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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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als vorher, der Doktor rückte seinen Stuhl näher
heran zum reisenden Enthusiasten und guckte ihm
mit sonderbar lächelnder Miene in's Gesicht.
Der reisende Enthusiast warf aber den Blick in
die Höhe und sprach ohne den Doktor oder den
Kapellmeister anzusehen. "Kapellmeister! ich sah
einmahl einen kleinen buntgefärbten Schmetter¬
ling, der sich zwischen den Saiten Eures Dop¬
pelclavichords eingefangen hatte. Das kleine
Ding flatterte lustig auf und nieder und mit den
glänzenden Flügelein um sich schlagend berührte es
bald die obern bald die untern Saiten, die dann
leise leise nur dem schärfsten geübtesten Ohr ver¬
nehmbare Töne und Akkorde hauchten so daß zu¬
letzt das Thierchen nur in den Schwingungen wie
in sanftwogenden Wellen zu schwimmen oder viel¬
mehr von ihnen getragen zu werden schien. Aber
oft kam es, daß eine stärker berührte Saite, wie
erzürnt in die Flügel des fröhlichen Schwimmers
schlug, so daß sie wund geworden den Schmuck
des bunten Blüthenstaubs von sich streuten, doch

als vorher, der Doktor ruͤckte ſeinen Stuhl naͤher
heran zum reiſenden Enthuſiaſten und guckte ihm
mit ſonderbar laͤchelnder Miene in's Geſicht.
Der reiſende Enthuſiaſt warf aber den Blick in
die Hoͤhe und ſprach ohne den Doktor oder den
Kapellmeiſter anzuſehen. „Kapellmeiſter! ich ſah
einmahl einen kleinen buntgefaͤrbten Schmetter¬
ling, der ſich zwiſchen den Saiten Eures Dop¬
pelclavichords eingefangen hatte. Das kleine
Ding flatterte luſtig auf und nieder und mit den
glaͤnzenden Fluͤgelein um ſich ſchlagend beruͤhrte es
bald die obern bald die untern Saiten, die dann
leiſe leiſe nur dem ſchaͤrfſten geuͤbteſten Ohr ver¬
nehmbare Toͤne und Akkorde hauchten ſo daß zu¬
letzt das Thierchen nur in den Schwingungen wie
in ſanftwogenden Wellen zu ſchwimmen oder viel¬
mehr von ihnen getragen zu werden ſchien. Aber
oft kam es, daß eine ſtaͤrker beruͤhrte Saite, wie
erzuͤrnt in die Fluͤgel des froͤhlichen Schwimmers
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[286/0294] als vorher, der Doktor ruͤckte ſeinen Stuhl naͤher heran zum reiſenden Enthuſiaſten und guckte ihm mit ſonderbar laͤchelnder Miene in's Geſicht. Der reiſende Enthuſiaſt warf aber den Blick in die Hoͤhe und ſprach ohne den Doktor oder den Kapellmeiſter anzuſehen. „Kapellmeiſter! ich ſah einmahl einen kleinen buntgefaͤrbten Schmetter¬ ling, der ſich zwiſchen den Saiten Eures Dop¬ pelclavichords eingefangen hatte. Das kleine Ding flatterte luſtig auf und nieder und mit den glaͤnzenden Fluͤgelein um ſich ſchlagend beruͤhrte es bald die obern bald die untern Saiten, die dann leiſe leiſe nur dem ſchaͤrfſten geuͤbteſten Ohr ver¬ nehmbare Toͤne und Akkorde hauchten ſo daß zu¬ letzt das Thierchen nur in den Schwingungen wie in ſanftwogenden Wellen zu ſchwimmen oder viel¬ mehr von ihnen getragen zu werden ſchien. Aber oft kam es, daß eine ſtaͤrker beruͤhrte Saite, wie erzuͤrnt in die Fluͤgel des froͤhlichen Schwimmers ſchlug, ſo daß ſie wund geworden den Schmuck des bunten Bluͤthenſtaubs von ſich ſtreuten, doch

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/294>, abgerufen am 25.11.2024.