um sie, und so geschah es, daß mehrere Tage ver¬ gingen, die sie ungestört, auf ihrem Zimmer einge¬ schlossen, von niemanden als ihrer Kammerfrau ge¬ sehen, zubrachte.
In tiefen Gedanken, ganz erfüllt von den Hel¬ denthaten jenes Mannes, den die Polen damahls anbeteten wie ein falsches Götzenbild, saß Nepomuk eines Tages in seinem Zimmer, als die Thür auf¬ ging und Hermenegilda in voller Trauer mit lang herabhängendem Witwenschleier eintrat. Langsa¬ men feierlichen Schrittes nahte sie sich dem Grafen, ließ sich dann auf die Knie nieder und sprach mit bebender Stimme: "O mein Vater -- Graf Sta¬ nislaus, mein geliebter Gatte, ist hinüber -- er fiel als Held im blutigen Kampf: -- vor dir kniet sei¬ ne bejammernswerthe Witwe!" -- Graf Nepo¬ muk mußte dies um so mehr für einen neuen Aus¬ bruch der zerrütteten Gemüthsstimmung Hermene¬ gilda's halten, als noch Tages zuvor Nachrichten von dem Wohlbefinden des Grafen Stanislaus ein¬ gelaufen waren. Er hob Hermenegilden sanft auf,
um ſie, und ſo geſchah es, daß mehrere Tage ver¬ gingen, die ſie ungeſtoͤrt, auf ihrem Zimmer einge¬ ſchloſſen, von niemanden als ihrer Kammerfrau ge¬ ſehen, zubrachte.
In tiefen Gedanken, ganz erfuͤllt von den Hel¬ denthaten jenes Mannes, den die Polen damahls anbeteten wie ein falſches Goͤtzenbild, ſaß Nepomuk eines Tages in ſeinem Zimmer, als die Thuͤr auf¬ ging und Hermenegilda in voller Trauer mit lang herabhaͤngendem Witwenſchleier eintrat. Langſa¬ men feierlichen Schrittes nahte ſie ſich dem Grafen, ließ ſich dann auf die Knie nieder und ſprach mit bebender Stimme: „O mein Vater — Graf Sta¬ nislaus, mein geliebter Gatte, iſt hinuͤber — er fiel als Held im blutigen Kampf: — vor dir kniet ſei¬ ne bejammernswerthe Witwe!“ — Graf Nepo¬ muk mußte dies um ſo mehr fuͤr einen neuen Aus¬ bruch der zerruͤtteten Gemuͤthsſtimmung Hermene¬ gilda's halten, als noch Tages zuvor Nachrichten von dem Wohlbefinden des Grafen Stanislaus ein¬ gelaufen waren. Er hob Hermenegilden ſanft auf,
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um ſie, und ſo geſchah es, daß mehrere Tage ver¬
gingen, die ſie ungeſtoͤrt, auf ihrem Zimmer einge¬
ſchloſſen, von niemanden als ihrer Kammerfrau ge¬
ſehen, zubrachte.
In tiefen Gedanken, ganz erfuͤllt von den Hel¬
denthaten jenes Mannes, den die Polen damahls
anbeteten wie ein falſches Goͤtzenbild, ſaß Nepomuk
eines Tages in ſeinem Zimmer, als die Thuͤr auf¬
ging und Hermenegilda in voller Trauer mit lang
herabhaͤngendem Witwenſchleier eintrat. Langſa¬
men feierlichen Schrittes nahte ſie ſich dem Grafen,
ließ ſich dann auf die Knie nieder und ſprach mit
bebender Stimme: „O mein Vater — Graf Sta¬
nislaus, mein geliebter Gatte, iſt hinuͤber — er fiel
als Held im blutigen Kampf: — vor dir kniet ſei¬
ne bejammernswerthe Witwe!“ — Graf Nepo¬
muk mußte dies um ſo mehr fuͤr einen neuen Aus¬
bruch der zerruͤtteten Gemuͤthsſtimmung Hermene¬
gilda's halten, als noch Tages zuvor Nachrichten
von dem Wohlbefinden des Grafen Stanislaus ein¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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