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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat
hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen
Blende eine Wachsfackel brannte. Näher gekom¬
men bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz
von Bindfaden aufgespannt war, hinter dem eine
dunkle Gestalt eine Leiter hinauf und hinunter
sprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen
schien. Es war Berthold, der den Schatten
des Netzes mit schwarzer Farbe genau überzog.
Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei stand
die Zeichnung eines Altars. Ich erstaunte über
den sinnreichen Einfall. Bist Du, günstiger Le¬
ser, mit der edlen Mahlerkunst was weniges
vertraut, so wirst Du ohne weitere Erklärung
sogleich wissen, was es mit dem Netz, dessen
Schattenstriche Berthold in die Blende hinein¬
zeichnete, für eine Bewandtniß hat. Berthold
sollte in die Blende einen hervorspringenden Altar
mahlen. Um die kleine Zeichnung richtig in das
Große zu übertragen, mußte er beides, den Ent¬
wurf und die Fläche, worauf der Entwurf aus¬

kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat
hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen
Blende eine Wachsfackel brannte. Naͤher gekom¬
men bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz
von Bindfaden aufgeſpannt war, hinter dem eine
dunkle Geſtalt eine Leiter hinauf und hinunter
ſprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen
ſchien. Es war Berthold, der den Schatten
des Netzes mit ſchwarzer Farbe genau uͤberzog.
Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei ſtand
die Zeichnung eines Altars. Ich erſtaunte uͤber
den ſinnreichen Einfall. Biſt Du, guͤnſtiger Le¬
ſer, mit der edlen Mahlerkunſt was weniges
vertraut, ſo wirſt Du ohne weitere Erklaͤrung
ſogleich wiſſen, was es mit dem Netz, deſſen
Schattenſtriche Berthold in die Blende hinein¬
zeichnete, fuͤr eine Bewandtniß hat. Berthold
ſollte in die Blende einen hervorſpringenden Altar
mahlen. Um die kleine Zeichnung richtig in das
Große zu uͤbertragen, mußte er beides, den Ent¬
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[222/0230] kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen Blende eine Wachsfackel brannte. Naͤher gekom¬ men bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz von Bindfaden aufgeſpannt war, hinter dem eine dunkle Geſtalt eine Leiter hinauf und hinunter ſprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen ſchien. Es war Berthold, der den Schatten des Netzes mit ſchwarzer Farbe genau uͤberzog. Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei ſtand die Zeichnung eines Altars. Ich erſtaunte uͤber den ſinnreichen Einfall. Biſt Du, guͤnſtiger Le¬ ſer, mit der edlen Mahlerkunſt was weniges vertraut, ſo wirſt Du ohne weitere Erklaͤrung ſogleich wiſſen, was es mit dem Netz, deſſen Schattenſtriche Berthold in die Blende hinein¬ zeichnete, fuͤr eine Bewandtniß hat. Berthold ſollte in die Blende einen hervorſpringenden Altar mahlen. Um die kleine Zeichnung richtig in das Große zu uͤbertragen, mußte er beides, den Ent¬ wurf und die Flaͤche, worauf der Entwurf aus¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/230>, abgerufen am 04.05.2024.