indem er sprach: "Beruhige dich liebe Tochter, Stanislaus ist wohl, bald eilt er in deine Arme." -- Da athmete Hermenegilda auf wie im schweren Todesseufzer und sank von wildem Schmerz zerrissen neben dem Grafen hin in die Polster des Sophas. Doch nach wenigen Sekunden wieder zu sich selbst gekommen, sprach sie mit wunderbarer Ruhe und Fassung: "Laß es mich dir sagen, lieber Vater! wie sich alles begeben, denn du mußt es wissen, da¬ mit du in mir die Witwe des Grafen Stanislaus von R..erkennest. -- Wisse, daß ich vor sechs Tagen in der Abenddämmerung mich in dem Pavil¬ lon an der Südseite unseres Parks befand. Alle meine Gedanken, mein ganzes Wesen dem Geliebten zugewendet, fühlt' ich meine Augen sich unwillkühr¬ lich schließen, nicht in Schlaf, nein, in einen seltsa¬ men Zustand versank ich, den ich nicht anders nen¬ nen kann, als waches Träumen. Aber bald schwirr¬ te und dröhnte es um mich her, ich vernahm ein wildes Getümmel, es fiel ganz in der Nähe Schuß auf Schuß. Ich fuhr auf, und war nicht wenig er¬
indem er ſprach: „Beruhige dich liebe Tochter, Stanislaus iſt wohl, bald eilt er in deine Arme.“ — Da athmete Hermenegilda auf wie im ſchweren Todesſeufzer und ſank von wildem Schmerz zerriſſen neben dem Grafen hin in die Polſter des Sophas. Doch nach wenigen Sekunden wieder zu ſich ſelbſt gekommen, ſprach ſie mit wunderbarer Ruhe und Faſſung: „Laß es mich dir ſagen, lieber Vater! wie ſich alles begeben, denn du mußt es wiſſen, da¬ mit du in mir die Witwe des Grafen Stanislaus von R..erkenneſt. — Wiſſe, daß ich vor ſechs Tagen in der Abenddaͤmmerung mich in dem Pavil¬ lon an der Suͤdſeite unſeres Parks befand. Alle meine Gedanken, mein ganzes Weſen dem Geliebten zugewendet, fuͤhlt' ich meine Augen ſich unwillkuͤhr¬ lich ſchließen, nicht in Schlaf, nein, in einen ſeltſa¬ men Zuſtand verſank ich, den ich nicht anders nen¬ nen kann, als waches Traͤumen. Aber bald ſchwirr¬ te und droͤhnte es um mich her, ich vernahm ein wildes Getuͤmmel, es fiel ganz in der Naͤhe Schuß auf Schuß. Ich fuhr auf, und war nicht wenig er¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0305"n="297"/>
indem er ſprach: „Beruhige dich liebe Tochter,<lb/>
Stanislaus iſt wohl, bald eilt er in deine Arme.“<lb/>— Da athmete Hermenegilda auf wie im ſchweren<lb/>
Todesſeufzer und ſank von wildem Schmerz zerriſſen<lb/>
neben dem Grafen hin in die Polſter des Sophas.<lb/>
Doch nach wenigen Sekunden wieder zu ſich ſelbſt<lb/>
gekommen, ſprach ſie mit wunderbarer Ruhe und<lb/>
Faſſung: „Laß es mich dir ſagen, lieber Vater!<lb/>
wie ſich alles begeben, denn du mußt es wiſſen, da¬<lb/>
mit du in mir die Witwe des Grafen Stanislaus<lb/>
von R..erkenneſt. — Wiſſe, daß ich vor ſechs<lb/>
Tagen in der Abenddaͤmmerung mich in dem Pavil¬<lb/>
lon an der Suͤdſeite unſeres Parks befand. Alle<lb/>
meine Gedanken, mein ganzes Weſen dem Geliebten<lb/>
zugewendet, fuͤhlt' ich meine Augen ſich unwillkuͤhr¬<lb/>
lich ſchließen, nicht in Schlaf, nein, in einen ſeltſa¬<lb/>
men Zuſtand verſank ich, den ich nicht anders nen¬<lb/>
nen kann, als waches Traͤumen. Aber bald ſchwirr¬<lb/>
te und droͤhnte es um mich her, ich vernahm ein<lb/>
wildes Getuͤmmel, es fiel ganz in der Naͤhe Schuß<lb/>
auf Schuß. Ich fuhr auf, und war nicht wenig er¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[297/0305]
indem er ſprach: „Beruhige dich liebe Tochter,
Stanislaus iſt wohl, bald eilt er in deine Arme.“
— Da athmete Hermenegilda auf wie im ſchweren
Todesſeufzer und ſank von wildem Schmerz zerriſſen
neben dem Grafen hin in die Polſter des Sophas.
Doch nach wenigen Sekunden wieder zu ſich ſelbſt
gekommen, ſprach ſie mit wunderbarer Ruhe und
Faſſung: „Laß es mich dir ſagen, lieber Vater!
wie ſich alles begeben, denn du mußt es wiſſen, da¬
mit du in mir die Witwe des Grafen Stanislaus
von R..erkenneſt. — Wiſſe, daß ich vor ſechs
Tagen in der Abenddaͤmmerung mich in dem Pavil¬
lon an der Suͤdſeite unſeres Parks befand. Alle
meine Gedanken, mein ganzes Weſen dem Geliebten
zugewendet, fuͤhlt' ich meine Augen ſich unwillkuͤhr¬
lich ſchließen, nicht in Schlaf, nein, in einen ſeltſa¬
men Zuſtand verſank ich, den ich nicht anders nen¬
nen kann, als waches Traͤumen. Aber bald ſchwirr¬
te und droͤhnte es um mich her, ich vernahm ein
wildes Getuͤmmel, es fiel ganz in der Naͤhe Schuß
auf Schuß. Ich fuhr auf, und war nicht wenig er¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/305>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.