Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen nicht achtend kreiste der Schmetterling fort
und fort im fröhlichen Klingen und Singen bis
schärfer und schärfer die Saiten ihn verwundeten,
und er lautlos hinab sank in die Oeffnung des
Resonanzbodens." "Was wollen wir damit sagen,"
frug der Kapellmeister, "Fiat applicatio mein
Bester!" sprach der Doktor. "Von einer besonde¬
ren Anwendung ist hier nicht die Rede," fuhr
der Enthusiast fort, "ich wollte, da ich obbesagten
Schmetterling wirklich auf des Kapellmeisters
Clavichord spielen gehört habe, nur im Allgemei¬
nen eine Idee andeuten, die mir damals einkam,
und die alles das, was ich über Bettina's
Uebel sagen werde, so ziemlich einleitet. Ihr
könnet das Ganze aber auch für eine Allegorie
ansehen, und es in das Stammbuch irgend einer
reisenden Virtuosin hineinzeichnen. Es schien
mir nehmlich damals, als habe die Natur ein
tausendchörigtes Clavichord um uns herum gebaut,
in dessen Saiten wir herum handthierten, ihre
Töne und Akkorde für unsere eigne willkührlich

deſſen nicht achtend kreiſte der Schmetterling fort
und fort im froͤhlichen Klingen und Singen bis
ſchaͤrfer und ſchaͤrfer die Saiten ihn verwundeten,
und er lautlos hinab ſank in die Oeffnung des
Reſonanzbodens.“ „Was wollen wir damit ſagen,“
frug der Kapellmeiſter, „Fiat applicatio mein
Beſter!“ ſprach der Doktor. „Von einer beſonde¬
ren Anwendung iſt hier nicht die Rede,“ fuhr
der Enthuſiaſt fort, „ich wollte, da ich obbeſagten
Schmetterling wirklich auf des Kapellmeiſters
Clavichord ſpielen gehoͤrt habe, nur im Allgemei¬
nen eine Idee andeuten, die mir damals einkam,
und die alles das, was ich uͤber Bettina's
Uebel ſagen werde, ſo ziemlich einleitet. Ihr
koͤnnet das Ganze aber auch fuͤr eine Allegorie
anſehen, und es in das Stammbuch irgend einer
reiſenden Virtuoſin hineinzeichnen. Es ſchien
mir nehmlich damals, als habe die Natur ein
tauſendchoͤrigtes Clavichord um uns herum gebaut,
in deſſen Saiten wir herum handthierten, ihre
Toͤne und Akkorde fuͤr unſere eigne willkuͤhrlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0295" n="287"/>
de&#x017F;&#x017F;en nicht achtend krei&#x017F;te der Schmetterling fort<lb/>
und fort im fro&#x0364;hlichen Klingen und Singen bis<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;rfer und &#x017F;cha&#x0364;rfer die Saiten ihn verwundeten,<lb/>
und er lautlos hinab &#x017F;ank in die Oeffnung des<lb/>
Re&#x017F;onanzbodens.&#x201C; &#x201E;Was wollen wir damit &#x017F;agen,&#x201C;<lb/>
frug der Kapellmei&#x017F;ter, &#x201E;<hi rendition="#aq">Fiat applicatio</hi> mein<lb/>
Be&#x017F;ter!&#x201C; &#x017F;prach der Doktor. &#x201E;Von einer be&#x017F;onde¬<lb/>
ren Anwendung i&#x017F;t hier nicht die Rede,&#x201C; fuhr<lb/>
der Enthu&#x017F;ia&#x017F;t fort, &#x201E;ich wollte, da ich obbe&#x017F;agten<lb/>
Schmetterling wirklich auf des Kapellmei&#x017F;ters<lb/>
Clavichord &#x017F;pielen geho&#x0364;rt habe, nur im Allgemei¬<lb/>
nen eine Idee andeuten, die mir damals einkam,<lb/>
und die alles das, was ich u&#x0364;ber <hi rendition="#g">Bettina's</hi><lb/>
Uebel &#x017F;agen werde, &#x017F;o ziemlich einleitet. Ihr<lb/>
ko&#x0364;nnet das Ganze aber auch fu&#x0364;r eine Allegorie<lb/>
an&#x017F;ehen, und es in das Stammbuch irgend einer<lb/>
rei&#x017F;enden Virtuo&#x017F;in hineinzeichnen. Es &#x017F;chien<lb/>
mir nehmlich damals, als habe die Natur ein<lb/>
tau&#x017F;endcho&#x0364;rigtes Clavichord um uns herum gebaut,<lb/>
in de&#x017F;&#x017F;en Saiten wir herum handthierten, ihre<lb/>
To&#x0364;ne und Akkorde fu&#x0364;r un&#x017F;ere eigne willku&#x0364;hrlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0295] deſſen nicht achtend kreiſte der Schmetterling fort und fort im froͤhlichen Klingen und Singen bis ſchaͤrfer und ſchaͤrfer die Saiten ihn verwundeten, und er lautlos hinab ſank in die Oeffnung des Reſonanzbodens.“ „Was wollen wir damit ſagen,“ frug der Kapellmeiſter, „Fiat applicatio mein Beſter!“ ſprach der Doktor. „Von einer beſonde¬ ren Anwendung iſt hier nicht die Rede,“ fuhr der Enthuſiaſt fort, „ich wollte, da ich obbeſagten Schmetterling wirklich auf des Kapellmeiſters Clavichord ſpielen gehoͤrt habe, nur im Allgemei¬ nen eine Idee andeuten, die mir damals einkam, und die alles das, was ich uͤber Bettina's Uebel ſagen werde, ſo ziemlich einleitet. Ihr koͤnnet das Ganze aber auch fuͤr eine Allegorie anſehen, und es in das Stammbuch irgend einer reiſenden Virtuoſin hineinzeichnen. Es ſchien mir nehmlich damals, als habe die Natur ein tauſendchoͤrigtes Clavichord um uns herum gebaut, in deſſen Saiten wir herum handthierten, ihre Toͤne und Akkorde fuͤr unſere eigne willkuͤhrlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/295
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/295>, abgerufen am 20.06.2024.