Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Der nichts so eiffrig sucht als deines mundes segen/
Und seinen geist auff dich als seinen Pharus richt.
Welch gärtner wird da wohl die thüre gantz verschliessen/
Und läst die frucht allein die last der äste seyn?
Wer klug ist/ wird mit witz wohl zu eröffnen wissen/
Er stellt die süsse frucht getreuen händen ein.
Wer seine waare stets im krame will verwahren/
Und niemals in das licht und fremde hände stellt/
Erwirbt ihm endlich nichts/ als daß bey vielen jahren
Der waare alter glantz mit ihrem werth verfällt.
Was dienet uns ein schatz der stets verborgen lieget/
Mit dem der himmel schertzt/ den sinsterniß verwacht/
Dem sich die einsamkeit nur an die seite füget/
Und keinem menschen nicht zu nutze wird gemacht?
Die perle so allein in ihrer muschel pranget/
Das gol[d] so allezeit der berge därme drückt/
Hat niemahls einen ruhm in dieser welt erlanget
Und niemals in der noth ein mattes hertz erquickt.
Was sind wir menschen doch/ wenn wir uns selbst verschlüssen?
Was ist ein geist/ der sich nur in sich selbst verzehrt?
Nur rosen so den stock zum sarge haben müssen/
Nur veilgen/ die der wind im stengel hat verheert.
Der menschen halben seyn die menschen auch gebohren/
Und stetes einsam-seyn/ ist mehr als halber tod.
Wer nicht erkiesen kan/ und stirbt auch unerkohren/
Durch den bleibt unerfüllt das paradieß-gebot.
Daraus ist nun dein witz/ geliebter freund/ zu schauen/
Daß du vermählen wilst diß angenehme pfand/
So dir des himmels gunst hat wollen anvertrauen/
Es bleibet doch dein kind/ ob gleich in fremder hand.
Durch deinen seegen wird hier stets gelücke blühen/
Denn tugend-wurtzel welckt zu keinen zeiten nicht.
Es wird dein eydam sich zu aller zeit bemühen/
Daß thun und lassen sey nach deinem blick gericht.
Er-
Vermiſchte Gedichte.
Der nichts ſo eiffrig ſucht als deines mundes ſegen/
Und ſeinen geiſt auff dich als ſeinen Pharus richt.
Welch gaͤrtner wird da wohl die thuͤre gantz verſchlieſſen/
Und laͤſt die frucht allein die laſt der aͤſte ſeyn?
Wer klug iſt/ wird mit witz wohl zu eroͤffnen wiſſen/
Er ſtellt die ſuͤſſe frucht getreuen haͤnden ein.
Wer ſeine waare ſtets im krame will verwahren/
Und niemals in das licht und fremde haͤnde ſtellt/
Erwirbt ihm endlich nichts/ als daß bey vielen jahren
Der waare alter glantz mit ihrem werth verfaͤllt.
Was dienet uns ein ſchatz der ſtets verborgen lieget/
Mit dem der himmel ſchertzt/ den ſinſterniß verwacht/
Dem ſich die einſamkeit nur an die ſeite fuͤget/
Und keinem menſchen nicht zu nutze wird gemacht?
Die perle ſo allein in ihrer muſchel pranget/
Das gol[d] ſo allezeit der berge daͤrme druͤckt/
Hat niemahls einen ruhm in dieſer welt erlanget
Und niemals in der noth ein mattes hertz erquickt.
Was ſind wir menſchen doch/ wenn wir uns ſelbſt verſchluͤſſen?
Was iſt ein geiſt/ der ſich nur in ſich ſelbſt verzehrt?
Nur roſen ſo den ſtock zum ſarge haben muͤſſen/
Nur veilgen/ die der wind im ſtengel hat verheert.
Der menſchen halben ſeyn die menſchen auch gebohren/
Und ſtetes einſam-ſeyn/ iſt mehr als halber tod.
Wer nicht erkieſen kan/ und ſtirbt auch unerkohren/
Durch den bleibt unerfuͤllt das paradieß-gebot.
Daraus iſt nun dein witz/ geliebter freund/ zu ſchauen/
Daß du vermaͤhlen wilſt diß angenehme pfand/
So dir des himmels gunſt hat wollen anvertrauen/
Es bleibet doch dein kind/ ob gleich in fremder hand.
Durch deinen ſeegen wird hier ſtets geluͤcke bluͤhen/
Denn tugend-wurtzel welckt zu keinen zeiten nicht.
Es wird dein eydam ſich zu aller zeit bemuͤhen/
Daß thun und laſſen ſey nach deinem blick gericht.
Er-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0342" n="326"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Der nichts &#x017F;o eiffrig &#x017F;ucht als deines mundes &#x017F;egen/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;einen gei&#x017F;t auff dich als &#x017F;einen Pharus richt.</l><lb/>
          <l>Welch ga&#x0364;rtner wird da wohl die thu&#x0364;re gantz ver&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Und la&#x0364;&#x017F;t die frucht allein die la&#x017F;t der a&#x0364;&#x017F;te &#x017F;eyn?</l><lb/>
          <l>Wer klug i&#x017F;t/ wird mit witz wohl zu ero&#x0364;ffnen wi&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;tellt die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e frucht getreuen ha&#x0364;nden ein.</l><lb/>
          <l>Wer &#x017F;eine waare &#x017F;tets im krame will verwahren/</l><lb/>
          <l>Und niemals in das licht und fremde ha&#x0364;nde &#x017F;tellt/</l><lb/>
          <l>Erwirbt ihm endlich nichts/ als daß bey vielen jahren</l><lb/>
          <l>Der waare alter glantz mit ihrem werth verfa&#x0364;llt.</l><lb/>
          <l>Was dienet uns ein &#x017F;chatz der &#x017F;tets verborgen lieget/</l><lb/>
          <l>Mit dem der himmel &#x017F;chertzt/ den &#x017F;in&#x017F;terniß verwacht/</l><lb/>
          <l>Dem &#x017F;ich die ein&#x017F;amkeit nur an die &#x017F;eite fu&#x0364;get/</l><lb/>
          <l>Und keinem men&#x017F;chen nicht zu nutze wird gemacht?</l><lb/>
          <l>Die perle &#x017F;o allein in ihrer mu&#x017F;chel pranget/</l><lb/>
          <l>Das gol<supplied>d</supplied> &#x017F;o allezeit der berge da&#x0364;rme dru&#x0364;ckt/</l><lb/>
          <l>Hat niemahls einen ruhm in die&#x017F;er welt erlanget</l><lb/>
          <l>Und niemals in der noth ein mattes hertz erquickt.</l><lb/>
          <l>Was &#x017F;ind wir men&#x017F;chen doch/ wenn wir uns &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en?</l><lb/>
          <l>Was i&#x017F;t ein gei&#x017F;t/ der &#x017F;ich nur in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verzehrt?</l><lb/>
          <l>Nur ro&#x017F;en &#x017F;o den &#x017F;tock zum &#x017F;arge haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Nur veilgen/ die der wind im &#x017F;tengel hat verheert.</l><lb/>
          <l>Der men&#x017F;chen halben &#x017F;eyn die men&#x017F;chen auch gebohren/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;tetes ein&#x017F;am-&#x017F;eyn/ i&#x017F;t mehr als halber tod.</l><lb/>
          <l>Wer nicht erkie&#x017F;en kan/ und &#x017F;tirbt auch unerkohren/</l><lb/>
          <l>Durch den bleibt unerfu&#x0364;llt das paradieß-gebot.</l><lb/>
          <l>Daraus i&#x017F;t nun dein witz/ geliebter freund/ zu &#x017F;chauen/</l><lb/>
          <l>Daß du verma&#x0364;hlen wil&#x017F;t diß angenehme pfand/</l><lb/>
          <l>So dir des himmels gun&#x017F;t hat wollen anvertrauen/</l><lb/>
          <l>Es bleibet doch dein kind/ ob gleich in fremder hand.</l><lb/>
          <l>Durch deinen &#x017F;eegen wird hier &#x017F;tets gelu&#x0364;cke blu&#x0364;hen/</l><lb/>
          <l>Denn tugend-wurtzel welckt zu keinen zeiten nicht.</l><lb/>
          <l>Es wird dein eydam &#x017F;ich zu aller zeit bemu&#x0364;hen/</l><lb/>
          <l>Daß thun und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey nach deinem blick gericht.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0342] Vermiſchte Gedichte. Der nichts ſo eiffrig ſucht als deines mundes ſegen/ Und ſeinen geiſt auff dich als ſeinen Pharus richt. Welch gaͤrtner wird da wohl die thuͤre gantz verſchlieſſen/ Und laͤſt die frucht allein die laſt der aͤſte ſeyn? Wer klug iſt/ wird mit witz wohl zu eroͤffnen wiſſen/ Er ſtellt die ſuͤſſe frucht getreuen haͤnden ein. Wer ſeine waare ſtets im krame will verwahren/ Und niemals in das licht und fremde haͤnde ſtellt/ Erwirbt ihm endlich nichts/ als daß bey vielen jahren Der waare alter glantz mit ihrem werth verfaͤllt. Was dienet uns ein ſchatz der ſtets verborgen lieget/ Mit dem der himmel ſchertzt/ den ſinſterniß verwacht/ Dem ſich die einſamkeit nur an die ſeite fuͤget/ Und keinem menſchen nicht zu nutze wird gemacht? Die perle ſo allein in ihrer muſchel pranget/ Das gold ſo allezeit der berge daͤrme druͤckt/ Hat niemahls einen ruhm in dieſer welt erlanget Und niemals in der noth ein mattes hertz erquickt. Was ſind wir menſchen doch/ wenn wir uns ſelbſt verſchluͤſſen? Was iſt ein geiſt/ der ſich nur in ſich ſelbſt verzehrt? Nur roſen ſo den ſtock zum ſarge haben muͤſſen/ Nur veilgen/ die der wind im ſtengel hat verheert. Der menſchen halben ſeyn die menſchen auch gebohren/ Und ſtetes einſam-ſeyn/ iſt mehr als halber tod. Wer nicht erkieſen kan/ und ſtirbt auch unerkohren/ Durch den bleibt unerfuͤllt das paradieß-gebot. Daraus iſt nun dein witz/ geliebter freund/ zu ſchauen/ Daß du vermaͤhlen wilſt diß angenehme pfand/ So dir des himmels gunſt hat wollen anvertrauen/ Es bleibet doch dein kind/ ob gleich in fremder hand. Durch deinen ſeegen wird hier ſtets geluͤcke bluͤhen/ Denn tugend-wurtzel welckt zu keinen zeiten nicht. Es wird dein eydam ſich zu aller zeit bemuͤhen/ Daß thun und laſſen ſey nach deinem blick gericht. Er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/342
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/342>, abgerufen am 22.11.2024.