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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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grund der Hölle. Die Zeit des schäferischen
Schmachtens, des Liebesunglücks in kindischer
Selbstbethörung hatte mir der alte Großonkel längst
weg ironirt, und wohl merkt' ich, daß die Baronin
tiefer und mächtiger, als noch bis jetzt eine Frau,
mich in meinem innersten Gemüth gefaßt hatte.
Ich sah, ich hörte nur sie, aber bewußt war ich
mir deutlich und bestimmt, daß es abgeschmackt,
ja wahnsinnig seyn würde, irgend eine Liebelei zu
wagen, wiewohl ich auch die Unmöglichkeit einsah,
wie ein verliebter Knabe von weitem zu staunen und
anzubeten, dessen ich mich selbst hätte schämen müs¬
sen. Der herrlichen Frau näher zu treten, ohne
ihr nur mein inneres Gefühl ahnen zu lassen, das
süße Gift ihrer Blicke, ihrer Worte einsaugen
und dann fern von ihr, sie lange, vielleicht immer¬
dar im Herzen tragen, das wollte und konnte ich.
Diese romantische, ja wohl ritterliche Liebe, wie
sie mir aufging in schlafloser Nacht, spannte mich
dermaßen, daß ich kindisch genug war, mich selbst
auf pathetische Weise zu haranguiren und zuletzt

grund der Hoͤlle. Die Zeit des ſchaͤferiſchen
Schmachtens, des Liebesungluͤcks in kindiſcher
Selbſtbethoͤrung hatte mir der alte Großonkel laͤngſt
weg ironirt, und wohl merkt' ich, daß die Baronin
tiefer und maͤchtiger, als noch bis jetzt eine Frau,
mich in meinem innerſten Gemuͤth gefaßt hatte.
Ich ſah, ich hoͤrte nur ſie, aber bewußt war ich
mir deutlich und beſtimmt, daß es abgeſchmackt,
ja wahnſinnig ſeyn wuͤrde, irgend eine Liebelei zu
wagen, wiewohl ich auch die Unmoͤglichkeit einſah,
wie ein verliebter Knabe von weitem zu ſtaunen und
anzubeten, deſſen ich mich ſelbſt haͤtte ſchaͤmen muͤſ¬
ſen. Der herrlichen Frau naͤher zu treten, ohne
ihr nur mein inneres Gefuͤhl ahnen zu laſſen, das
ſuͤße Gift ihrer Blicke, ihrer Worte einſaugen
und dann fern von ihr, ſie lange, vielleicht immer¬
dar im Herzen tragen, das wollte und konnte ich.
Dieſe romantiſche, ja wohl ritterliche Liebe, wie
ſie mir aufging in ſchlafloſer Nacht, ſpannte mich
dermaßen, daß ich kindiſch genug war, mich ſelbſt
auf pathetiſche Weiſe zu haranguiren und zuletzt

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[111/0119] grund der Hoͤlle. Die Zeit des ſchaͤferiſchen Schmachtens, des Liebesungluͤcks in kindiſcher Selbſtbethoͤrung hatte mir der alte Großonkel laͤngſt weg ironirt, und wohl merkt' ich, daß die Baronin tiefer und maͤchtiger, als noch bis jetzt eine Frau, mich in meinem innerſten Gemuͤth gefaßt hatte. Ich ſah, ich hoͤrte nur ſie, aber bewußt war ich mir deutlich und beſtimmt, daß es abgeſchmackt, ja wahnſinnig ſeyn wuͤrde, irgend eine Liebelei zu wagen, wiewohl ich auch die Unmoͤglichkeit einſah, wie ein verliebter Knabe von weitem zu ſtaunen und anzubeten, deſſen ich mich ſelbſt haͤtte ſchaͤmen muͤſ¬ ſen. Der herrlichen Frau naͤher zu treten, ohne ihr nur mein inneres Gefuͤhl ahnen zu laſſen, das ſuͤße Gift ihrer Blicke, ihrer Worte einſaugen und dann fern von ihr, ſie lange, vielleicht immer¬ dar im Herzen tragen, das wollte und konnte ich. Dieſe romantiſche, ja wohl ritterliche Liebe, wie ſie mir aufging in ſchlafloſer Nacht, ſpannte mich dermaßen, daß ich kindiſch genug war, mich ſelbſt auf pathetiſche Weiſe zu haranguiren und zuletzt

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/119>, abgerufen am 23.11.2024.