Moment meines höchsten irdischen Glücks lebt in mir fort, ich werde ihn ganz wieder haben den ge¬ liebten Gatten in dem theuern Pfande des süßen Bundes." Der Fürstin war es, als finge sich alles an um sie zu drehen, als wollten ihr die Sinne schwinden. Die Wahrheit in Hermenegilda's Aus¬ druck -- ihr Entzücken, ihre wahrhafte Verklärung ließ keinen Gedanken an erheucheltes Wesen, an Trug aufkommen und doch konnte nur toller Wahn¬ sinn auf ihre Behauptung etwas geben. Von dem letzten Gedanken ganz erfaßt, stieß die Fürstin Her¬ menegilda von sich, indem sie heftig rief: "Unsin¬ nige! Ein Traum hatte dich in den Zustand versetzt, der Schmach und Schande über uns alle bringt! -- glaubst du, daß du mich mit albernen Mährchen zu hintergehen vermagst? -- Besinne dich -- laß alle Ereignisse der vorigen Tage dir vorübergehen. Ein reuiges Bekenntniß kann uns vielleicht versöh¬ nen." In Thränen gebadet, ganz aufgelöst von herbem Schmerz sank Hermenegilda vor der Für¬ stin auf die Knie und jammerte: "Mutter, auch
Moment meines hoͤchſten irdiſchen Gluͤcks lebt in mir fort, ich werde ihn ganz wieder haben den ge¬ liebten Gatten in dem theuern Pfande des ſuͤßen Bundes.“ Der Fuͤrſtin war es, als finge ſich alles an um ſie zu drehen, als wollten ihr die Sinne ſchwinden. Die Wahrheit in Hermenegilda's Aus¬ druck — ihr Entzuͤcken, ihre wahrhafte Verklaͤrung ließ keinen Gedanken an erheucheltes Weſen, an Trug aufkommen und doch konnte nur toller Wahn¬ ſinn auf ihre Behauptung etwas geben. Von dem letzten Gedanken ganz erfaßt, ſtieß die Fuͤrſtin Her¬ menegilda von ſich, indem ſie heftig rief: „Unſin¬ nige! Ein Traum hatte dich in den Zuſtand verſetzt, der Schmach und Schande uͤber uns alle bringt! — glaubſt du, daß du mich mit albernen Maͤhrchen zu hintergehen vermagſt? — Beſinne dich — laß alle Ereigniſſe der vorigen Tage dir voruͤbergehen. Ein reuiges Bekenntniß kann uns vielleicht verſoͤh¬ nen.“ In Thraͤnen gebadet, ganz aufgeloͤſt von herbem Schmerz ſank Hermenegilda vor der Fuͤr¬ ſtin auf die Knie und jammerte: „Mutter, auch
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Moment meines hoͤchſten irdiſchen Gluͤcks lebt in
mir fort, ich werde ihn ganz wieder haben den ge¬
liebten Gatten in dem theuern Pfande des ſuͤßen
Bundes.“ Der Fuͤrſtin war es, als finge ſich alles
an um ſie zu drehen, als wollten ihr die Sinne
ſchwinden. Die Wahrheit in Hermenegilda's Aus¬
druck — ihr Entzuͤcken, ihre wahrhafte Verklaͤrung
ließ keinen Gedanken an erheucheltes Weſen, an
Trug aufkommen und doch konnte nur toller Wahn¬
ſinn auf ihre Behauptung etwas geben. Von dem
letzten Gedanken ganz erfaßt, ſtieß die Fuͤrſtin Her¬
menegilda von ſich, indem ſie heftig rief: „Unſin¬
nige! Ein Traum hatte dich in den Zuſtand verſetzt,
der Schmach und Schande uͤber uns alle bringt!
— glaubſt du, daß du mich mit albernen Maͤhrchen
zu hintergehen vermagſt? — Beſinne dich — laß
alle Ereigniſſe der vorigen Tage dir voruͤbergehen.
Ein reuiges Bekenntniß kann uns vielleicht verſoͤh¬
nen.“ In Thraͤnen gebadet, ganz aufgeloͤſt von
herbem Schmerz ſank Hermenegilda vor der Fuͤr¬
ſtin auf die Knie und jammerte: „Mutter, auch
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/314>, abgerufen am 22.11.2024.
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