißer zug mit deinen augen hin.
Jch habe, wie es ſcheint, mich gaͤntzlich ausgeleeret,
Und wenn ich dichten will, ſo fehlt es uͤberall.
Verdruß und einſamkeit hat alle krafft verzehret,
Und meine poeſie giebt ſchon das todten-mahl.
Denn ob ich dann und wann gleich ein paar reime dichte,
So fehlet ihnen doch die alte liebligkeit:
Der friſche lorbeerbaum, wird eine duͤrre ſichte,
Und der erhitzte geiſt bald in die lufft zerſtreut.
Das macht, daß ich nicht mehr aus dieſen brunnen trincke,
Die itzund in der welt der dichter ſtaͤrcke ſind,
Und daß ich gantz umſonſt den ſuͤßen ſternen wincke,
Von denen thau und krafft in haupt und adern rinnt.
Die Muſen wollen ſich nicht meiner mehr bedienen,
Sie wenden ihre gunſt weit edlern ſchwanen zu.
Jch darff mich nicht, wie vor, auf den Parnaß erkuͤhnen,
Und finde kaum zur noth bey ſeiner wurtzel ruh.
Mein einſames revier, wo turteltauben aͤchzen,
Und keine nachtigaln den truͤben ſinn erfreun,
Macht zwar, daß hertz und mund offt nach erqvickung lechzen,
Doch giebt es mir nicht viel von ſchoͤnen liedern ein.
Wer
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[224/0226] Leanders aus Schleſien Allein ich hob kaum an, die waffen vorzunehmen, Als mich Albanie ſchon auf das hertze ſchmieß. Sie lacht’, und ich erſchrack; ſie lief, und ich blieb ſtehen. Es wolte mir der ſchnee in meiner fauſt zergehen. Jch fuͤhlt’, ich weiß nicht, was vor feuer in der bruſt. Denn daß Albanie den Cypripor agiret, Und in den kalten ball, den ſie ſo wohl gefuͤhret, Der liebe glnt verſteckt, das hatt’ ich nicht gewuſt. An Sylvien, warum er nicht mehr ſo fertig dichten koͤnne. ES kommt dir fremde vor, daß ich mit meinen verſen, Die ſonſt geſchwinde gehn, itzund gar langſam bin. Die Muſen wollen nicht beſtaͤndig in mir herrſchen, Es weicht ihr heißer zug mit deinen augen hin. Jch habe, wie es ſcheint, mich gaͤntzlich ausgeleeret, Und wenn ich dichten will, ſo fehlt es uͤberall. Verdruß und einſamkeit hat alle krafft verzehret, Und meine poeſie giebt ſchon das todten-mahl. Denn ob ich dann und wann gleich ein paar reime dichte, So fehlet ihnen doch die alte liebligkeit: Der friſche lorbeerbaum, wird eine duͤrre ſichte, Und der erhitzte geiſt bald in die lufft zerſtreut. Das macht, daß ich nicht mehr aus dieſen brunnen trincke, Die itzund in der welt der dichter ſtaͤrcke ſind, Und daß ich gantz umſonſt den ſuͤßen ſternen wincke, Von denen thau und krafft in haupt und adern rinnt. Die Muſen wollen ſich nicht meiner mehr bedienen, Sie wenden ihre gunſt weit edlern ſchwanen zu. Jch darff mich nicht, wie vor, auf den Parnaß erkuͤhnen, Und finde kaum zur noth bey ſeiner wurtzel ruh. Mein einſames revier, wo turteltauben aͤchzen, Und keine nachtigaln den truͤben ſinn erfreun, Macht zwar, daß hertz und mund offt nach erqvickung lechzen, Doch giebt es mir nicht viel von ſchoͤnen liedern ein. Wer

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/226>, abgerufen am 23.11.2024.