Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Ameisenräuber faßten, zerquetschten mit ihren zackig¬
ten Zangen die Schnacken, die sich wehrten und um
sich schlugen mit den langen Flügeln, und dazwischen
wanden sich Essigschlangen, Kleisteraale, hundertar¬
migte Polypen durch einander und aus allen Zwischen¬
räumen kuckten Infusions-Thiere mit verzerrten
menschlichen Gesichtern. Abscheulicheres hatte Pepusch
nie geschaut. Er wollte eben ein tiefes Grauen ver¬
spüren, als ihm etwas Rauhes ins Gesicht flog und
er sich eingehüllt sah in eine Wolke dicken Mehlstaubs.
Darüber verging ihm aber das Grauen, denn er
wußte sogleich, daß das rauhe Ding nichts anders seyn
konnte als die runde gepuderte Perücke des Flohbändi¬
gers, und das war es auch in der That.

Als Pepusch sich den Puder aus den Augen ge¬
wischt, war das tolle widrige Insektenvolk verschwun¬
den. Der Flohbändiger saß ganz erschöpft im Lehn¬
stuhl. "Leuwenhöck," so rief ihm Pepusch entgegen,
"Leuwenhöck, seht Ihr nun wohl, was bei Euerm
Treiben herauskommt? -- Da habt Ihr wieder zu
Euern Vasallen Zuflucht nehmen müssen, um Euch
die Leute vom Leibe zu halten! -- Ist's nicht so?"

"Seyd Ihr's," sprach der Flohbändiger mit
matter Stimme, "seyd Ihr's guter Pepusch? -- Ach!
mit mir ist es aus, rein aus, ich bin ein verlorner

Ameiſenräuber faßten, zerquetſchten mit ihren zackig¬
ten Zangen die Schnacken, die ſich wehrten und um
ſich ſchlugen mit den langen Flügeln, und dazwiſchen
wanden ſich Eſſigſchlangen, Kleiſteraale, hundertar¬
migte Polypen durch einander und aus allen Zwiſchen¬
räumen kuckten Infuſions-Thiere mit verzerrten
menſchlichen Geſichtern. Abſcheulicheres hatte Pepuſch
nie geſchaut. Er wollte eben ein tiefes Grauen ver¬
ſpüren, als ihm etwas Rauhes ins Geſicht flog und
er ſich eingehüllt ſah in eine Wolke dicken Mehlſtaubs.
Darüber verging ihm aber das Grauen, denn er
wußte ſogleich, daß das rauhe Ding nichts anders ſeyn
konnte als die runde gepuderte Perücke des Flohbändi¬
gers, und das war es auch in der That.

Als Pepuſch ſich den Puder aus den Augen ge¬
wiſcht, war das tolle widrige Inſektenvolk verſchwun¬
den. Der Flohbändiger ſaß ganz erſchöpft im Lehn¬
ſtuhl. »Leuwenhöck,» ſo rief ihm Pepuſch entgegen,
»Leuwenhöck, ſeht Ihr nun wohl, was bei Euerm
Treiben herauskommt? — Da habt Ihr wieder zu
Euern Vaſallen Zuflucht nehmen müſſen, um Euch
die Leute vom Leibe zu halten! — Iſt's nicht ſo?»

»Seyd Ihr's,» ſprach der Flohbändiger mit
matter Stimme, »ſeyd Ihr's guter Pepuſch? — Ach!
mit mir iſt es aus, rein aus, ich bin ein verlorner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="50"/>
Amei&#x017F;enräuber faßten, zerquet&#x017F;chten mit ihren zackig¬<lb/>
ten Zangen die Schnacken, die &#x017F;ich wehrten und um<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chlugen mit den langen Flügeln, und dazwi&#x017F;chen<lb/>
wanden &#x017F;ich E&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;chlangen, Klei&#x017F;teraale, hundertar¬<lb/>
migte Polypen durch einander und aus allen Zwi&#x017F;chen¬<lb/>
räumen kuckten Infu&#x017F;ions-Thiere mit verzerrten<lb/>
men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ichtern. Ab&#x017F;cheulicheres hatte Pepu&#x017F;ch<lb/>
nie ge&#x017F;chaut. Er wollte eben ein tiefes Grauen ver¬<lb/>
&#x017F;püren, als ihm etwas Rauhes ins Ge&#x017F;icht flog und<lb/>
er &#x017F;ich eingehüllt &#x017F;ah in eine Wolke dicken Mehl&#x017F;taubs.<lb/>
Darüber verging ihm aber das Grauen, denn er<lb/>
wußte &#x017F;ogleich, daß das rauhe Ding nichts anders &#x017F;eyn<lb/>
konnte als die runde gepuderte Perücke des Flohbändi¬<lb/>
gers, und das war es auch in der That.</p><lb/>
          <p>Als Pepu&#x017F;ch &#x017F;ich den Puder aus den Augen ge¬<lb/>
wi&#x017F;cht, war das tolle widrige In&#x017F;ektenvolk ver&#x017F;chwun¬<lb/>
den. Der Flohbändiger &#x017F;aß ganz er&#x017F;chöpft im Lehn¬<lb/>
&#x017F;tuhl. »Leuwenhöck,» &#x017F;o rief ihm Pepu&#x017F;ch entgegen,<lb/>
»Leuwenhöck, &#x017F;eht Ihr nun wohl, was bei Euerm<lb/>
Treiben herauskommt? &#x2014; Da habt Ihr wieder zu<lb/>
Euern Va&#x017F;allen Zuflucht nehmen mü&#x017F;&#x017F;en, um Euch<lb/>
die Leute vom Leibe zu halten! &#x2014; I&#x017F;t's nicht &#x017F;o?»</p><lb/>
          <p>»Seyd Ihr's,» &#x017F;prach der Flohbändiger mit<lb/>
matter Stimme, »&#x017F;eyd Ihr's guter Pepu&#x017F;ch? &#x2014; Ach!<lb/>
mit mir i&#x017F;t es aus, rein aus, ich bin ein verlorner<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0055] Ameiſenräuber faßten, zerquetſchten mit ihren zackig¬ ten Zangen die Schnacken, die ſich wehrten und um ſich ſchlugen mit den langen Flügeln, und dazwiſchen wanden ſich Eſſigſchlangen, Kleiſteraale, hundertar¬ migte Polypen durch einander und aus allen Zwiſchen¬ räumen kuckten Infuſions-Thiere mit verzerrten menſchlichen Geſichtern. Abſcheulicheres hatte Pepuſch nie geſchaut. Er wollte eben ein tiefes Grauen ver¬ ſpüren, als ihm etwas Rauhes ins Geſicht flog und er ſich eingehüllt ſah in eine Wolke dicken Mehlſtaubs. Darüber verging ihm aber das Grauen, denn er wußte ſogleich, daß das rauhe Ding nichts anders ſeyn konnte als die runde gepuderte Perücke des Flohbändi¬ gers, und das war es auch in der That. Als Pepuſch ſich den Puder aus den Augen ge¬ wiſcht, war das tolle widrige Inſektenvolk verſchwun¬ den. Der Flohbändiger ſaß ganz erſchöpft im Lehn¬ ſtuhl. »Leuwenhöck,» ſo rief ihm Pepuſch entgegen, »Leuwenhöck, ſeht Ihr nun wohl, was bei Euerm Treiben herauskommt? — Da habt Ihr wieder zu Euern Vaſallen Zuflucht nehmen müſſen, um Euch die Leute vom Leibe zu halten! — Iſt's nicht ſo?» »Seyd Ihr's,» ſprach der Flohbändiger mit matter Stimme, »ſeyd Ihr's guter Pepuſch? — Ach! mit mir iſt es aus, rein aus, ich bin ein verlorner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/55
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/55>, abgerufen am 13.10.2024.