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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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wieder sah, dachte er weder an den Advokaten
Coppelius, noch an Clara's verständigen
Brief, jede Verstimmung war verschwunden.

Recht hatte aber Nathanael doch, als er
seinem Freunde Lothar schrieb, daß des wider¬
wärtigen Wetterglashändlers Coppola Gestalt
recht feindlich in sein Leben getreten sei. Alle
fühlten das, da Nathanael gleich in den ersten
Tagen in seinem ganzen Wesen durchaus verän¬
dert sich zeigte. Er versank in düstre Träume¬
reien, und trieb es bald so seltsam, wie man es
niemahls von ihm gewohnt gewesen. Alles, das
ganze Leben war ihm Traum und Ahnung ge¬
worden; immer sprach er davon, wie jeder Mensch,
sich frei wähnend, nur dunklen Mächten zum
grausamen Spiel diene, vergeblich lehne man sich
dagegen auf, demüthig müsse man sich dem fügen,
was das Schicksal verhängt habe. Er ging so
weit, zu behaupten, daß es thöricht sei, wenn
man glaube, in Kunst und Wissenschaft nach selbst¬
thätiger Willkühr zu schaffen; denn die Begeiste¬
rung, in der man nur zu schaffen fähig sei,

wieder ſah, dachte er weder an den Advokaten
Coppelius, noch an Clara's verſtaͤndigen
Brief, jede Verſtimmung war verſchwunden.

Recht hatte aber Nathanael doch, als er
ſeinem Freunde Lothar ſchrieb, daß des wider¬
waͤrtigen Wetterglashaͤndlers Coppola Geſtalt
recht feindlich in ſein Leben getreten ſei. Alle
fuͤhlten das, da Nathanael gleich in den erſten
Tagen in ſeinem ganzen Weſen durchaus veraͤn¬
dert ſich zeigte. Er verſank in duͤſtre Traͤume¬
reien, und trieb es bald ſo ſeltſam, wie man es
niemahls von ihm gewohnt geweſen. Alles, das
ganze Leben war ihm Traum und Ahnung ge¬
worden; immer ſprach er davon, wie jeder Menſch,
ſich frei waͤhnend, nur dunklen Maͤchten zum
grauſamen Spiel diene, vergeblich lehne man ſich
dagegen auf, demuͤthig muͤſſe man ſich dem fuͤgen,
was das Schickſal verhaͤngt habe. Er ging ſo
weit, zu behaupten, daß es thoͤricht ſei, wenn
man glaube, in Kunſt und Wiſſenſchaft nach ſelbſt¬
thaͤtiger Willkuͤhr zu ſchaffen; denn die Begeiſte¬
rung, in der man nur zu ſchaffen faͤhig ſei,

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[38/0046] wieder ſah, dachte er weder an den Advokaten Coppelius, noch an Clara's verſtaͤndigen Brief, jede Verſtimmung war verſchwunden. Recht hatte aber Nathanael doch, als er ſeinem Freunde Lothar ſchrieb, daß des wider¬ waͤrtigen Wetterglashaͤndlers Coppola Geſtalt recht feindlich in ſein Leben getreten ſei. Alle fuͤhlten das, da Nathanael gleich in den erſten Tagen in ſeinem ganzen Weſen durchaus veraͤn¬ dert ſich zeigte. Er verſank in duͤſtre Traͤume¬ reien, und trieb es bald ſo ſeltſam, wie man es niemahls von ihm gewohnt geweſen. Alles, das ganze Leben war ihm Traum und Ahnung ge¬ worden; immer ſprach er davon, wie jeder Menſch, ſich frei waͤhnend, nur dunklen Maͤchten zum grauſamen Spiel diene, vergeblich lehne man ſich dagegen auf, demuͤthig muͤſſe man ſich dem fuͤgen, was das Schickſal verhaͤngt habe. Er ging ſo weit, zu behaupten, daß es thoͤricht ſei, wenn man glaube, in Kunſt und Wiſſenſchaft nach ſelbſt¬ thaͤtiger Willkuͤhr zu ſchaffen; denn die Begeiſte¬ rung, in der man nur zu ſchaffen faͤhig ſei,

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/46>, abgerufen am 21.11.2024.