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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.

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verliebte Arien.
Die Kuß-scheue Doris.
A. N.
1.
SO glaubstu/ Doris/ denn/ daß dich ein kuß verletzt/
Den ein erhitzter mund auff deine lippen setzt?
Die rosen welcken zwar/ wenn man sie offt berührt/
Doch deine werden erst dadurch noch mehr geziert.
2.
Du weist's/ dein auge hat in mir den zug erweckt/
Du hast in meiner brust das feuer angesteckt/
Jtzt aber/ da die glut mit lichten flammen spielt/
So wegerstu den trost/ der diese sehnsucht kühlt.
3.
Vielleichte bildest du dir diese wörter ein:
Es sey ein wiederspiel/ keusch und verliebet seyn:
Nein/ wie Narcissen gern bey Tulipanen stehn/
So mag ein keuscher geist auch wol zur liebe gehn.
4.
Ein unbefleckter kuß ist auch bey göttern rein;
Und doch will deine brust von stahl und eysen seyn;
Ach! geh nur in dich selbst und ändre deinen sinn;
Ein kuß der nimmt ja nicht bald alle keuschheit hin.
5.
Jch habe/ Doris/ zwar nicht deine gunst verdient/
Doch wo die wehmuth noch in deinem hertzen grünt/
So schau nicht meinen werth nur meine flammen an/
Und dencke/ daß kein mensch/ als du/ sie heilen kan.
6.
O lieb! itzt merck ichs schon/ mein wünschen wird erhört/
Doch daß kein falscher dorn uns diese lust verstört/
So
Hofm. w. IV. Th. L
verliebte Arien.
Die Kuß-ſcheue Doris.
A. N.
1.
SO glaubſtu/ Doris/ denn/ daß dich ein kuß verletzt/
Den ein erhitzter mund auff deine lippen ſetzt?
Die roſen welcken zwar/ wenn man ſie offt beruͤhrt/
Doch deine werden erſt dadurch noch mehr geziert.
2.
Du weiſt’s/ dein auge hat in mir den zug erweckt/
Du haſt in meiner bruſt das feuer angeſteckt/
Jtzt aber/ da die glut mit lichten flammen ſpielt/
So wegerſtu den troſt/ der dieſe ſehnſucht kuͤhlt.
3.
Vielleichte bildeſt du dir dieſe woͤrter ein:
Es ſey ein wiederſpiel/ keuſch und verliebet ſeyn:
Nein/ wie Narciſſen gern bey Tulipanen ſtehn/
So mag ein keuſcher geiſt auch wol zur liebe gehn.
4.
Ein unbefleckter kuß iſt auch bey goͤttern rein;
Und doch will deine bruſt von ſtahl und eyſen ſeyn;
Ach! geh nur in dich ſelbſt und aͤndre deinen ſinn;
Ein kuß der nimmt ja nicht bald alle keuſchheit hin.
5.
Jch habe/ Doris/ zwar nicht deine gunſt verdient/
Doch wo die wehmuth noch in deinem hertzen gruͤnt/
So ſchau nicht meinen werth nur meine flammen an/
Und dencke/ daß kein menſch/ als du/ ſie heilen kan.
6.
O lieb! itzt merck ichs ſchon/ mein wuͤnſchen wird erhoͤrt/
Doch daß kein falſcher dorn uns dieſe luſt verſtoͤrt/
So
Hofm. w. IV. Th. L
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[161/0163] verliebte Arien. Die Kuß-ſcheue Doris. A. N. 1. SO glaubſtu/ Doris/ denn/ daß dich ein kuß verletzt/ Den ein erhitzter mund auff deine lippen ſetzt? Die roſen welcken zwar/ wenn man ſie offt beruͤhrt/ Doch deine werden erſt dadurch noch mehr geziert. 2. Du weiſt’s/ dein auge hat in mir den zug erweckt/ Du haſt in meiner bruſt das feuer angeſteckt/ Jtzt aber/ da die glut mit lichten flammen ſpielt/ So wegerſtu den troſt/ der dieſe ſehnſucht kuͤhlt. 3. Vielleichte bildeſt du dir dieſe woͤrter ein: Es ſey ein wiederſpiel/ keuſch und verliebet ſeyn: Nein/ wie Narciſſen gern bey Tulipanen ſtehn/ So mag ein keuſcher geiſt auch wol zur liebe gehn. 4. Ein unbefleckter kuß iſt auch bey goͤttern rein; Und doch will deine bruſt von ſtahl und eyſen ſeyn; Ach! geh nur in dich ſelbſt und aͤndre deinen ſinn; Ein kuß der nimmt ja nicht bald alle keuſchheit hin. 5. Jch habe/ Doris/ zwar nicht deine gunſt verdient/ Doch wo die wehmuth noch in deinem hertzen gruͤnt/ So ſchau nicht meinen werth nur meine flammen an/ Und dencke/ daß kein menſch/ als du/ ſie heilen kan. 6. O lieb! itzt merck ichs ſchon/ mein wuͤnſchen wird erhoͤrt/ Doch daß kein falſcher dorn uns dieſe luſt verſtoͤrt/ So Hofm. w. IV. Th. L

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/163>, abgerufen am 06.05.2024.