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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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"Noch," sprach die Fürstin, "noch ahnet Hermene¬
gilda nicht, daß ich um ihren Zustand weiß. Von
dem Moment, wenn ich es ihr sagen werde, wie es
um sie steht, verspreche ich mir Alles. Ueberrascht
wird sie die Larve der Heuchlerin fallen lassen oder
es muß sich sonst ihre Unschuld auf eine wunderbare
Weise offenbaren, unerachtet ich es auch nicht zu
träumen vermag, wie dies sollte geschehen können."
-- Noch denselben Abend war die Fürstin mit Her¬
menegilda, deren mütterliches Ansehn mit jeder
Stunde zuzunehmen schien, allein auf ihrem Zim¬
mer. Da ergriff die Fürstin das arme Kind bey
beiden Armen, blickte ihr scharf ins Auge und sagte
mit schneidendem Ton: "Liebe, du bist guter Hoff¬
nung!" Da schlug Hermenegilda den wie von
himmlischer Wonne verklärten Blick in die Höhe
und rief mit dem Ton des höchsten Entzückens:
"O Mutter, Mutter, ich weiß es ja! -- Lange fühlt'
ich es, daß ich, fiel auch der theure Gatte unter den
mörderischen Streichen der wilden Feinde, dennoch
unaussprechlich glücklich seyn sollte. Ja! -- jener

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„Noch,“ ſprach die Fuͤrſtin, „noch ahnet Hermene¬
gilda nicht, daß ich um ihren Zuſtand weiß. Von
dem Moment, wenn ich es ihr ſagen werde, wie es
um ſie ſteht, verſpreche ich mir Alles. Ueberraſcht
wird ſie die Larve der Heuchlerin fallen laſſen oder
es muß ſich ſonſt ihre Unſchuld auf eine wunderbare
Weiſe offenbaren, unerachtet ich es auch nicht zu
traͤumen vermag, wie dies ſollte geſchehen koͤnnen.“
— Noch denſelben Abend war die Fuͤrſtin mit Her¬
menegilda, deren muͤtterliches Anſehn mit jeder
Stunde zuzunehmen ſchien, allein auf ihrem Zim¬
mer. Da ergriff die Fuͤrſtin das arme Kind bey
beiden Armen, blickte ihr ſcharf ins Auge und ſagte
mit ſchneidendem Ton: „Liebe, du biſt guter Hoff¬
nung!“ Da ſchlug Hermenegilda den wie von
himmliſcher Wonne verklaͤrten Blick in die Hoͤhe
und rief mit dem Ton des hoͤchſten Entzuͤckens:
„O Mutter, Mutter, ich weiß es ja! — Lange fuͤhlt'
ich es, daß ich, fiel auch der theure Gatte unter den
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[305/0313] „Noch,“ ſprach die Fuͤrſtin, „noch ahnet Hermene¬ gilda nicht, daß ich um ihren Zuſtand weiß. Von dem Moment, wenn ich es ihr ſagen werde, wie es um ſie ſteht, verſpreche ich mir Alles. Ueberraſcht wird ſie die Larve der Heuchlerin fallen laſſen oder es muß ſich ſonſt ihre Unſchuld auf eine wunderbare Weiſe offenbaren, unerachtet ich es auch nicht zu traͤumen vermag, wie dies ſollte geſchehen koͤnnen.“ — Noch denſelben Abend war die Fuͤrſtin mit Her¬ menegilda, deren muͤtterliches Anſehn mit jeder Stunde zuzunehmen ſchien, allein auf ihrem Zim¬ mer. Da ergriff die Fuͤrſtin das arme Kind bey beiden Armen, blickte ihr ſcharf ins Auge und ſagte mit ſchneidendem Ton: „Liebe, du biſt guter Hoff¬ nung!“ Da ſchlug Hermenegilda den wie von himmliſcher Wonne verklaͤrten Blick in die Hoͤhe und rief mit dem Ton des hoͤchſten Entzuͤckens: „O Mutter, Mutter, ich weiß es ja! — Lange fuͤhlt' ich es, daß ich, fiel auch der theure Gatte unter den moͤrderiſchen Streichen der wilden Feinde, dennoch unausſprechlich gluͤcklich ſeyn ſollte. Ja! — jener U

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/313>, abgerufen am 22.11.2024.