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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Verliebte Gedichte.
Des abends stunden sie noch weit und unvermengt:
Des morgens waren sie wie ketten eingeschrenckt.
Dreymahl hab ich mit lust diß wunderwerck gelesen/
Und dreymahl bin ich fast für küssen todt gewesen/
O küsse! die nach thau - -     Was aber hilfft es mich?
Die namen sind vermählt/ die leiber scheiden sich.
Der helle Lucifer bringt schon den dritten morgen;
Und dennoch sieht man mich nicht für die schaafe sorgen.
Die ziegen haben noch kein frisches graß geschmeckt:
Die jungen böcke nur die dürre brust geleckt:
Ich selber habe noch vom weine nichts genossen.
Kein stücke brod gesehn/ kein auge zugeschlossen.
Denn ohne dich vergeht mich alle schäfer-lust/
Und ohne dich ist mir auch kein geschmack bewust.
Doch gönnstu einmahl uns nur einen süssen morgen;
So will ich wiederum für meine schaafe sorgen.
Die ziegen sollen fort und in die weide gehn;
Die eyter voller milch/ die böcke truncken stehn:
Ich selber aber will den Bachus wieder grüssen/
Nach frischem brodte sehn und neuer ruh geniessen.
Und stürbe gleich mein vieh/ mein väterliches gut/
Und aller wiesen-wachs durch feur- und wassers-flut/
So will ich/ wann sie mich nur deiner nicht berauben/
Mich dennoch in der welt am allerreichsten glauben.
Wann der beperlte thau des morgens nieder fällt/
Und sich das erste licht der sonnen eingestellt/
Schau ich den tropffen zu/ indem sie sich verbinden/
Ob ich dein bildniß kan in ihren farben finden.
Ich sehe vielerley: Nichts aber ist wie du.
Das gold schleust seinen glantz für deinen haaren zu.
Der reiff muß deiner haut/ der stirne liljen weichen/
Den wangen ist nicht blut und frische milch zu gleichen/
Der mund beschämt rubin/ die zähne helffenbein/
Die augen Phöbus licht und aller sterne schein.
Vom andern weiß ich nicht/ wie einem muß geschehen;
Weil ich es/ schönste/ nur kan in gedancken sehen.
Wenn denn Aurorens schooß die rosen auffgethan/
So schau ich ihre pracht mit steiffen augen an/
Und suche deinen mund in ihren purpur-strahlen:
Doch bleib ich zweiffelhafft/ was schwerer sey zu mahlen/
Du/ oder aber sie. Ja/ wenn ich endlich dich
Im felde nirgends seh/ so übereil ich mich/
Und denck: Ist nun ihr geist im himmel gar gestiegen?
Und kan sie denn zugleich bey sternen und bey ziegen/

Des

Verliebte Gedichte.
Des abends ſtunden ſie noch weit und unvermengt:
Des morgens waren ſie wie ketten eingeſchrenckt.
Dreymahl hab ich mit luſt diß wunderwerck geleſen/
Und dreymahl bin ich faſt fuͤr kuͤſſen todt geweſen/
O kuͤſſe! die nach thau ⸗ ⸗     Was aber hilfft es mich?
Die namen ſind vermaͤhlt/ die leiber ſcheiden ſich.
Der helle Lucifer bringt ſchon den dritten morgen;
Und dennoch ſieht man mich nicht fuͤr die ſchaafe ſorgen.
Die ziegen haben noch kein friſches graß geſchmeckt:
Die jungen boͤcke nur die duͤrre bruſt geleckt:
Ich ſelber habe noch vom weine nichts genoſſen.
Kein ſtuͤcke brod geſehn/ kein auge zugeſchloſſen.
Denn ohne dich vergeht mich alle ſchaͤfer-luſt/
Und ohne dich iſt mir auch kein geſchmack bewuſt.
Doch goͤnnſtu einmahl uns nur einen ſuͤſſen morgen;
So will ich wiederum fuͤr meine ſchaafe ſorgen.
Die ziegen ſollen fort und in die weide gehn;
Die eyter voller milch/ die boͤcke truncken ſtehn:
Ich ſelber aber will den Bachus wieder gruͤſſen/
Nach friſchem brodte ſehn und neuer ruh genieſſen.
Und ſtuͤrbe gleich mein vieh/ mein vaͤterliches gut/
Und aller wieſen-wachs durch feur- und waſſers-flut/
So will ich/ wann ſie mich nur deiner nicht berauben/
Mich dennoch in der welt am allerreichſten glauben.
Wann der beperlte thau des morgens nieder faͤllt/
Und ſich das erſte licht der ſonnen eingeſtellt/
Schau ich den tropffen zu/ indem ſie ſich verbinden/
Ob ich dein bildniß kan in ihren farben finden.
Ich ſehe vielerley: Nichts aber iſt wie du.
Das gold ſchleuſt ſeinen glantz fuͤr deinen haaren zu.
Der reiff muß deiner haut/ der ſtirne liljen weichen/
Den wangen iſt nicht blut und friſche milch zu gleichen/
Der mund beſchaͤmt rubin/ die zaͤhne helffenbein/
Die augen Phoͤbus licht und aller ſterne ſchein.
Vom andern weiß ich nicht/ wie einem muß geſchehen;
Weil ich es/ ſchoͤnſte/ nur kan in gedancken ſehen.
Wenn denn Aurorens ſchooß die roſen auffgethan/
So ſchau ich ihre pracht mit ſteiffen augen an/
Und ſuche deinen mund in ihren purpur-ſtrahlen:
Doch bleib ich zweiffelhafft/ was ſchwerer ſey zu mahlen/
Du/ oder aber ſie. Ja/ wenn ich endlich dich
Im felde nirgends ſeh/ ſo uͤbereil ich mich/
Und denck: Iſt nun ihr geiſt im himmel gar geſtiegen?
Und kan ſie denn zugleich bey ſternen und bey ziegen/

Des
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[52/0096] Verliebte Gedichte. Des abends ſtunden ſie noch weit und unvermengt: Des morgens waren ſie wie ketten eingeſchrenckt. Dreymahl hab ich mit luſt diß wunderwerck geleſen/ Und dreymahl bin ich faſt fuͤr kuͤſſen todt geweſen/ O kuͤſſe! die nach thau ⸗ ⸗ Was aber hilfft es mich? Die namen ſind vermaͤhlt/ die leiber ſcheiden ſich. Der helle Lucifer bringt ſchon den dritten morgen; Und dennoch ſieht man mich nicht fuͤr die ſchaafe ſorgen. Die ziegen haben noch kein friſches graß geſchmeckt: Die jungen boͤcke nur die duͤrre bruſt geleckt: Ich ſelber habe noch vom weine nichts genoſſen. Kein ſtuͤcke brod geſehn/ kein auge zugeſchloſſen. Denn ohne dich vergeht mich alle ſchaͤfer-luſt/ Und ohne dich iſt mir auch kein geſchmack bewuſt. Doch goͤnnſtu einmahl uns nur einen ſuͤſſen morgen; So will ich wiederum fuͤr meine ſchaafe ſorgen. Die ziegen ſollen fort und in die weide gehn; Die eyter voller milch/ die boͤcke truncken ſtehn: Ich ſelber aber will den Bachus wieder gruͤſſen/ Nach friſchem brodte ſehn und neuer ruh genieſſen. Und ſtuͤrbe gleich mein vieh/ mein vaͤterliches gut/ Und aller wieſen-wachs durch feur- und waſſers-flut/ So will ich/ wann ſie mich nur deiner nicht berauben/ Mich dennoch in der welt am allerreichſten glauben. Wann der beperlte thau des morgens nieder faͤllt/ Und ſich das erſte licht der ſonnen eingeſtellt/ Schau ich den tropffen zu/ indem ſie ſich verbinden/ Ob ich dein bildniß kan in ihren farben finden. Ich ſehe vielerley: Nichts aber iſt wie du. Das gold ſchleuſt ſeinen glantz fuͤr deinen haaren zu. Der reiff muß deiner haut/ der ſtirne liljen weichen/ Den wangen iſt nicht blut und friſche milch zu gleichen/ Der mund beſchaͤmt rubin/ die zaͤhne helffenbein/ Die augen Phoͤbus licht und aller ſterne ſchein. Vom andern weiß ich nicht/ wie einem muß geſchehen; Weil ich es/ ſchoͤnſte/ nur kan in gedancken ſehen. Wenn denn Aurorens ſchooß die roſen auffgethan/ So ſchau ich ihre pracht mit ſteiffen augen an/ Und ſuche deinen mund in ihren purpur-ſtrahlen: Doch bleib ich zweiffelhafft/ was ſchwerer ſey zu mahlen/ Du/ oder aber ſie. Ja/ wenn ich endlich dich Im felde nirgends ſeh/ ſo uͤbereil ich mich/ Und denck: Iſt nun ihr geiſt im himmel gar geſtiegen? Und kan ſie denn zugleich bey ſternen und bey ziegen/ Des

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/96>, abgerufen am 25.11.2024.