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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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Doch senkten sie den Blick zur Erde, als vermöchten
sie nicht den Glanz des strahlenden Karfunkels zu er¬
tragen.

Sehr feierlich sprach nun Peregrinus:

Aus schnödem Thon und den Federflocken, die
ein einfältiger, schwerfälliger Strauß verloren, hatte
dich der böse Dämon zusammengeknetet, dich, der
du die Menschen täuschen solltest als Genius Thetel,
deshalb vernichtete dich der Strahl der Liebe, dich
leeres, wirres Fantom, und du mußtest zerstäuben
in das gehaltlose Nichts.

Und auch du, blutdürstiges Ungethüm der Nacht,
verhaßter Egelprinz, mußtest vor dem Strahl des
glühenden Karfunkels entfliehen in den Schooß der
Erde.

Aber ihr arme Bethörten, unglücklicher Swam¬
merdamm, beklagenswerther Leuwenhöck, Euer gan¬
zes Leben war ein unaufhörlicher ununterbrochener
Irrthum. Ihr trachtetet die Natur zu erforschen,
ohne die Bedeutung ihres innersten Wesens zu ahnen.

Ihr wagtet es, einzudringen in ihre Werkstatt
und ihre geheimnißvolle Arbeit belauschen zu wollen,
wähnend, daß es euch gelingen werde, ungestraft die
furchtbaren Geheimnisse jener Untiefen, die dem
menschlichen Auge unerforschlich, zu erschauen. Euer

Doch ſenkten ſie den Blick zur Erde, als vermöchten
ſie nicht den Glanz des ſtrahlenden Karfunkels zu er¬
tragen.

Sehr feierlich ſprach nun Peregrinus:

Aus ſchnödem Thon und den Federflocken, die
ein einfältiger, ſchwerfälliger Strauß verloren, hatte
dich der böſe Dämon zuſammengeknetet, dich, der
du die Menſchen täuſchen ſollteſt als Genius Thetel,
deshalb vernichtete dich der Strahl der Liebe, dich
leeres, wirres Fantom, und du mußteſt zerſtäuben
in das gehaltloſe Nichts.

Und auch du, blutdürſtiges Ungethüm der Nacht,
verhaßter Egelprinz, mußteſt vor dem Strahl des
glühenden Karfunkels entfliehen in den Schooß der
Erde.

Aber ihr arme Bethörten, unglücklicher Swam¬
merdamm, beklagenswerther Leuwenhöck, Euer gan¬
zes Leben war ein unaufhörlicher ununterbrochener
Irrthum. Ihr trachtetet die Natur zu erforſchen,
ohne die Bedeutung ihres innerſten Weſens zu ahnen.

Ihr wagtet es, einzudringen in ihre Werkſtatt
und ihre geheimnißvolle Arbeit belauſchen zu wollen,
wähnend, daß es euch gelingen werde, ungeſtraft die
furchtbaren Geheimniſſe jener Untiefen, die dem
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[259/0264] Doch ſenkten ſie den Blick zur Erde, als vermöchten ſie nicht den Glanz des ſtrahlenden Karfunkels zu er¬ tragen. Sehr feierlich ſprach nun Peregrinus: Aus ſchnödem Thon und den Federflocken, die ein einfältiger, ſchwerfälliger Strauß verloren, hatte dich der böſe Dämon zuſammengeknetet, dich, der du die Menſchen täuſchen ſollteſt als Genius Thetel, deshalb vernichtete dich der Strahl der Liebe, dich leeres, wirres Fantom, und du mußteſt zerſtäuben in das gehaltloſe Nichts. Und auch du, blutdürſtiges Ungethüm der Nacht, verhaßter Egelprinz, mußteſt vor dem Strahl des glühenden Karfunkels entfliehen in den Schooß der Erde. Aber ihr arme Bethörten, unglücklicher Swam¬ merdamm, beklagenswerther Leuwenhöck, Euer gan¬ zes Leben war ein unaufhörlicher ununterbrochener Irrthum. Ihr trachtetet die Natur zu erforſchen, ohne die Bedeutung ihres innerſten Weſens zu ahnen. Ihr wagtet es, einzudringen in ihre Werkſtatt und ihre geheimnißvolle Arbeit belauſchen zu wollen, wähnend, daß es euch gelingen werde, ungeſtraft die furchtbaren Geheimniſſe jener Untiefen, die dem menſchlichen Auge unerforſchlich, zu erſchauen. Euer

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/264>, abgerufen am 28.11.2024.