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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Sie sprechen, lieber V.?" -- "Warum hast du dich
angezogen, Vetter, der Baron hat nur nach mir
verlangt?" frug der Alte, im Begriff herauszutre¬
ten. Ich muß hinab -- ich muß sie sehen und
dann sterben, sprach ich dumpf und wie vernichtet
vom trostlosen Schmerz. "Ja so! da hast du Recht,
Vetter!" Dies sprechend warf mir der Alte die
Thür vor der Nase zu, daß die Angeln klirrten,
und verschloß sie von draußen. Im ersten Augen¬
blick, über diesen Zwang empört, wollt' ich die Thür
einrennen, aber mich schnell besinnend, daß dieses
nur die verderblichen Folgen einer ungezügelten Ra¬
serei haben könne, beschloß ich, die Rückkehr des
Alten abzuwarten, dann aber, koste es was es wolle,
seiner Aufsicht zu entschlüpfen. Ich hörte den Alten
heftig mit dem Baron reden, ich hörte mehrmals
meinen Namen nennen, ohne weiteres verstehen zu
können -- Mit jeder Sekunde wurde mir meine
Lage tödtlicher. -- Endlich vernahm ich, wie dem
Baron eine Botschaft gebracht wurde, und wie er
schnell davon rannte. Der Alte trat wieder in das

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Sie ſprechen, lieber V.?“ — „Warum haſt du dich
angezogen, Vetter, der Baron hat nur nach mir
verlangt?“ frug der Alte, im Begriff herauszutre¬
ten. Ich muß hinab — ich muß ſie ſehen und
dann ſterben, ſprach ich dumpf und wie vernichtet
vom troſtloſen Schmerz. „Ja ſo! da haſt du Recht,
Vetter!“ Dies ſprechend warf mir der Alte die
Thuͤr vor der Naſe zu, daß die Angeln klirrten,
und verſchloß ſie von draußen. Im erſten Augen¬
blick, uͤber dieſen Zwang empoͤrt, wollt' ich die Thuͤr
einrennen, aber mich ſchnell beſinnend, daß dieſes
nur die verderblichen Folgen einer ungezuͤgelten Ra¬
ſerei haben koͤnne, beſchloß ich, die Ruͤckkehr des
Alten abzuwarten, dann aber, koſte es was es wolle,
ſeiner Aufſicht zu entſchluͤpfen. Ich hoͤrte den Alten
heftig mit dem Baron reden, ich hoͤrte mehrmals
meinen Namen nennen, ohne weiteres verſtehen zu
koͤnnen — Mit jeder Sekunde wurde mir meine
Lage toͤdtlicher. — Endlich vernahm ich, wie dem
Baron eine Botſchaft gebracht wurde, und wie er
ſchnell davon rannte. Der Alte trat wieder in das

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[147/0155] Sie ſprechen, lieber V.?“ — „Warum haſt du dich angezogen, Vetter, der Baron hat nur nach mir verlangt?“ frug der Alte, im Begriff herauszutre¬ ten. Ich muß hinab — ich muß ſie ſehen und dann ſterben, ſprach ich dumpf und wie vernichtet vom troſtloſen Schmerz. „Ja ſo! da haſt du Recht, Vetter!“ Dies ſprechend warf mir der Alte die Thuͤr vor der Naſe zu, daß die Angeln klirrten, und verſchloß ſie von draußen. Im erſten Augen¬ blick, uͤber dieſen Zwang empoͤrt, wollt' ich die Thuͤr einrennen, aber mich ſchnell beſinnend, daß dieſes nur die verderblichen Folgen einer ungezuͤgelten Ra¬ ſerei haben koͤnne, beſchloß ich, die Ruͤckkehr des Alten abzuwarten, dann aber, koſte es was es wolle, ſeiner Aufſicht zu entſchluͤpfen. Ich hoͤrte den Alten heftig mit dem Baron reden, ich hoͤrte mehrmals meinen Namen nennen, ohne weiteres verſtehen zu koͤnnen — Mit jeder Sekunde wurde mir meine Lage toͤdtlicher. — Endlich vernahm ich, wie dem Baron eine Botſchaft gebracht wurde, und wie er ſchnell davon rannte. Der Alte trat wieder in das K2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/155>, abgerufen am 22.11.2024.