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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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bens war alles Ringen nach einer reinen geistigen
Anschauung des Gemähldes. So wie in jener
unglücklichen Zeit der Crisis, verschwammen ihm
die Gestalten, und nicht die himmlische Maria,
nein, ein irdisches Weib, ach seine Angiola
selbst stand auf gräuliche Weise verzerrt, vor sei¬
nes Geistes Augen. -- Er gedachte Trotz zu bie¬
ten der unheimlichen Gewalt, die ihn zu erfassen
schien, er bereitete die Farben, er fing an zu
mahlen; aber seine Kraft war gebrochen, all' sein
Bemühen, so wie damals, nur die ohnmächtige
Anstrengung des unverständigen Kindes. Starr
und leblos blieb was er mahlte, und selbst An¬
giola
-- Angiola, sein Ideal, wurde, wenn sie
ihm saß und er sie mahlen wollte, auf der Lein¬
wand zum todten Wachsbilde, das ihn mit gläsernen
Augen anstierte. Da schlich sich immer mehr und
mehr trüber Unmuth in seine Seele, der alle
Freude des Lebens wegzehrte. Er wollte -- er
konnte nicht weiter arbeiten, und so kam es, daß er
in Dürftigkeit gerieth, die ihn destomehr nieder¬

beugte,

bens war alles Ringen nach einer reinen geiſtigen
Anſchauung des Gemaͤhldes. So wie in jener
ungluͤcklichen Zeit der Criſis, verſchwammen ihm
die Geſtalten, und nicht die himmliſche Maria,
nein, ein irdiſches Weib, ach ſeine Angiola
ſelbſt ſtand auf graͤuliche Weiſe verzerrt, vor ſei¬
nes Geiſtes Augen. — Er gedachte Trotz zu bie¬
ten der unheimlichen Gewalt, die ihn zu erfaſſen
ſchien, er bereitete die Farben, er fing an zu
mahlen; aber ſeine Kraft war gebrochen, all' ſein
Bemuͤhen, ſo wie damals, nur die ohnmaͤchtige
Anſtrengung des unverſtaͤndigen Kindes. Starr
und leblos blieb was er mahlte, und ſelbſt An¬
giola
Angiola, ſein Ideal, wurde, wenn ſie
ihm ſaß und er ſie mahlen wollte, auf der Lein¬
wand zum todten Wachsbilde, das ihn mit glaͤſernen
Augen anſtierte. Da ſchlich ſich immer mehr und
mehr truͤber Unmuth in ſeine Seele, der alle
Freude des Lebens wegzehrte. Er wollte — er
konnte nicht weiter arbeiten, und ſo kam es, daß er
in Duͤrftigkeit gerieth, die ihn deſtomehr nieder¬

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[272/0280] bens war alles Ringen nach einer reinen geiſtigen Anſchauung des Gemaͤhldes. So wie in jener ungluͤcklichen Zeit der Criſis, verſchwammen ihm die Geſtalten, und nicht die himmliſche Maria, nein, ein irdiſches Weib, ach ſeine Angiola ſelbſt ſtand auf graͤuliche Weiſe verzerrt, vor ſei¬ nes Geiſtes Augen. — Er gedachte Trotz zu bie¬ ten der unheimlichen Gewalt, die ihn zu erfaſſen ſchien, er bereitete die Farben, er fing an zu mahlen; aber ſeine Kraft war gebrochen, all' ſein Bemuͤhen, ſo wie damals, nur die ohnmaͤchtige Anſtrengung des unverſtaͤndigen Kindes. Starr und leblos blieb was er mahlte, und ſelbſt An¬ giola — Angiola, ſein Ideal, wurde, wenn ſie ihm ſaß und er ſie mahlen wollte, auf der Lein¬ wand zum todten Wachsbilde, das ihn mit glaͤſernen Augen anſtierte. Da ſchlich ſich immer mehr und mehr truͤber Unmuth in ſeine Seele, der alle Freude des Lebens wegzehrte. Er wollte — er konnte nicht weiter arbeiten, und ſo kam es, daß er in Duͤrftigkeit gerieth, die ihn deſtomehr nieder¬ beugte,

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/280>, abgerufen am 20.05.2024.