kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen Blende eine Wachsfackel brannte. Näher gekom¬ men bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz von Bindfaden aufgespannt war, hinter dem eine dunkle Gestalt eine Leiter hinauf und hinunter sprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen schien. Es war Berthold, der den Schatten des Netzes mit schwarzer Farbe genau überzog. Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei stand die Zeichnung eines Altars. Ich erstaunte über den sinnreichen Einfall. Bist Du, günstiger Le¬ ser, mit der edlen Mahlerkunst was weniges vertraut, so wirst Du ohne weitere Erklärung sogleich wissen, was es mit dem Netz, dessen Schattenstriche Berthold in die Blende hinein¬ zeichnete, für eine Bewandtniß hat. Berthold sollte in die Blende einen hervorspringenden Altar mahlen. Um die kleine Zeichnung richtig in das Große zu übertragen, mußte er beides, den Ent¬ wurf und die Fläche, worauf der Entwurf aus¬
kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen Blende eine Wachsfackel brannte. Naͤher gekom¬ men bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz von Bindfaden aufgeſpannt war, hinter dem eine dunkle Geſtalt eine Leiter hinauf und hinunter ſprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen ſchien. Es war Berthold, der den Schatten des Netzes mit ſchwarzer Farbe genau uͤberzog. Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei ſtand die Zeichnung eines Altars. Ich erſtaunte uͤber den ſinnreichen Einfall. Biſt Du, guͤnſtiger Le¬ ſer, mit der edlen Mahlerkunſt was weniges vertraut, ſo wirſt Du ohne weitere Erklaͤrung ſogleich wiſſen, was es mit dem Netz, deſſen Schattenſtriche Berthold in die Blende hinein¬ zeichnete, fuͤr eine Bewandtniß hat. Berthold ſollte in die Blende einen hervorſpringenden Altar mahlen. Um die kleine Zeichnung richtig in das Große zu uͤbertragen, mußte er beides, den Ent¬ wurf und die Flaͤche, worauf der Entwurf aus¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0230"n="222"/>
kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat<lb/>
hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen<lb/>
Blende eine Wachsfackel brannte. Naͤher gekom¬<lb/>
men bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz<lb/>
von Bindfaden aufgeſpannt war, hinter dem eine<lb/>
dunkle Geſtalt eine Leiter hinauf und hinunter<lb/>ſprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen<lb/>ſchien. Es war <hirendition="#g">Berthold</hi>, der den Schatten<lb/>
des Netzes mit ſchwarzer Farbe genau uͤberzog.<lb/>
Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei ſtand<lb/>
die Zeichnung eines Altars. Ich erſtaunte uͤber<lb/>
den ſinnreichen Einfall. Biſt Du, guͤnſtiger Le¬<lb/>ſer, mit der edlen Mahlerkunſt was weniges<lb/>
vertraut, ſo wirſt Du ohne weitere Erklaͤrung<lb/>ſogleich wiſſen, was es mit dem Netz, deſſen<lb/>
Schattenſtriche <hirendition="#g">Berthold</hi> in die Blende hinein¬<lb/>
zeichnete, fuͤr eine Bewandtniß hat. <hirendition="#g">Berthold</hi><lb/>ſollte in die Blende einen hervorſpringenden Altar<lb/>
mahlen. Um die kleine Zeichnung richtig in das<lb/>
Große zu uͤbertragen, mußte er beides, den Ent¬<lb/>
wurf und die Flaͤche, worauf der Entwurf aus¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[222/0230]
kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat
hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen
Blende eine Wachsfackel brannte. Naͤher gekom¬
men bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz
von Bindfaden aufgeſpannt war, hinter dem eine
dunkle Geſtalt eine Leiter hinauf und hinunter
ſprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen
ſchien. Es war Berthold, der den Schatten
des Netzes mit ſchwarzer Farbe genau uͤberzog.
Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei ſtand
die Zeichnung eines Altars. Ich erſtaunte uͤber
den ſinnreichen Einfall. Biſt Du, guͤnſtiger Le¬
ſer, mit der edlen Mahlerkunſt was weniges
vertraut, ſo wirſt Du ohne weitere Erklaͤrung
ſogleich wiſſen, was es mit dem Netz, deſſen
Schattenſtriche Berthold in die Blende hinein¬
zeichnete, fuͤr eine Bewandtniß hat. Berthold
ſollte in die Blende einen hervorſpringenden Altar
mahlen. Um die kleine Zeichnung richtig in das
Große zu uͤbertragen, mußte er beides, den Ent¬
wurf und die Flaͤche, worauf der Entwurf aus¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/230>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.