unglaublich! -- Ey, ey, mein Freund, was haben Sie mit Seraphinchen angefangen! Noch niemals habe ich sie so gesehen. -- Hu! -- wie jetzt der Puls anfängt zu prickeln! -- wie der todte Herr so plötz¬ lich erwacht ist! -- Nein, kommen Sie -- fein leise -- wir müssen zur kleinen Baronin!" -- Ich ließ mich schweigend fortziehen; die Art, wie Adel, heid von der Baronin sprach, schien mir unwürdig, und vorzüglich die Andeutung des Verständnisses zwischen uns gemein. Als ich mit Adelheid ein¬ trat, kam Seraphine mir mit einem leisen Ach! drey -- vier Schritte rasch entgegen, dann blieb sie, wie sich besinnend, mitten im Zimmer stehen, ich wagte, ihre Hand zu ergreifen, und sie an meine Lippen zu drücken. Die Baronin ließ ihre Hand in der meinigen ruhen, indem sie sprach: "Aber mein Gott, ist es denn ihres Berufs, es mit Wölfen aufzunehmen? Wissen Sie denn nicht, daß Orpheus, Amphions fabelhafte Zeit, längst vorüber ist, und daß die wilden Thiere allen Re¬ spekt vor den vortrefflichsten Sängern ganz ver¬
unglaublich! — Ey, ey, mein Freund, was haben Sie mit Seraphinchen angefangen! Noch niemals habe ich ſie ſo geſehen. — Hu! — wie jetzt der Puls anfaͤngt zu prickeln! — wie der todte Herr ſo ploͤtz¬ lich erwacht iſt! — Nein, kommen Sie — fein leiſe — wir muͤſſen zur kleinen Baronin!“ — Ich ließ mich ſchweigend fortziehen; die Art, wie Adel, heid von der Baronin ſprach, ſchien mir unwuͤrdig, und vorzuͤglich die Andeutung des Verſtaͤndniſſes zwiſchen uns gemein. Als ich mit Adelheid ein¬ trat, kam Seraphine mir mit einem leiſen Ach! drey — vier Schritte raſch entgegen, dann blieb ſie, wie ſich beſinnend, mitten im Zimmer ſtehen, ich wagte, ihre Hand zu ergreifen, und ſie an meine Lippen zu druͤcken. Die Baronin ließ ihre Hand in der meinigen ruhen, indem ſie ſprach: „Aber mein Gott, iſt es denn ihres Berufs, es mit Woͤlfen aufzunehmen? Wiſſen Sie denn nicht, daß Orpheus, Amphions fabelhafte Zeit, laͤngſt voruͤber iſt, und daß die wilden Thiere allen Re¬ ſpekt vor den vortrefflichſten Saͤngern ganz ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0146"n="138"/>
unglaublich! — Ey, ey, mein Freund, was haben<lb/>
Sie mit Seraphinchen angefangen! Noch niemals<lb/>
habe ich ſie ſo geſehen. — Hu! — wie jetzt der Puls<lb/>
anfaͤngt zu prickeln! — wie der todte Herr ſo ploͤtz¬<lb/>
lich erwacht iſt! — Nein, kommen Sie — fein<lb/>
leiſe — wir muͤſſen zur kleinen Baronin!“— Ich<lb/>
ließ mich ſchweigend fortziehen; die Art, wie Adel,<lb/>
heid von der Baronin ſprach, ſchien mir unwuͤrdig,<lb/>
und vorzuͤglich die Andeutung des Verſtaͤndniſſes<lb/>
zwiſchen uns gemein. Als ich mit Adelheid ein¬<lb/>
trat, kam Seraphine mir mit einem leiſen Ach!<lb/>
drey — vier Schritte raſch entgegen, dann blieb ſie,<lb/>
wie ſich beſinnend, mitten im Zimmer ſtehen, ich<lb/>
wagte, ihre Hand zu ergreifen, und ſie an meine<lb/>
Lippen zu druͤcken. Die Baronin ließ ihre Hand<lb/>
in der meinigen ruhen, indem ſie ſprach: „Aber<lb/>
mein Gott, iſt es denn ihres Berufs, es mit<lb/>
Woͤlfen aufzunehmen? Wiſſen Sie denn nicht,<lb/>
daß Orpheus, Amphions fabelhafte Zeit, laͤngſt<lb/>
voruͤber iſt, und daß die wilden Thiere allen Re¬<lb/>ſpekt vor den vortrefflichſten Saͤngern ganz ver¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[138/0146]
unglaublich! — Ey, ey, mein Freund, was haben
Sie mit Seraphinchen angefangen! Noch niemals
habe ich ſie ſo geſehen. — Hu! — wie jetzt der Puls
anfaͤngt zu prickeln! — wie der todte Herr ſo ploͤtz¬
lich erwacht iſt! — Nein, kommen Sie — fein
leiſe — wir muͤſſen zur kleinen Baronin!“ — Ich
ließ mich ſchweigend fortziehen; die Art, wie Adel,
heid von der Baronin ſprach, ſchien mir unwuͤrdig,
und vorzuͤglich die Andeutung des Verſtaͤndniſſes
zwiſchen uns gemein. Als ich mit Adelheid ein¬
trat, kam Seraphine mir mit einem leiſen Ach!
drey — vier Schritte raſch entgegen, dann blieb ſie,
wie ſich beſinnend, mitten im Zimmer ſtehen, ich
wagte, ihre Hand zu ergreifen, und ſie an meine
Lippen zu druͤcken. Die Baronin ließ ihre Hand
in der meinigen ruhen, indem ſie ſprach: „Aber
mein Gott, iſt es denn ihres Berufs, es mit
Woͤlfen aufzunehmen? Wiſſen Sie denn nicht,
daß Orpheus, Amphions fabelhafte Zeit, laͤngſt
voruͤber iſt, und daß die wilden Thiere allen Re¬
ſpekt vor den vortrefflichſten Saͤngern ganz ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/146>, abgerufen am 03.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.