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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

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Vermischte Gedichte.
Ubersetzung der fünfften Satyre des
Boilcau.

* *
DEr adel ist alsdenn kein blosser dunst zu nennen/
Wenn man aus solchem blut/ das helden zeugen können/
Entspriest/ und nach dem satz/ den strenge tugend stifft/
Auch so der ahnen spur/ wie du/ mein Dangeau/ trifft.
Nur kränckt mich/ wenn ein thor/ der sich in schnöden lüsten
Pflegt eintzig und allein mit seinem stand zu brüsten/
So unverschämte pracht mit fremdem schmucke treibt/
Und andrer leute lob auff seine rechnung schreibt/
Sein tapfferes geschlecht mag durch berühmte sachen/
Die ältste chronicken zu dicken büchern machen.
Gesetzt: daß ein Capet/ der Franckreichs scepter führt/
Der ahnen ritter-schild mit liljen ausgeziert;
Wozu soll aber ihm der leere vorrath dienen/
Wenn er von solchem stamm/ der ehmahls groß geschienen/
Der welt nichts weisen kan/ als ein verlegnes blat/
An dem das pergament der wurm geschonet hat?
Wenn er was göttliches an seiner quelle spüret/
Und doch in seinem sinn zugleich ist überführet/
Daß man nichts grosses mehr an ihm zu sehen kriegt:
Als daß ein stoltzer jeck in weicher wollust liegt.
Doch scheint es/ wenn er sich so übermüthig blehet/
Daß sich nach seinem winck des himmels axe drehet/
Und daß des schöpffers hand/ mit reiffem vorbedacht/
Jhn aus viel besserm thon/ als mich/ hervor gebracht.
Was ist es für ein thier/ du geist von hohen gaben!
Das wir gemeiniglich am allerliebsten haben?
Jsts nicht ein muntres pferd/ das krafft und feuer bläßt/
Und keinem neben sich das ziel erreichen läßt?
Da offt ein koppelgaul wird ohngefehr bezahlet/
Ob gleich manch schönes roß in seinem stamm-baum prahlet/
Und trägt/ wenn er nicht taugt/ den rentzel über land/
Wo man das schind-vieh nicht gar in die karre spannt.
Wie
P 3
Vermiſchte Gedichte.
Uberſetzung der fuͤnfften Satyre des
Boilcau.

* *
DEr adel iſt alsdenn kein bloſſer dunſt zu nennen/
Wenn man aus ſolchem blut/ das helden zeugen koͤnnen/
Entſprieſt/ und nach dem ſatz/ den ſtrenge tugend ſtifft/
Auch ſo der ahnen ſpur/ wie du/ mein Dangeau/ trifft.
Nur kraͤnckt mich/ wenn ein thor/ der ſich in ſchnoͤden luͤſten
Pflegt eintzig und allein mit ſeinem ſtand zu bruͤſten/
So unverſchaͤmte pracht mit fremdem ſchmucke treibt/
Und andrer leute lob auff ſeine rechnung ſchreibt/
Sein tapfferes geſchlecht mag durch beruͤhmte ſachen/
Die aͤltſte chronicken zu dicken buͤchern machen.
Geſetzt: daß ein Capet/ der Franckreichs ſcepter fuͤhrt/
Der ahnen ritter-ſchild mit liljen ausgeziert;
Wozu ſoll aber ihm der leere vorrath dienen/
Wenn er von ſolchem ſtamm/ der ehmahls groß geſchienen/
Der welt nichts weiſen kan/ als ein verlegnes blat/
An dem das pergament der wurm geſchonet hat?
Wenn er was goͤttliches an ſeiner quelle ſpuͤret/
Und doch in ſeinem ſinn zugleich iſt uͤberfuͤhret/
Daß man nichts groſſes mehr an ihm zu ſehen kriegt:
Als daß ein ſtoltzer jeck in weicher wolluſt liegt.
Doch ſcheint es/ wenn er ſich ſo uͤbermuͤthig blehet/
Daß ſich nach ſeinem winck des himmels axe drehet/
Und daß des ſchoͤpffers hand/ mit reiffem vorbedacht/
Jhn aus viel beſſerm thon/ als mich/ hervor gebracht.
Was iſt es fuͤr ein thier/ du geiſt von hohen gaben!
Das wir gemeiniglich am allerliebſten haben?
Jſts nicht ein muntres pferd/ das krafft und feuer blaͤßt/
Und keinem neben ſich das ziel erreichen laͤßt?
Da offt ein koppelgaul wird ohngefehr bezahlet/
Ob gleich manch ſchoͤnes roß in ſeinem ſtamm-baum prahlet/
Und traͤgt/ wenn er nicht taugt/ den rentzel uͤber land/
Wo man das ſchind-vieh nicht gar in die karre ſpannt.
Wie
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[229/0245] Vermiſchte Gedichte. Uberſetzung der fuͤnfften Satyre des Boilcau. * * DEr adel iſt alsdenn kein bloſſer dunſt zu nennen/ Wenn man aus ſolchem blut/ das helden zeugen koͤnnen/ Entſprieſt/ und nach dem ſatz/ den ſtrenge tugend ſtifft/ Auch ſo der ahnen ſpur/ wie du/ mein Dangeau/ trifft. Nur kraͤnckt mich/ wenn ein thor/ der ſich in ſchnoͤden luͤſten Pflegt eintzig und allein mit ſeinem ſtand zu bruͤſten/ So unverſchaͤmte pracht mit fremdem ſchmucke treibt/ Und andrer leute lob auff ſeine rechnung ſchreibt/ Sein tapfferes geſchlecht mag durch beruͤhmte ſachen/ Die aͤltſte chronicken zu dicken buͤchern machen. Geſetzt: daß ein Capet/ der Franckreichs ſcepter fuͤhrt/ Der ahnen ritter-ſchild mit liljen ausgeziert; Wozu ſoll aber ihm der leere vorrath dienen/ Wenn er von ſolchem ſtamm/ der ehmahls groß geſchienen/ Der welt nichts weiſen kan/ als ein verlegnes blat/ An dem das pergament der wurm geſchonet hat? Wenn er was goͤttliches an ſeiner quelle ſpuͤret/ Und doch in ſeinem ſinn zugleich iſt uͤberfuͤhret/ Daß man nichts groſſes mehr an ihm zu ſehen kriegt: Als daß ein ſtoltzer jeck in weicher wolluſt liegt. Doch ſcheint es/ wenn er ſich ſo uͤbermuͤthig blehet/ Daß ſich nach ſeinem winck des himmels axe drehet/ Und daß des ſchoͤpffers hand/ mit reiffem vorbedacht/ Jhn aus viel beſſerm thon/ als mich/ hervor gebracht. Was iſt es fuͤr ein thier/ du geiſt von hohen gaben! Das wir gemeiniglich am allerliebſten haben? Jſts nicht ein muntres pferd/ das krafft und feuer blaͤßt/ Und keinem neben ſich das ziel erreichen laͤßt? Da offt ein koppelgaul wird ohngefehr bezahlet/ Ob gleich manch ſchoͤnes roß in ſeinem ſtamm-baum prahlet/ Und traͤgt/ wenn er nicht taugt/ den rentzel uͤber land/ Wo man das ſchind-vieh nicht gar in die karre ſpannt. Wie P 3

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/245>, abgerufen am 23.11.2024.