grund der Hölle. Die Zeit des schäferischen Schmachtens, des Liebesunglücks in kindischer Selbstbethörung hatte mir der alte Großonkel längst weg ironirt, und wohl merkt' ich, daß die Baronin tiefer und mächtiger, als noch bis jetzt eine Frau, mich in meinem innersten Gemüth gefaßt hatte. Ich sah, ich hörte nur sie, aber bewußt war ich mir deutlich und bestimmt, daß es abgeschmackt, ja wahnsinnig seyn würde, irgend eine Liebelei zu wagen, wiewohl ich auch die Unmöglichkeit einsah, wie ein verliebter Knabe von weitem zu staunen und anzubeten, dessen ich mich selbst hätte schämen müs¬ sen. Der herrlichen Frau näher zu treten, ohne ihr nur mein inneres Gefühl ahnen zu lassen, das süße Gift ihrer Blicke, ihrer Worte einsaugen und dann fern von ihr, sie lange, vielleicht immer¬ dar im Herzen tragen, das wollte und konnte ich. Diese romantische, ja wohl ritterliche Liebe, wie sie mir aufging in schlafloser Nacht, spannte mich dermaßen, daß ich kindisch genug war, mich selbst auf pathetische Weise zu haranguiren und zuletzt
grund der Hoͤlle. Die Zeit des ſchaͤferiſchen Schmachtens, des Liebesungluͤcks in kindiſcher Selbſtbethoͤrung hatte mir der alte Großonkel laͤngſt weg ironirt, und wohl merkt' ich, daß die Baronin tiefer und maͤchtiger, als noch bis jetzt eine Frau, mich in meinem innerſten Gemuͤth gefaßt hatte. Ich ſah, ich hoͤrte nur ſie, aber bewußt war ich mir deutlich und beſtimmt, daß es abgeſchmackt, ja wahnſinnig ſeyn wuͤrde, irgend eine Liebelei zu wagen, wiewohl ich auch die Unmoͤglichkeit einſah, wie ein verliebter Knabe von weitem zu ſtaunen und anzubeten, deſſen ich mich ſelbſt haͤtte ſchaͤmen muͤſ¬ ſen. Der herrlichen Frau naͤher zu treten, ohne ihr nur mein inneres Gefuͤhl ahnen zu laſſen, das ſuͤße Gift ihrer Blicke, ihrer Worte einſaugen und dann fern von ihr, ſie lange, vielleicht immer¬ dar im Herzen tragen, das wollte und konnte ich. Dieſe romantiſche, ja wohl ritterliche Liebe, wie ſie mir aufging in ſchlafloſer Nacht, ſpannte mich dermaßen, daß ich kindiſch genug war, mich ſelbſt auf pathetiſche Weiſe zu haranguiren und zuletzt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0119"n="111"/>
grund der Hoͤlle. Die Zeit des ſchaͤferiſchen<lb/>
Schmachtens, des Liebesungluͤcks in kindiſcher<lb/>
Selbſtbethoͤrung hatte mir der alte Großonkel laͤngſt<lb/>
weg ironirt, und wohl merkt' ich, daß die Baronin<lb/>
tiefer und maͤchtiger, als noch bis jetzt eine Frau,<lb/>
mich in meinem innerſten Gemuͤth gefaßt hatte.<lb/>
Ich ſah, ich hoͤrte nur ſie, aber bewußt war ich<lb/>
mir deutlich und beſtimmt, daß es abgeſchmackt,<lb/>
ja wahnſinnig ſeyn wuͤrde, irgend eine Liebelei zu<lb/>
wagen, wiewohl ich auch die Unmoͤglichkeit einſah,<lb/>
wie ein verliebter Knabe von weitem zu ſtaunen und<lb/>
anzubeten, deſſen ich mich ſelbſt haͤtte ſchaͤmen muͤſ¬<lb/>ſen. Der herrlichen Frau naͤher zu treten, ohne<lb/>
ihr nur mein inneres Gefuͤhl ahnen zu laſſen, das<lb/>ſuͤße Gift ihrer Blicke, ihrer Worte einſaugen<lb/>
und dann fern von ihr, ſie lange, vielleicht immer¬<lb/>
dar im Herzen tragen, das wollte und konnte ich.<lb/>
Dieſe romantiſche, ja wohl ritterliche Liebe, wie<lb/>ſie mir aufging in ſchlafloſer Nacht, ſpannte mich<lb/>
dermaßen, daß ich kindiſch genug war, mich ſelbſt<lb/>
auf pathetiſche Weiſe zu haranguiren und zuletzt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[111/0119]
grund der Hoͤlle. Die Zeit des ſchaͤferiſchen
Schmachtens, des Liebesungluͤcks in kindiſcher
Selbſtbethoͤrung hatte mir der alte Großonkel laͤngſt
weg ironirt, und wohl merkt' ich, daß die Baronin
tiefer und maͤchtiger, als noch bis jetzt eine Frau,
mich in meinem innerſten Gemuͤth gefaßt hatte.
Ich ſah, ich hoͤrte nur ſie, aber bewußt war ich
mir deutlich und beſtimmt, daß es abgeſchmackt,
ja wahnſinnig ſeyn wuͤrde, irgend eine Liebelei zu
wagen, wiewohl ich auch die Unmoͤglichkeit einſah,
wie ein verliebter Knabe von weitem zu ſtaunen und
anzubeten, deſſen ich mich ſelbſt haͤtte ſchaͤmen muͤſ¬
ſen. Der herrlichen Frau naͤher zu treten, ohne
ihr nur mein inneres Gefuͤhl ahnen zu laſſen, das
ſuͤße Gift ihrer Blicke, ihrer Worte einſaugen
und dann fern von ihr, ſie lange, vielleicht immer¬
dar im Herzen tragen, das wollte und konnte ich.
Dieſe romantiſche, ja wohl ritterliche Liebe, wie
ſie mir aufging in ſchlafloſer Nacht, ſpannte mich
dermaßen, daß ich kindiſch genug war, mich ſelbſt
auf pathetiſche Weiſe zu haranguiren und zuletzt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/119>, abgerufen am 09.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.