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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

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Verliebte Gedichte.
An Climenen.
C. E.
MEin urtheil ist: ich soll verbrennen/
Und doch darff ich die glut nicht nennen/
Die meinen geist verzehrt.
Die sinnen sind verkehrt/
Noch gleichwohl muß ich schweigen.
Mein hertz soll stahl und eisen seyn;
Wer aber hat doch fleisch und bein/
Dem blut und regung nicht auch in die seele steigen?
Climene/ du kanst meine flammen
Fürwahr mit rechte nicht verdammen:
Denn dein verliebter blitz
Hemmt selber meinen witz/
Und wilst du mehr noch wissen?
Dein heisser strahl hat mich entzündt/
Mein feu'r ist deiner sonnen kind/
Wie soll ich ärmster denn nicht seine mutter küssen?
Ach! leugne nicht/ was du verübet/
Jch bin ein mensch/ und drum verliebet;
Laß engel/ engel seyn/
Sie fühlen keine pein;
Wir aber haben glieder/
Und sind aus fleisch und blut erbaut/
Wem vor des leibes blösse graut/
Der bring uns Adams stand und Evens unschuld wieder.
Du stehest selbst/ ich bin getrieben/
Der himmel will/ ich soll dich lieben:
Denn mein entbrandter schmertz
Leidt ferner keinen schertz/
Dein blick hat mich entzündet/
Jch brenne nur/ dieweil ich muß/
So zeige nun durch einen kuß/
Daß man zwar dort den todt/ hier aber leben findet.
Sie
F 3
Verliebte Gedichte.
An Climenen.
C. E.
MEin urtheil iſt: ich ſoll verbrennen/
Und doch darff ich die glut nicht nennen/
Die meinen geiſt verzehrt.
Die ſinnen ſind verkehrt/
Noch gleichwohl muß ich ſchweigen.
Mein hertz ſoll ſtahl und eiſen ſeyn;
Wer aber hat doch fleiſch und bein/
Dem blut und regung nicht auch in die ſeele ſteigen?
Climene/ du kanſt meine flammen
Fuͤrwahr mit rechte nicht verdammen:
Denn dein verliebter blitz
Hemmt ſelber meinen witz/
Und wilſt du mehr noch wiſſen?
Dein heiſſer ſtrahl hat mich entzuͤndt/
Mein feu’r iſt deiner ſonnen kind/
Wie ſoll ich aͤrmſter denn nicht ſeine mutter kuͤſſen?
Ach! leugne nicht/ was du veruͤbet/
Jch bin ein menſch/ und drum verliebet;
Laß engel/ engel ſeyn/
Sie fuͤhlen keine pein;
Wir aber haben glieder/
Und ſind aus fleiſch und blut erbaut/
Wem vor des leibes bloͤſſe graut/
Der bring uns Adams ſtand und Evens unſchuld wieder.
Du ſteheſt ſelbſt/ ich bin getrieben/
Der himmel will/ ich ſoll dich lieben:
Denn mein entbrandter ſchmertz
Leidt ferner keinen ſchertz/
Dein blick hat mich entzuͤndet/
Jch brenne nur/ dieweil ich muß/
So zeige nun durch einen kuß/
Daß man zwar dort den todt/ hier aber leben findet.
Sie
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[85/0101] Verliebte Gedichte. An Climenen. C. E. MEin urtheil iſt: ich ſoll verbrennen/ Und doch darff ich die glut nicht nennen/ Die meinen geiſt verzehrt. Die ſinnen ſind verkehrt/ Noch gleichwohl muß ich ſchweigen. Mein hertz ſoll ſtahl und eiſen ſeyn; Wer aber hat doch fleiſch und bein/ Dem blut und regung nicht auch in die ſeele ſteigen? Climene/ du kanſt meine flammen Fuͤrwahr mit rechte nicht verdammen: Denn dein verliebter blitz Hemmt ſelber meinen witz/ Und wilſt du mehr noch wiſſen? Dein heiſſer ſtrahl hat mich entzuͤndt/ Mein feu’r iſt deiner ſonnen kind/ Wie ſoll ich aͤrmſter denn nicht ſeine mutter kuͤſſen? Ach! leugne nicht/ was du veruͤbet/ Jch bin ein menſch/ und drum verliebet; Laß engel/ engel ſeyn/ Sie fuͤhlen keine pein; Wir aber haben glieder/ Und ſind aus fleiſch und blut erbaut/ Wem vor des leibes bloͤſſe graut/ Der bring uns Adams ſtand und Evens unſchuld wieder. Du ſteheſt ſelbſt/ ich bin getrieben/ Der himmel will/ ich ſoll dich lieben: Denn mein entbrandter ſchmertz Leidt ferner keinen ſchertz/ Dein blick hat mich entzuͤndet/ Jch brenne nur/ dieweil ich muß/ So zeige nun durch einen kuß/ Daß man zwar dort den todt/ hier aber leben findet. Sie F 3

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/101>, abgerufen am 28.04.2024.