Zimmer -- "Sie ist todt" -- mit diesem Schrey stürzte ich dem Alten entgegen -- "Und du bist när¬ risch!" fiel er gelassen ein, faßte mich, und drückte mich in einen Stuhl. Ich muß hinab, schrie ich, ich muß hinab, sie sehen, und sollt' es mir das Le¬ ben kosten! -- "Thue das, lieber Vetter," sprach der Alte, indem er die Thür verschloß, den Schlüs¬ sel abzog und in die Tasche steckte. Nun flammte ich auf in toller Wuth, ich griff nach der geladenen Büchse, und schrie: "Hier vor Ihren Augen jage ich mir die Kugel durch den Kopf, wenn Sie nicht sogleich mir die Thür öffnen." Da trat der Alte dicht vor mir hin, und sprach, indem er mich mit durch¬ bohrendem Blick ins Auge faßte: "Glaubst du, Knabe, daß du mich mit deiner armseligen Drohung erschrecken kannst? -- Glaubst du, daß mir dein Leben was werth ist, wenn du vermagst, es in kin¬ discher Albernheit, wie ein abgenutztes Spielzeug, wegzuwerfen? -- Was hast du mit dem Weibe des Barons zu schaffen? -- wer gibt dir das Recht, dich, wie ein überlästiger Geck, da hinzudrängen,
Zimmer — „Sie iſt todt“ — mit dieſem Schrey ſtuͤrzte ich dem Alten entgegen — „Und du biſt naͤr¬ riſch!“ fiel er gelaſſen ein, faßte mich, und druͤckte mich in einen Stuhl. Ich muß hinab, ſchrie ich, ich muß hinab, ſie ſehen, und ſollt' es mir das Le¬ ben koſten! — „Thue das, lieber Vetter,“ ſprach der Alte, indem er die Thuͤr verſchloß, den Schluͤſ¬ ſel abzog und in die Taſche ſteckte. Nun flammte ich auf in toller Wuth, ich griff nach der geladenen Buͤchſe, und ſchrie: „Hier vor Ihren Augen jage ich mir die Kugel durch den Kopf, wenn Sie nicht ſogleich mir die Thuͤr oͤffnen.“ Da trat der Alte dicht vor mir hin, und ſprach, indem er mich mit durch¬ bohrendem Blick ins Auge faßte: „Glaubſt du, Knabe, daß du mich mit deiner armſeligen Drohung erſchrecken kannſt? — Glaubſt du, daß mir dein Leben was werth iſt, wenn du vermagſt, es in kin¬ diſcher Albernheit, wie ein abgenutztes Spielzeug, wegzuwerfen? — Was haſt du mit dem Weibe des Barons zu ſchaffen? — wer gibt dir das Recht, dich, wie ein uͤberlaͤſtiger Geck, da hinzudraͤngen,
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Zimmer — „Sie iſt todt“ — mit dieſem Schrey
ſtuͤrzte ich dem Alten entgegen — „Und du biſt naͤr¬
riſch!“ fiel er gelaſſen ein, faßte mich, und druͤckte
mich in einen Stuhl. Ich muß hinab, ſchrie ich,
ich muß hinab, ſie ſehen, und ſollt' es mir das Le¬
ben koſten! — „Thue das, lieber Vetter,“ ſprach
der Alte, indem er die Thuͤr verſchloß, den Schluͤſ¬
ſel abzog und in die Taſche ſteckte. Nun flammte
ich auf in toller Wuth, ich griff nach der geladenen
Buͤchſe, und ſchrie: „Hier vor Ihren Augen jage
ich mir die Kugel durch den Kopf, wenn Sie nicht
ſogleich mir die Thuͤr oͤffnen.“ Da trat der Alte
dicht vor mir hin, und ſprach, indem er mich mit durch¬
bohrendem Blick ins Auge faßte: „Glaubſt du,
Knabe, daß du mich mit deiner armſeligen Drohung
erſchrecken kannſt? — Glaubſt du, daß mir dein
Leben was werth iſt, wenn du vermagſt, es in kin¬
diſcher Albernheit, wie ein abgenutztes Spielzeug,
wegzuwerfen? — Was haſt du mit dem Weibe des
Barons zu ſchaffen? — wer gibt dir das Recht,
dich, wie ein uͤberlaͤſtiger Geck, da hinzudraͤngen,
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/156>, abgerufen am 22.11.2024.
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