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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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doch statt des elenden Altarblatts, das sonst
hier stand, einfügen. Als Berthold angekom¬
men war und dies Gemählde erblickte, schrie er
laut auf und stürzte bewußtlos zu Boden. Nach¬
her vermied er sorgfältig, es anzublicken und ver¬
traute mir, daß es seine letzte Arbeit in diesem
Fache sei. Ich hoffte ihn nach und nach zur
Vollendung des Bildes zu überreden, aber mit
Entsetzen und Abscheu wies er jeden Antrag der
Art zurück. Um ihn nur einigermaßen heiter
und kräftig zu erhalten, mußte ich das Bild ver¬
hängen lassen, so lange er in der Kirche arbeitet.
Fiel es ihm nur von ungefähr ins Auge, so lief
er wie von unwiderstehlicher Macht getrieben hin,
warf sich laut schluchzend nieder, bekam seinen
Paroxysmus, und war auf mehrere Tage un¬
brauchbar." -- "Armer -- armer unglücklicher
Mann!" -- rief ich aus, "welch' eine Teufelsfaust
griff so grimmig zerstörend in dein Leben." "O!"
sprach der Professor: "die Hand sammt dem Arm
ist ihm an den Leib gewachsen -- Ja ja! -- er

doch ſtatt des elenden Altarblatts, das ſonſt
hier ſtand, einfuͤgen. Als Berthold angekom¬
men war und dies Gemaͤhlde erblickte, ſchrie er
laut auf und ſtuͤrzte bewußtlos zu Boden. Nach¬
her vermied er ſorgfaͤltig, es anzublicken und ver¬
traute mir, daß es ſeine letzte Arbeit in dieſem
Fache ſei. Ich hoffte ihn nach und nach zur
Vollendung des Bildes zu uͤberreden, aber mit
Entſetzen und Abſcheu wies er jeden Antrag der
Art zuruͤck. Um ihn nur einigermaßen heiter
und kraͤftig zu erhalten, mußte ich das Bild ver¬
haͤngen laſſen, ſo lange er in der Kirche arbeitet.
Fiel es ihm nur von ungefaͤhr ins Auge, ſo lief
er wie von unwiderſtehlicher Macht getrieben hin,
warf ſich laut ſchluchzend nieder, bekam ſeinen
Paroxysmus, und war auf mehrere Tage un¬
brauchbar.“ — „Armer — armer ungluͤcklicher
Mann!“ — rief ich aus, „welch' eine Teufelsfauſt
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[238/0246] doch ſtatt des elenden Altarblatts, das ſonſt hier ſtand, einfuͤgen. Als Berthold angekom¬ men war und dies Gemaͤhlde erblickte, ſchrie er laut auf und ſtuͤrzte bewußtlos zu Boden. Nach¬ her vermied er ſorgfaͤltig, es anzublicken und ver¬ traute mir, daß es ſeine letzte Arbeit in dieſem Fache ſei. Ich hoffte ihn nach und nach zur Vollendung des Bildes zu uͤberreden, aber mit Entſetzen und Abſcheu wies er jeden Antrag der Art zuruͤck. Um ihn nur einigermaßen heiter und kraͤftig zu erhalten, mußte ich das Bild ver¬ haͤngen laſſen, ſo lange er in der Kirche arbeitet. Fiel es ihm nur von ungefaͤhr ins Auge, ſo lief er wie von unwiderſtehlicher Macht getrieben hin, warf ſich laut ſchluchzend nieder, bekam ſeinen Paroxysmus, und war auf mehrere Tage un¬ brauchbar.“ — „Armer — armer ungluͤcklicher Mann!“ — rief ich aus, „welch' eine Teufelsfauſt griff ſo grimmig zerſtoͤrend in dein Leben.“ „O!“ ſprach der Profeſſor: „die Hand ſammt dem Arm iſt ihm an den Leib gewachſen — Ja ja! — er

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/246>, abgerufen am 23.11.2024.