uns verlassen. Längst hatte ich geendet, und da Se¬ raphine noch immer schwieg, stand ich leise auf, ging an das Instrument, und mühte mich, in anschwel¬ lenden Akkorden tröstende Geister heraufzurufen, die Seraphinen dem finstern Reiche, das sich ihr in mei¬ ner Erzählung erschlossen, entführen sollten. Bald intonirte ich so zart, als ich es vermochte, eine jener heiligen Canzonen des Abbate Steffani. In den wehmuthsvollen Klängen des: Ochi, perche piangete -- erwachte Seraphine aus düstern Träumen, und horchte mild lächelnd, glänzende Perlen in den Augen, mir zu. -- Wie geschah es denn, daß ich vor ihr hinkniete, daß sie sich zu mir herabbeugte, daß ich sie mit meinen Ar¬ men umschlang, daß ein langer glühender Kuß auf meinen Lippen brannte? -- Wie geschah es denn, daß ich nicht die Besinnung verlor, daß ich es fühlte, wie sie sanft mich an sich drückte, daß ich sie aus meinen Armen ließ, und schnell mich emporrichtend an das Instrument trat? Von mir abgewendet ging die Baronin einige Schritte nach
uns verlaſſen. Laͤngſt hatte ich geendet, und da Se¬ raphine noch immer ſchwieg, ſtand ich leiſe auf, ging an das Inſtrument, und muͤhte mich, in anſchwel¬ lenden Akkorden troͤſtende Geiſter heraufzurufen, die Seraphinen dem finſtern Reiche, das ſich ihr in mei¬ ner Erzaͤhlung erſchloſſen, entfuͤhren ſollten. Bald intonirte ich ſo zart, als ich es vermochte, eine jener heiligen Canzonen des Abbate Steffani. In den wehmuthsvollen Klaͤngen des: Ochi, perchè piangete — erwachte Seraphine aus duͤſtern Traͤumen, und horchte mild laͤchelnd, glaͤnzende Perlen in den Augen, mir zu. — Wie geſchah es denn, daß ich vor ihr hinkniete, daß ſie ſich zu mir herabbeugte, daß ich ſie mit meinen Ar¬ men umſchlang, daß ein langer gluͤhender Kuß auf meinen Lippen brannte? — Wie geſchah es denn, daß ich nicht die Beſinnung verlor, daß ich es fuͤhlte, wie ſie ſanft mich an ſich druͤckte, daß ich ſie aus meinen Armen ließ, und ſchnell mich emporrichtend an das Inſtrument trat? Von mir abgewendet ging die Baronin einige Schritte nach
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raphine noch immer ſchwieg, ſtand ich leiſe auf, ging
an das Inſtrument, und muͤhte mich, in anſchwel¬
lenden Akkorden troͤſtende Geiſter heraufzurufen, die
Seraphinen dem finſtern Reiche, das ſich ihr in mei¬
ner Erzaͤhlung erſchloſſen, entfuͤhren ſollten. Bald
intonirte ich ſo zart, als ich es vermochte, eine
jener heiligen Canzonen des Abbate Steffani. In
den wehmuthsvollen Klaͤngen des: O chi, perchè
piangete — erwachte Seraphine aus duͤſtern
Traͤumen, und horchte mild laͤchelnd, glaͤnzende
Perlen in den Augen, mir zu. — Wie geſchah
es denn, daß ich vor ihr hinkniete, daß ſie ſich
zu mir herabbeugte, daß ich ſie mit meinen Ar¬
men umſchlang, daß ein langer gluͤhender Kuß
auf meinen Lippen brannte? — Wie geſchah es
denn, daß ich nicht die Beſinnung verlor, daß ich
es fuͤhlte, wie ſie ſanft mich an ſich druͤckte, daß
ich ſie aus meinen Armen ließ, und ſchnell mich
emporrichtend an das Inſtrument trat? Von mir
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/151>, abgerufen am 22.11.2024.
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