rief die Baronin heftig: "Nein, nein -- es ist Ihnen irgend etwas Entsetzliches geschehen in jenem Saal, den ich nie ohne Schauer betrete! -- ich be¬ schwöre Sie -- sagen Sie mir Alles! --
Zur Todtenblässe war Seraphinens Gesicht ver¬ bleicht, ich sah wohl ein, daß es nun gerathener sey, alles, was mir widerfahren, getreulich zu erzählen, als Seraphinens aufgeregter Fantasie es zu überlas¬ sen, vielleicht einen Spuk, der, in mir unbekannter Beziehung, noch schrecklicher seyn konnte, als der erlebte, sich auszubilden: Sie hörte mich an, und immer mehr und mehr stieg ihre Beklommenheit und Angst. Als ich des Kratzens an der Wand er¬ wähnte, schrie sie auf: "das ist entsetzlich -- ja, ja -- in dieser Mauer ist jenes fürchterliche Geheim¬ niß verborgen! --" Als ich dann weiter erzählte, wie der Alte mit geistiger Gewalt und Uebermacht den Spuk gebannt, seufzte sie tief, als würde sie frey von einer schweren Last, die ihre Brust ge¬ drückt. Sich zurücklehnend, hielt sie beide Hände vor's Gesicht. Erst jetzt bemerkte ich, daß Adelheid
rief die Baronin heftig: „Nein, nein — es iſt Ihnen irgend etwas Entſetzliches geſchehen in jenem Saal, den ich nie ohne Schauer betrete! — ich be¬ ſchwoͤre Sie — ſagen Sie mir Alles! —
Zur Todtenblaͤſſe war Seraphinens Geſicht ver¬ bleicht, ich ſah wohl ein, daß es nun gerathener ſey, alles, was mir widerfahren, getreulich zu erzaͤhlen, als Seraphinens aufgeregter Fantaſie es zu uͤberlaſ¬ ſen, vielleicht einen Spuk, der, in mir unbekannter Beziehung, noch ſchrecklicher ſeyn konnte, als der erlebte, ſich auszubilden: Sie hoͤrte mich an, und immer mehr und mehr ſtieg ihre Beklommenheit und Angſt. Als ich des Kratzens an der Wand er¬ waͤhnte, ſchrie ſie auf: „das iſt entſetzlich — ja, ja — in dieſer Mauer iſt jenes fuͤrchterliche Geheim¬ niß verborgen! —“ Als ich dann weiter erzaͤhlte, wie der Alte mit geiſtiger Gewalt und Uebermacht den Spuk gebannt, ſeufzte ſie tief, als wuͤrde ſie frey von einer ſchweren Laſt, die ihre Bruſt ge¬ druͤckt. Sich zuruͤcklehnend, hielt ſie beide Haͤnde vor's Geſicht. Erſt jetzt bemerkte ich, daß Adelheid
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rief die Baronin heftig: „Nein, nein — es iſt
Ihnen irgend etwas Entſetzliches geſchehen in jenem
Saal, den ich nie ohne Schauer betrete! — ich be¬
ſchwoͤre Sie — ſagen Sie mir Alles! —
Zur Todtenblaͤſſe war Seraphinens Geſicht ver¬
bleicht, ich ſah wohl ein, daß es nun gerathener ſey,
alles, was mir widerfahren, getreulich zu erzaͤhlen,
als Seraphinens aufgeregter Fantaſie es zu uͤberlaſ¬
ſen, vielleicht einen Spuk, der, in mir unbekannter
Beziehung, noch ſchrecklicher ſeyn konnte, als der
erlebte, ſich auszubilden: Sie hoͤrte mich an, und
immer mehr und mehr ſtieg ihre Beklommenheit
und Angſt. Als ich des Kratzens an der Wand er¬
waͤhnte, ſchrie ſie auf: „das iſt entſetzlich — ja, ja
— in dieſer Mauer iſt jenes fuͤrchterliche Geheim¬
niß verborgen! —“ Als ich dann weiter erzaͤhlte,
wie der Alte mit geiſtiger Gewalt und Uebermacht
den Spuk gebannt, ſeufzte ſie tief, als wuͤrde ſie
frey von einer ſchweren Laſt, die ihre Bruſt ge¬
druͤckt. Sich zuruͤcklehnend, hielt ſie beide Haͤnde
vor's Geſicht. Erſt jetzt bemerkte ich, daß Adelheid
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/150>, abgerufen am 14.10.2024.
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