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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Vermischte Gedichte.
Grabschrifft einer köchin.
G. L.
JCh machte kurtz und gut den besten schnitzer lahm,
Der steiff und wohl geschärfft in meine küche kam.
Den gästen gab ich fleisch, den kern von süßen dingen,
Nun will ich auch dem tod die kalte schaale bringen.


Grabschrifft einer alten jungfer.
G. L.
DJe hitze war vorbey, und schiene zu erkalten,
Die lippen wurden blaß, die augen roth und weit:
Die stirne wieß nunmehr die ungeschickten falten;
Drum deckte man mich zu, es war die höchste zeit.
Nur dieses wundert mich, daß du mir in dem leben
Den jungfer-titul noch beständig hast gegeben;
Da du ihn doch wohl kennst, der mir die knospe nahm,
Eh' noch das rothe blatt recht vorgekrochen kam.


Auf das glücke.
Madrigal.
G. L.
TRau doch dem glücke nicht zu viel:
Es läst nicht immer auf dem spiel,
Die charte gütig fallen.
Wer heut auf seinem rücken liegt,
Wird morgen abgeschmissen,
Und leichte hingerissen,
Als dampff, der an die wolcken fliegt.
Wenn hohe säiten lieblich klingen,
So müssen sie am ersten springen.
Auf
Vermiſchte Gedichte.
Grabſchrifft einer koͤchin.
G. L.
JCh machte kurtz und gut den beſten ſchnitzer lahm,
Der ſteiff und wohl geſchaͤrfft in meine kuͤche kam.
Den gaͤſten gab ich fleiſch, den kern von ſuͤßen dingen,
Nun will ich auch dem tod die kalte ſchaale bringen.


Grabſchrifft einer alten jungfer.
G. L.
DJe hitze war vorbey, und ſchiene zu erkalten,
Die lippen wurden blaß, die augen roth und weit:
Die ſtirne wieß nunmehr die ungeſchickten falten;
Drum deckte man mich zu, es war die hoͤchſte zeit.
Nur dieſes wundert mich, daß du mir in dem leben
Den jungfer-titul noch beſtaͤndig haſt gegeben;
Da du ihn doch wohl kennſt, der mir die knoſpe nahm,
Eh’ noch das rothe blatt recht vorgekrochen kam.


Auf das gluͤcke.
Madrigal.
G. L.
TRau doch dem gluͤcke nicht zu viel:
Es laͤſt nicht immer auf dem ſpiel,
Die charte guͤtig fallen.
Wer heut auf ſeinem ruͤcken liegt,
Wird morgen abgeſchmiſſen,
Und leichte hingeriſſen,
Als dampff, der an die wolcken fliegt.
Wenn hohe ſaͤiten lieblich klingen,
So muͤſſen ſie am erſten ſpringen.
Auf
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[210/0212] Vermiſchte Gedichte. Grabſchrifft einer koͤchin. G. L. JCh machte kurtz und gut den beſten ſchnitzer lahm, Der ſteiff und wohl geſchaͤrfft in meine kuͤche kam. Den gaͤſten gab ich fleiſch, den kern von ſuͤßen dingen, Nun will ich auch dem tod die kalte ſchaale bringen. Grabſchrifft einer alten jungfer. G. L. DJe hitze war vorbey, und ſchiene zu erkalten, Die lippen wurden blaß, die augen roth und weit: Die ſtirne wieß nunmehr die ungeſchickten falten; Drum deckte man mich zu, es war die hoͤchſte zeit. Nur dieſes wundert mich, daß du mir in dem leben Den jungfer-titul noch beſtaͤndig haſt gegeben; Da du ihn doch wohl kennſt, der mir die knoſpe nahm, Eh’ noch das rothe blatt recht vorgekrochen kam. Auf das gluͤcke. Madrigal. G. L. TRau doch dem gluͤcke nicht zu viel: Es laͤſt nicht immer auf dem ſpiel, Die charte guͤtig fallen. Wer heut auf ſeinem ruͤcken liegt, Wird morgen abgeſchmiſſen, Und leichte hingeriſſen, Als dampff, der an die wolcken fliegt. Wenn hohe ſaͤiten lieblich klingen, So muͤſſen ſie am erſten ſpringen. Auf

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/212>, abgerufen am 05.05.2024.