Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

ich habe ja meine Augen, sieh' mich doch nur
an! -- Nathanael denkt: das ist Clara,
und ich bin ihr Eigen ewiglich. -- Da ist es,
als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis
hinein, daß er stehen bleibt, und im schwarzen
Abgrund verrauscht dumpf das Getöse. Natha¬
nael blickt in Clara's Augen; aber es ist der
Tod, der mit Clara's Augen ihn freundlich
anschaut.

Während Nathanael dies dichtete, war er
sehr ruhig und besonnen, er feilte und besserte
an jeder Zeile und da er sich dem metrischen
Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles
rein und wohlklingend sich fügte. Als er jedoch
nun endlich fertig worden, und das Gedicht für
sich laut las, da faßte ihn Grausen und wildes
Entsetzen und er schrie auf: Wessen grauenvolle
Stimme ist das? -- Bald schien ihm jedoch
das Ganze wieder nur eine sehr gelungene Dich¬
tung, und es war ihm, als müsse Clara's
kaltes Gemüth dadurch entzündet werden, wie¬
wohl er nicht deutlich dachte, wozu denn Clara

ich habe ja meine Augen, ſieh' mich doch nur
an! — Nathanael denkt: das iſt Clara,
und ich bin ihr Eigen ewiglich. — Da iſt es,
als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis
hinein, daß er ſtehen bleibt, und im ſchwarzen
Abgrund verrauſcht dumpf das Getoͤſe. Natha¬
nael blickt in Clara's Augen; aber es iſt der
Tod, der mit Clara's Augen ihn freundlich
anſchaut.

Waͤhrend Nathanael dies dichtete, war er
ſehr ruhig und beſonnen, er feilte und beſſerte
an jeder Zeile und da er ſich dem metriſchen
Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles
rein und wohlklingend ſich fuͤgte. Als er jedoch
nun endlich fertig worden, und das Gedicht fuͤr
ſich laut las, da faßte ihn Grauſen und wildes
Entſetzen und er ſchrie auf: Weſſen grauenvolle
Stimme iſt das? — Bald ſchien ihm jedoch
das Ganze wieder nur eine ſehr gelungene Dich¬
tung, und es war ihm, als muͤſſe Clara's
kaltes Gemuͤth dadurch entzuͤndet werden, wie¬
wohl er nicht deutlich dachte, wozu denn Clara

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="43"/>
ich habe ja meine Augen, &#x017F;ieh' mich doch nur<lb/>
an! &#x2014; <hi rendition="#g">Nathanael</hi> denkt: das i&#x017F;t <hi rendition="#g">Clara</hi>,<lb/>
und ich bin ihr Eigen ewiglich. &#x2014; Da i&#x017F;t es,<lb/>
als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis<lb/>
hinein, daß er &#x017F;tehen bleibt, und im &#x017F;chwarzen<lb/>
Abgrund verrau&#x017F;cht dumpf das Geto&#x0364;&#x017F;e. <hi rendition="#g">Natha</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">nael</hi> blickt in <hi rendition="#g">Clara's</hi> Augen; aber es i&#x017F;t der<lb/>
Tod, der mit <hi rendition="#g">Clara's</hi> Augen ihn freundlich<lb/>
an&#x017F;chaut.</p><lb/>
          <p>Wa&#x0364;hrend <hi rendition="#g">Nathanael</hi> dies dichtete, war er<lb/>
&#x017F;ehr ruhig und be&#x017F;onnen, er feilte und be&#x017F;&#x017F;erte<lb/>
an jeder Zeile und da er &#x017F;ich dem metri&#x017F;chen<lb/>
Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles<lb/>
rein und wohlklingend &#x017F;ich fu&#x0364;gte. Als er jedoch<lb/>
nun endlich fertig worden, und das Gedicht fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich laut las, da faßte ihn Grau&#x017F;en und wildes<lb/>
Ent&#x017F;etzen und er &#x017F;chrie auf: We&#x017F;&#x017F;en grauenvolle<lb/>
Stimme i&#x017F;t das? &#x2014; Bald &#x017F;chien ihm jedoch<lb/>
das Ganze wieder nur eine &#x017F;ehr gelungene Dich¬<lb/>
tung, und es war ihm, als mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#g">Clara's</hi><lb/>
kaltes Gemu&#x0364;th dadurch entzu&#x0364;ndet werden, wie¬<lb/>
wohl er nicht deutlich dachte, wozu denn <hi rendition="#g">Clara</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0051] ich habe ja meine Augen, ſieh' mich doch nur an! — Nathanael denkt: das iſt Clara, und ich bin ihr Eigen ewiglich. — Da iſt es, als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis hinein, daß er ſtehen bleibt, und im ſchwarzen Abgrund verrauſcht dumpf das Getoͤſe. Natha¬ nael blickt in Clara's Augen; aber es iſt der Tod, der mit Clara's Augen ihn freundlich anſchaut. Waͤhrend Nathanael dies dichtete, war er ſehr ruhig und beſonnen, er feilte und beſſerte an jeder Zeile und da er ſich dem metriſchen Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles rein und wohlklingend ſich fuͤgte. Als er jedoch nun endlich fertig worden, und das Gedicht fuͤr ſich laut las, da faßte ihn Grauſen und wildes Entſetzen und er ſchrie auf: Weſſen grauenvolle Stimme iſt das? — Bald ſchien ihm jedoch das Ganze wieder nur eine ſehr gelungene Dich¬ tung, und es war ihm, als muͤſſe Clara's kaltes Gemuͤth dadurch entzuͤndet werden, wie¬ wohl er nicht deutlich dachte, wozu denn Clara

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/51
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/51>, abgerufen am 04.05.2024.