Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

wie die meinige, wohl erzeugt, hatte mich ganz
verlassen und so kam es, daß, als nun endlich das
Pianoforte leidlich gestimmt war, ich, statt, wie ich
gewollt, meine innern Gefühle in Fantasien recht
laut werden zu lassen, in jene süße liebliche Canzo¬
netten verfiel, wie sie aus dem Süden zu uns her¬
über geklungen. Während dieser Senza di te --
dieser: Sentimi idol mio, dieser Almen se non
poss'io
und hundert morir mi sento's und Addio's
und Oh dio's wurden leuchtender und leuchtender
Seraphinens Blicke. Sie hatte sich dicht neben
mir an das Instrument gesetzt, ich fühlte ihren
Athem an meiner Wange spielen; indem sie ihren
Arm hinter mir auf die Stuhllehne stützte, fiel ein
weißes Band, das sich von dem zierlichen Ballkleide
losgenesselt, über meine Schulter und flatterte von
meinen Tönen, von Seraphinens leisen Seufzern
berührt hin und her, wie ein getreuer Liebesbote!
-- Es war zu verwundern, daß ich den Verstand
behielt! -- Als ich mich auf irgend ein neues Lied
besinnend in den Akkorden herumfuhr, sprang

wie die meinige, wohl erzeugt, hatte mich ganz
verlaſſen und ſo kam es, daß, als nun endlich das
Pianoforte leidlich geſtimmt war, ich, ſtatt, wie ich
gewollt, meine innern Gefuͤhle in Fantaſien recht
laut werden zu laſſen, in jene ſuͤße liebliche Canzo¬
netten verfiel, wie ſie aus dem Suͤden zu uns her¬
uͤber geklungen. Waͤhrend dieſer Senza di te
dieſer: Sentimi idol mio, dieſer Almen se non
poss'io
und hundert morir mi sento's und Addio's
und Oh dio's wurden leuchtender und leuchtender
Seraphinens Blicke. Sie hatte ſich dicht neben
mir an das Inſtrument geſetzt, ich fuͤhlte ihren
Athem an meiner Wange ſpielen; indem ſie ihren
Arm hinter mir auf die Stuhllehne ſtuͤtzte, fiel ein
weißes Band, das ſich von dem zierlichen Ballkleide
losgeneſſelt, uͤber meine Schulter und flatterte von
meinen Toͤnen, von Seraphinens leiſen Seufzern
beruͤhrt hin und her, wie ein getreuer Liebesbote!
— Es war zu verwundern, daß ich den Verſtand
behielt! — Als ich mich auf irgend ein neues Lied
beſinnend in den Akkorden herumfuhr, ſprang

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="124"/>
wie die meinige, wohl erzeugt, hatte mich ganz<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;o kam es, daß, als nun endlich das<lb/>
Pianoforte leidlich ge&#x017F;timmt war, ich, &#x017F;tatt, wie ich<lb/>
gewollt, meine innern Gefu&#x0364;hle in Fanta&#x017F;ien recht<lb/>
laut werden zu la&#x017F;&#x017F;en, in jene &#x017F;u&#x0364;ße liebliche Canzo¬<lb/>
netten verfiel, wie &#x017F;ie aus dem Su&#x0364;den zu uns her¬<lb/>
u&#x0364;ber geklungen. Wa&#x0364;hrend die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Senza di te</hi> &#x2014;<lb/>
die&#x017F;er: <hi rendition="#aq">Sentimi idol mio</hi>, die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Almen se non<lb/>
poss'io</hi> und hundert <hi rendition="#aq">morir mi sento</hi>'s und <hi rendition="#aq">Addio</hi>'s<lb/>
und <hi rendition="#aq">Oh dio</hi>'s wurden leuchtender und leuchtender<lb/>
Seraphinens Blicke. Sie hatte &#x017F;ich dicht neben<lb/>
mir an das In&#x017F;trument ge&#x017F;etzt, ich fu&#x0364;hlte ihren<lb/>
Athem an meiner Wange &#x017F;pielen; indem &#x017F;ie ihren<lb/>
Arm hinter mir auf die Stuhllehne &#x017F;tu&#x0364;tzte, fiel ein<lb/>
weißes Band, das &#x017F;ich von dem zierlichen Ballkleide<lb/>
losgene&#x017F;&#x017F;elt, u&#x0364;ber meine Schulter und flatterte von<lb/>
meinen To&#x0364;nen, von Seraphinens lei&#x017F;en Seufzern<lb/>
beru&#x0364;hrt hin und her, wie ein getreuer Liebesbote!<lb/>
&#x2014; Es war zu verwundern, daß ich den Ver&#x017F;tand<lb/>
behielt! &#x2014; Als ich mich auf irgend ein neues Lied<lb/>
be&#x017F;innend in den Akkorden herumfuhr, &#x017F;prang<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0132] wie die meinige, wohl erzeugt, hatte mich ganz verlaſſen und ſo kam es, daß, als nun endlich das Pianoforte leidlich geſtimmt war, ich, ſtatt, wie ich gewollt, meine innern Gefuͤhle in Fantaſien recht laut werden zu laſſen, in jene ſuͤße liebliche Canzo¬ netten verfiel, wie ſie aus dem Suͤden zu uns her¬ uͤber geklungen. Waͤhrend dieſer Senza di te — dieſer: Sentimi idol mio, dieſer Almen se non poss'io und hundert morir mi sento's und Addio's und Oh dio's wurden leuchtender und leuchtender Seraphinens Blicke. Sie hatte ſich dicht neben mir an das Inſtrument geſetzt, ich fuͤhlte ihren Athem an meiner Wange ſpielen; indem ſie ihren Arm hinter mir auf die Stuhllehne ſtuͤtzte, fiel ein weißes Band, das ſich von dem zierlichen Ballkleide losgeneſſelt, uͤber meine Schulter und flatterte von meinen Toͤnen, von Seraphinens leiſen Seufzern beruͤhrt hin und her, wie ein getreuer Liebesbote! — Es war zu verwundern, daß ich den Verſtand behielt! — Als ich mich auf irgend ein neues Lied beſinnend in den Akkorden herumfuhr, ſprang

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/132
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/132>, abgerufen am 23.11.2024.