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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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sind von unbekannten Meistern der italienischen
Schule, aber, sind Sie vorurtheilsfrei, so werden
Sie gestehen müssen, daß jedes den berühmtesten
Namen tragen dürfte." Ich fand es ganz so,
wie der Professor gesagt hatte. Es war seltsam,
daß das einzige Original gerade zu den schwächern
Stücken gehörte, war es nicht wirklich das
schwächste, und daß dagegen die Schönheit man¬
cher Gemählde ohne Namen mich unwiderstehlich
hinriß. Ueber das Gemählde eines Altars war
eine Decke herabgelassen; ich frug nach der Ur¬
sache. "Dies Bild," sprach der Professor, "ist
das schönste was wir besitzen, es ist das Werk
eines jungen Künstlers der neueren Zeit -- gewiß
sein letztes, denn sein Flug ist gehemmt -- Wir
mußten in diesen Tagen das Gemählde aus ge¬
wissen Gründen verhängen lassen, doch bin ich
vielleicht morgen, oder übermorgen im Stande, es
Ihnen zu zeigen." -- Ich wollte weiter fragen,
indessen schritt der Professor rasch durch den Gang
fort, und das war genug, um seine Unlust zu

ſind von unbekannten Meiſtern der italieniſchen
Schule, aber, ſind Sie vorurtheilsfrei, ſo werden
Sie geſtehen muͤſſen, daß jedes den beruͤhmteſten
Namen tragen duͤrfte.“ Ich fand es ganz ſo,
wie der Profeſſor geſagt hatte. Es war ſeltſam,
daß das einzige Original gerade zu den ſchwaͤchern
Stuͤcken gehoͤrte, war es nicht wirklich das
ſchwaͤchſte, und daß dagegen die Schoͤnheit man¬
cher Gemaͤhlde ohne Namen mich unwiderſtehlich
hinriß. Ueber das Gemaͤhlde eines Altars war
eine Decke herabgelaſſen; ich frug nach der Ur¬
ſache. „Dies Bild,“ ſprach der Profeſſor, „iſt
das ſchoͤnſte was wir beſitzen, es iſt das Werk
eines jungen Kuͤnſtlers der neueren Zeit — gewiß
ſein letztes, denn ſein Flug iſt gehemmt — Wir
mußten in dieſen Tagen das Gemaͤhlde aus ge¬
wiſſen Gruͤnden verhaͤngen laſſen, doch bin ich
vielleicht morgen, oder uͤbermorgen im Stande, es
Ihnen zu zeigen.“ — Ich wollte weiter fragen,
indeſſen ſchritt der Profeſſor raſch durch den Gang
fort, und das war genug, um ſeine Unluſt zu

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[220/0228] ſind von unbekannten Meiſtern der italieniſchen Schule, aber, ſind Sie vorurtheilsfrei, ſo werden Sie geſtehen muͤſſen, daß jedes den beruͤhmteſten Namen tragen duͤrfte.“ Ich fand es ganz ſo, wie der Profeſſor geſagt hatte. Es war ſeltſam, daß das einzige Original gerade zu den ſchwaͤchern Stuͤcken gehoͤrte, war es nicht wirklich das ſchwaͤchſte, und daß dagegen die Schoͤnheit man¬ cher Gemaͤhlde ohne Namen mich unwiderſtehlich hinriß. Ueber das Gemaͤhlde eines Altars war eine Decke herabgelaſſen; ich frug nach der Ur¬ ſache. „Dies Bild,“ ſprach der Profeſſor, „iſt das ſchoͤnſte was wir beſitzen, es iſt das Werk eines jungen Kuͤnſtlers der neueren Zeit — gewiß ſein letztes, denn ſein Flug iſt gehemmt — Wir mußten in dieſen Tagen das Gemaͤhlde aus ge¬ wiſſen Gruͤnden verhaͤngen laſſen, doch bin ich vielleicht morgen, oder uͤbermorgen im Stande, es Ihnen zu zeigen.“ — Ich wollte weiter fragen, indeſſen ſchritt der Profeſſor raſch durch den Gang fort, und das war genug, um ſeine Unluſt zu

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/228>, abgerufen am 04.05.2024.