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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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ja mehr als das! ... Ewiger Gott! in dem
Augenblicke war es mir, als hätte ich schon
oft in trostloser Verzweiflung den heiligen
Banden, die den Geliebten fesselten, geflucht,
und auch das beichtete ich. "Du selbst, Du
selbst, Medardus, bist es, den ich so unaus¬
sprechlich liebe." Das waren die letzten
Worte, die ich zu sprechen vermochte, aber
nun floß lindernder Trost der Kirche, wie
des Himmels Balsam, von den Lippen des
Mönchs, der mir plötzlich nicht mehr Medar¬
dus schien. Bald darauf nahm mich ein al¬
ter ehrwürdiger Pilger in seine Arme und
führte mich langsamen Schrittes durch die
Gänge der Kirche zur Hauptpforte hinaus.
Er sprach hochheilige, herrliche Worte, aber ich
mußte entschlummern wie ein unter sanften,
süßen Tönen eingewiegtes Kind. Ich verlor
das Bewußtseyn. Als ich erwachte, lag ich
angekleidet auf dem Sopha meines Zimmers.
"Gott und den Heiligen Lob und Dank, die
Crisis ist vorüber, sie erholt sich!" rief eine

ja mehr als das! ... Ewiger Gott! in dem
Augenblicke war es mir, als haͤtte ich ſchon
oft in troſtloſer Verzweiflung den heiligen
Banden, die den Geliebten feſſelten, geflucht,
und auch das beichtete ich. „Du ſelbſt, Du
ſelbſt, Medardus, biſt es, den ich ſo unaus¬
ſprechlich liebe.“ Das waren die letzten
Worte, die ich zu ſprechen vermochte, aber
nun floß lindernder Troſt der Kirche, wie
des Himmels Balſam, von den Lippen des
Moͤnchs, der mir ploͤtzlich nicht mehr Medar¬
dus ſchien. Bald darauf nahm mich ein al¬
ter ehrwuͤrdiger Pilger in ſeine Arme und
fuͤhrte mich langſamen Schrittes durch die
Gaͤnge der Kirche zur Hauptpforte hinaus.
Er ſprach hochheilige, herrliche Worte, aber ich
mußte entſchlummern wie ein unter ſanften,
ſuͤßen Toͤnen eingewiegtes Kind. Ich verlor
das Bewußtſeyn. Als ich erwachte, lag ich
angekleidet auf dem Sopha meines Zimmers.
„Gott und den Heiligen Lob und Dank, die
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[131/0139] ja mehr als das! ... Ewiger Gott! in dem Augenblicke war es mir, als haͤtte ich ſchon oft in troſtloſer Verzweiflung den heiligen Banden, die den Geliebten feſſelten, geflucht, und auch das beichtete ich. „Du ſelbſt, Du ſelbſt, Medardus, biſt es, den ich ſo unaus¬ ſprechlich liebe.“ Das waren die letzten Worte, die ich zu ſprechen vermochte, aber nun floß lindernder Troſt der Kirche, wie des Himmels Balſam, von den Lippen des Moͤnchs, der mir ploͤtzlich nicht mehr Medar¬ dus ſchien. Bald darauf nahm mich ein al¬ ter ehrwuͤrdiger Pilger in ſeine Arme und fuͤhrte mich langſamen Schrittes durch die Gaͤnge der Kirche zur Hauptpforte hinaus. Er ſprach hochheilige, herrliche Worte, aber ich mußte entſchlummern wie ein unter ſanften, ſuͤßen Toͤnen eingewiegtes Kind. Ich verlor das Bewußtſeyn. Als ich erwachte, lag ich angekleidet auf dem Sopha meines Zimmers. „Gott und den Heiligen Lob und Dank, die Criſis iſt voruͤber, ſie erholt ſich!“ rief eine

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/139>, abgerufen am 03.05.2024.