steres Familiengeheimniß, das in diesen Mauern verschlossen, wie ein entsetzlicher Spuk, die Besitzer wegtreibt, und es ihnen nur möglich macht, eine kurze Zeit hindurch im lauten wilden Gewühl aus¬ zudauern. Aber ich! -- wie einsam muß ich mich in diesem Gewühl befinden, und wie muß mich das Un¬ heimliche, das aus allen Wänden weht, im Innersten aufregen! Sie, mein lieber Freund! haben mir die ersten heitern Augenblicke, die ich hier verlebte, durch ihre Kunst verschafft! -- wie kann ich Ih¬ nen denn herzlich genug dafür danken! --" Ich küßte die mir dargebotene Hand, indem ich erklärte: daß auch ich gleich am ersten Tage, oder vielmehr in der ersten Nacht, das Unheimliche des Aufent¬ halts bis zum tiefsten Entsetzen gefühlt habe. Die Baronin blickte mir starr ins Gesicht, als ich jenes Unheimliche der Bauart des ganzen Schlosses, vor¬ züglich den Verzierungen im Gerichtssaal, dem sau¬ senden Seewinde u. s. w. zuschrieb. Es kann seyn, daß Ton und Ausdruck darauf hindeuteten, daß ich noch etwas anderes meine, genug, als ich schwieg,
ſteres Familiengeheimniß, das in dieſen Mauern verſchloſſen, wie ein entſetzlicher Spuk, die Beſitzer wegtreibt, und es ihnen nur moͤglich macht, eine kurze Zeit hindurch im lauten wilden Gewuͤhl aus¬ zudauern. Aber ich! — wie einſam muß ich mich in dieſem Gewuͤhl befinden, und wie muß mich das Un¬ heimliche, das aus allen Waͤnden weht, im Innerſten aufregen! Sie, mein lieber Freund! haben mir die erſten heitern Augenblicke, die ich hier verlebte, durch ihre Kunſt verſchafft! — wie kann ich Ih¬ nen denn herzlich genug dafuͤr danken! —“ Ich kuͤßte die mir dargebotene Hand, indem ich erklaͤrte: daß auch ich gleich am erſten Tage, oder vielmehr in der erſten Nacht, das Unheimliche des Aufent¬ halts bis zum tiefſten Entſetzen gefuͤhlt habe. Die Baronin blickte mir ſtarr ins Geſicht, als ich jenes Unheimliche der Bauart des ganzen Schloſſes, vor¬ zuͤglich den Verzierungen im Gerichtsſaal, dem ſau¬ ſenden Seewinde u. ſ. w. zuſchrieb. Es kann ſeyn, daß Ton und Ausdruck darauf hindeuteten, daß ich noch etwas anderes meine, genug, als ich ſchwieg,
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ſteres Familiengeheimniß, das in dieſen Mauern
verſchloſſen, wie ein entſetzlicher Spuk, die Beſitzer
wegtreibt, und es ihnen nur moͤglich macht, eine
kurze Zeit hindurch im lauten wilden Gewuͤhl aus¬
zudauern. Aber ich! — wie einſam muß ich mich in
dieſem Gewuͤhl befinden, und wie muß mich das Un¬
heimliche, das aus allen Waͤnden weht, im Innerſten
aufregen! Sie, mein lieber Freund! haben mir
die erſten heitern Augenblicke, die ich hier verlebte,
durch ihre Kunſt verſchafft! — wie kann ich Ih¬
nen denn herzlich genug dafuͤr danken! —“ Ich
kuͤßte die mir dargebotene Hand, indem ich erklaͤrte:
daß auch ich gleich am erſten Tage, oder vielmehr
in der erſten Nacht, das Unheimliche des Aufent¬
halts bis zum tiefſten Entſetzen gefuͤhlt habe. Die
Baronin blickte mir ſtarr ins Geſicht, als ich jenes
Unheimliche der Bauart des ganzen Schloſſes, vor¬
zuͤglich den Verzierungen im Gerichtsſaal, dem ſau¬
ſenden Seewinde u. ſ. w. zuſchrieb. Es kann ſeyn,
daß Ton und Ausdruck darauf hindeuteten, daß ich
noch etwas anderes meine, genug, als ich ſchwieg,
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/149>, abgerufen am 13.10.2024.
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