alles läugnete. -- Gott im Himmel! -- Dolch¬ stiche waren mir manche Reden, denn auf wunderbare Weise sprach eine Stimme in mir: er ist unschuldig und das wird klar werden, wie der Tag. -- Ich empfand das tiefste Mitleid mit ihm, gestehen mußte ich es mir selbst, daß mir sein Bild, rief ich es mir wieder zurück, Regungen erweckte, die ich nicht mißdeuten konnte. Ja! -- ich liebte ihn schon unaussprechlich, als er der Welt noch ein frevelicher Verbrecher schien. Ein Wunder mußte ihn und mich retten, denn ich starb, so wie Leonard durch die Hand des Henkers fiel. Er ist schuldlos, er liebt mich, und bald ist er ganz mein. So geht eine dunkle Ahnung aus frühen Kindesjahren, die mir eine feindliche Macht arglistig zu vertrüben suchte, herrlich, herrlich auf in regen wonnigem Leben. O gieb mir, gieb dem Geliebten Deinen Segen, Du fromme Mutter! -- Ach könnte Dein glückliches Kind nur ihre volle Himmelslust recht ausweinen
alles laͤugnete. — Gott im Himmel! — Dolch¬ ſtiche waren mir manche Reden, denn auf wunderbare Weiſe ſprach eine Stimme in mir: er iſt unſchuldig und das wird klar werden, wie der Tag. — Ich empfand das tiefſte Mitleid mit ihm, geſtehen mußte ich es mir ſelbſt, daß mir ſein Bild, rief ich es mir wieder zuruͤck, Regungen erweckte, die ich nicht mißdeuten konnte. Ja! — ich liebte ihn ſchon unausſprechlich, als er der Welt noch ein frevelicher Verbrecher ſchien. Ein Wunder mußte ihn und mich retten, denn ich ſtarb, ſo wie Leonard durch die Hand des Henkers fiel. Er iſt ſchuldlos, er liebt mich, und bald iſt er ganz mein. So geht eine dunkle Ahnung aus fruͤhen Kindesjahren, die mir eine feindliche Macht argliſtig zu vertruͤben ſuchte, herrlich, herrlich auf in regen wonnigem Leben. O gieb mir, gieb dem Geliebten Deinen Segen, Du fromme Mutter! — Ach koͤnnte Dein gluͤckliches Kind nur ihre volle Himmelsluſt recht ausweinen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0145"n="137"/>
alles laͤugnete. — Gott im Himmel! — Dolch¬<lb/>ſtiche waren mir manche Reden, denn auf<lb/>
wunderbare Weiſe ſprach eine Stimme<lb/>
in mir: er iſt unſchuldig und das wird klar<lb/>
werden, wie der Tag. — Ich empfand das<lb/>
tiefſte Mitleid mit ihm, geſtehen mußte ich<lb/>
es mir ſelbſt, daß mir ſein Bild, rief<lb/>
ich es mir wieder zuruͤck, Regungen erweckte,<lb/>
die ich nicht mißdeuten konnte. Ja! — ich<lb/>
liebte ihn ſchon unausſprechlich, als er der<lb/>
Welt noch ein frevelicher Verbrecher ſchien.<lb/>
Ein Wunder mußte ihn und mich retten,<lb/>
denn ich ſtarb, ſo wie Leonard durch die<lb/>
Hand des Henkers fiel. Er iſt ſchuldlos,<lb/>
er liebt mich, und bald iſt er ganz mein.<lb/>
So geht eine dunkle Ahnung aus fruͤhen<lb/>
Kindesjahren, die mir eine feindliche Macht<lb/>
argliſtig zu vertruͤben ſuchte, herrlich, herrlich<lb/>
auf in regen wonnigem Leben. O gieb mir, gieb<lb/>
dem Geliebten Deinen Segen, Du fromme<lb/>
Mutter! — Ach koͤnnte Dein gluͤckliches Kind<lb/>
nur ihre volle Himmelsluſt recht ausweinen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[137/0145]
alles laͤugnete. — Gott im Himmel! — Dolch¬
ſtiche waren mir manche Reden, denn auf
wunderbare Weiſe ſprach eine Stimme
in mir: er iſt unſchuldig und das wird klar
werden, wie der Tag. — Ich empfand das
tiefſte Mitleid mit ihm, geſtehen mußte ich
es mir ſelbſt, daß mir ſein Bild, rief
ich es mir wieder zuruͤck, Regungen erweckte,
die ich nicht mißdeuten konnte. Ja! — ich
liebte ihn ſchon unausſprechlich, als er der
Welt noch ein frevelicher Verbrecher ſchien.
Ein Wunder mußte ihn und mich retten,
denn ich ſtarb, ſo wie Leonard durch die
Hand des Henkers fiel. Er iſt ſchuldlos,
er liebt mich, und bald iſt er ganz mein.
So geht eine dunkle Ahnung aus fruͤhen
Kindesjahren, die mir eine feindliche Macht
argliſtig zu vertruͤben ſuchte, herrlich, herrlich
auf in regen wonnigem Leben. O gieb mir, gieb
dem Geliebten Deinen Segen, Du fromme
Mutter! — Ach koͤnnte Dein gluͤckliches Kind
nur ihre volle Himmelsluſt recht ausweinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/145>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.