niemals wieder sehen werde -- daß in der letzten Zeit ihr verstörtes Wesen ihm Grauen und Ent¬ setzen erregt -- daß er Verzicht geleistet auf alles Glück der Liebe, daß er nun erst in der an Wahnsinn gränzenden Treue Hermenegilda's, die Treulosigkeit, die er an dem Freunde begehen wollen, zu seiner tiefsten Beschämung fühle, daß schleunige Flucht sein einziges Rettungsmittel sey. Graf Nepomuk begriff alles nicht, nur schien es ihm endlich klar zu werden, daß Hermenegilda's wahnsinnige Schwärmerei den Jüngling angesteckt. Er suchte ihm dies zu beweisen, doch umsonst. Xaver widerstrebte um so heftiger als dringender Nepomuk ihm die Nothwendigkeit bewies, daß er Hermenegilda von allen Bizarrerien heilen, folglich sie wieder sehen müsse. Schnell war der Streit geendet, als Xaver, wie von unsichtbarer unwiderstehlicher Gewalt getrieben, hinabrannte, sich in den Wagen warf und davon fuhr.
Graf Nepomuk, voller Gram und Zorn über Hermenegilda's Betragen, bekümmerte sich nicht mehr
niemals wieder ſehen werde — daß in der letzten Zeit ihr verſtoͤrtes Weſen ihm Grauen und Ent¬ ſetzen erregt — daß er Verzicht geleiſtet auf alles Gluͤck der Liebe, daß er nun erſt in der an Wahnſinn graͤnzenden Treue Hermenegilda's, die Treuloſigkeit, die er an dem Freunde begehen wollen, zu ſeiner tiefſten Beſchaͤmung fuͤhle, daß ſchleunige Flucht ſein einziges Rettungsmittel ſey. Graf Nepomuk begriff alles nicht, nur ſchien es ihm endlich klar zu werden, daß Hermenegilda's wahnſinnige Schwaͤrmerei den Juͤngling angeſteckt. Er ſuchte ihm dies zu beweiſen, doch umſonſt. Xaver widerſtrebte um ſo heftiger als dringender Nepomuk ihm die Nothwendigkeit bewies, daß er Hermenegilda von allen Bizarrerien heilen, folglich ſie wieder ſehen muͤſſe. Schnell war der Streit geendet, als Xaver, wie von unſichtbarer unwiderſtehlicher Gewalt getrieben, hinabrannte, ſich in den Wagen warf und davon fuhr.
Graf Nepomuk, voller Gram und Zorn uͤber Hermenegilda's Betragen, bekuͤmmerte ſich nicht mehr
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niemals wieder ſehen werde — daß in der letzten
Zeit ihr verſtoͤrtes Weſen ihm Grauen und Ent¬
ſetzen erregt — daß er Verzicht geleiſtet auf alles
Gluͤck der Liebe, daß er nun erſt in der an
Wahnſinn graͤnzenden Treue Hermenegilda's, die
Treuloſigkeit, die er an dem Freunde begehen
wollen, zu ſeiner tiefſten Beſchaͤmung fuͤhle, daß
ſchleunige Flucht ſein einziges Rettungsmittel ſey.
Graf Nepomuk begriff alles nicht, nur ſchien es
ihm endlich klar zu werden, daß Hermenegilda's
wahnſinnige Schwaͤrmerei den Juͤngling angeſteckt.
Er ſuchte ihm dies zu beweiſen, doch umſonſt.
Xaver widerſtrebte um ſo heftiger als dringender
Nepomuk ihm die Nothwendigkeit bewies, daß
er Hermenegilda von allen Bizarrerien heilen,
folglich ſie wieder ſehen muͤſſe. Schnell war der
Streit geendet, als Xaver, wie von unſichtbarer
unwiderſtehlicher Gewalt getrieben, hinabrannte,
ſich in den Wagen warf und davon fuhr.
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Hermenegilda's Betragen, bekuͤmmerte ſich nicht mehr
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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