Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

liebten in Dein frommes Gebet, meine
theure Mutter! -- Der Fürst wünscht, daß
die Vermählung bald vor sich gehe; den Tag
schreibe ich Dir, damit Du Deines Kindes
gedenken mögest, in ihres Lebens feierlicher,
verhängnißvoller Stunde etc."

Immer und immer wieder las ich Au¬
reliens Blätter. Es war, als wenn der
Geist des Himmels, der daraus hervorleuch¬
tete, in mein Inneres dringe und vor seinem
reinen Strahl alle sündliche freveliche Gluth
verlösche. Bei Aureliens Anblick überfiel mich
heilige Scheu, ich wagte es nicht mehr, sie
stürmisch zu liebkosen, wie sonst. Aurelie
bemerkte mein verändertes Betragen, ich ge¬
stand ihr reuig den Raub des Briefes an
die Aebtissin; ich entschuldigte ihn mit ei¬
nem unerklärlichen Drange, dem ich, wie
der Gewalt einer unsichtbaren höheren Macht,
nicht widerstehen können, ich behauptete, daß
eben jene höhere, auf mich einwirkende
Macht, mir jene Vision am Beichtstuhle

liebten in Dein frommes Gebet, meine
theure Mutter! — Der Fuͤrſt wuͤnſcht, daß
die Vermaͤhlung bald vor ſich gehe; den Tag
ſchreibe ich Dir, damit Du Deines Kindes
gedenken moͤgeſt, in ihres Lebens feierlicher,
verhaͤngnißvoller Stunde ꝛc.“

Immer und immer wieder las ich Au¬
reliens Blaͤtter. Es war, als wenn der
Geiſt des Himmels, der daraus hervorleuch¬
tete, in mein Inneres dringe und vor ſeinem
reinen Strahl alle ſuͤndliche freveliche Gluth
verloͤſche. Bei Aureliens Anblick uͤberfiel mich
heilige Scheu, ich wagte es nicht mehr, ſie
ſtuͤrmiſch zu liebkoſen, wie ſonſt. Aurelie
bemerkte mein veraͤndertes Betragen, ich ge¬
ſtand ihr reuig den Raub des Briefes an
die Aebtiſſin; ich entſchuldigte ihn mit ei¬
nem unerklaͤrlichen Drange, dem ich, wie
der Gewalt einer unſichtbaren hoͤheren Macht,
nicht widerſtehen koͤnnen, ich behauptete, daß
eben jene hoͤhere, auf mich einwirkende
Macht, mir jene Viſion am Beichtſtuhle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0147" n="139"/>
liebten in Dein frommes Gebet, meine<lb/>
theure Mutter! &#x2014; Der Fu&#x0364;r&#x017F;t wu&#x0364;n&#x017F;cht, daß<lb/>
die Verma&#x0364;hlung bald vor &#x017F;ich gehe; den Tag<lb/>
&#x017F;chreibe ich Dir, damit Du Deines Kindes<lb/>
gedenken mo&#x0364;ge&#x017F;t, in ihres Lebens feierlicher,<lb/>
verha&#x0364;ngnißvoller Stunde &#xA75B;c.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Immer und immer wieder las ich Au¬<lb/>
reliens Bla&#x0364;tter. Es war, als wenn der<lb/>
Gei&#x017F;t des Himmels, der daraus hervorleuch¬<lb/>
tete, in mein Inneres dringe und vor &#x017F;einem<lb/>
reinen Strahl alle &#x017F;u&#x0364;ndliche freveliche Gluth<lb/>
verlo&#x0364;&#x017F;che. Bei Aureliens Anblick u&#x0364;berfiel mich<lb/>
heilige Scheu, ich wagte es nicht mehr, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch zu liebko&#x017F;en, wie &#x017F;on&#x017F;t. Aurelie<lb/>
bemerkte mein vera&#x0364;ndertes Betragen, ich ge¬<lb/>
&#x017F;tand ihr reuig den Raub des Briefes an<lb/>
die Aebti&#x017F;&#x017F;in; ich ent&#x017F;chuldigte ihn mit ei¬<lb/>
nem unerkla&#x0364;rlichen Drange, dem ich, wie<lb/>
der Gewalt einer un&#x017F;ichtbaren ho&#x0364;heren Macht,<lb/>
nicht wider&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, ich behauptete, daß<lb/>
eben jene ho&#x0364;here, auf mich einwirkende<lb/>
Macht, mir jene Vi&#x017F;ion am Beicht&#x017F;tuhle<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0147] liebten in Dein frommes Gebet, meine theure Mutter! — Der Fuͤrſt wuͤnſcht, daß die Vermaͤhlung bald vor ſich gehe; den Tag ſchreibe ich Dir, damit Du Deines Kindes gedenken moͤgeſt, in ihres Lebens feierlicher, verhaͤngnißvoller Stunde ꝛc.“ Immer und immer wieder las ich Au¬ reliens Blaͤtter. Es war, als wenn der Geiſt des Himmels, der daraus hervorleuch¬ tete, in mein Inneres dringe und vor ſeinem reinen Strahl alle ſuͤndliche freveliche Gluth verloͤſche. Bei Aureliens Anblick uͤberfiel mich heilige Scheu, ich wagte es nicht mehr, ſie ſtuͤrmiſch zu liebkoſen, wie ſonſt. Aurelie bemerkte mein veraͤndertes Betragen, ich ge¬ ſtand ihr reuig den Raub des Briefes an die Aebtiſſin; ich entſchuldigte ihn mit ei¬ nem unerklaͤrlichen Drange, dem ich, wie der Gewalt einer unſichtbaren hoͤheren Macht, nicht widerſtehen koͤnnen, ich behauptete, daß eben jene hoͤhere, auf mich einwirkende Macht, mir jene Viſion am Beichtſtuhle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/147
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/147>, abgerufen am 03.05.2024.