(deren Kuratorium er angehörte) nach Landolts Rücktritt vom Institut durchgeführt werden konnten. Schon war auch zu gemeinschaftlicher Aus- führung mit Quincke hier eine größere Neuarbeit geplant, aber zur In- angriffnahme kam es nicht. Die kleineren Arbeiten, die noch mit den Wägeversuchen zusammenhingen und die die Angaben von Zingelis widerlegten, daß Glas für Jod und dergleichen durchlässig sei, bildeten den Abschluß der Landoltschen wissenschaftlichen Lebensaufgabe, und sein letzter Bericht darüber wurde in der Kgl. Preußischen Akademie der Wissen- schaften vor gar nicht langer Zeit verlesen, während er für Mai des näch- sten Jahres einen zusammenfassenden Bericht über die Gewichtsbestimmung beabsichtigt hatte.
Landolts Persönlichkeit war eine ganz eigenartige, vorwiegend be- herrscht durch einen nie versagenden, feinen, anspruchslosen Humor. Derselbe, welcher bei anderen öfters erst das Resultat einer langen Lebens- erfahrung ist, war bei Landolt wohl angeborenes Talent, denn Roscoe beschrieb ihn schon aus der Heidelberger Zeit (1865) als "full of dry humour, aber etwas schweigsam"; auch seine damit zusammenhängende humoristisch angehauchte Gleichmäßigkeit, wenn es wissenschaftliche Fragen galt, rühmt schon Roscoe aus dieser Zeit. Dieser Humor hatte immer einen tieferen Grund, konnte persönlich sein, war aber nie verletzend, so- gar besann sich Landolt nicht, zugunsten eines Scherzes ins eigene Fleisch zu schneiden, allerdings mit der Vorsicht, welche man ebenfalls als eine Landoltsche Eigenschaft bezeichnen kann; gelegentlich entfiel ihm z. B. die bekannte Auslassung über die doch von ihm vorwiegend gepflegte physikalische Chemie. Die dabei geübte Vorsicht besteht darin, daß Lan- dolt gerade derjenige Physiko-Chemiker war, dem die gerügten Fehler am fernsten lagen, denn in der Ausarbeitung der Methode war er nach seiner eigenen Definition Physiker, und Chemiker in der Reindarstellung der Sub- stanz; die Spitze, die nie fehlte, war offenbar gegen die neuere physikalische Chemie gerichtet, wo das Vorwiegen der Berechnung öfters den experi- mentellen Teil zu vernachlässigen droht. Dieser feine Lebenshumor spielte sich aber noch in einer ganz anderen Seite der Landoltschen Lebensgeschichte ab. Wenig Schicksale wurden
Gedächtnisrede auf Hans Heinrich Landolt. 11
(deren Kuratorium er angehörte) nach Landolts Rücktritt vom Institut durchgeführt werden konnten. Schon war auch zu gemeinschaftlicher Aus- führung mit Quincke hier eine größere Neuarbeit geplant, aber zur In- angriffnahme kam es nicht. Die kleineren Arbeiten, die noch mit den Wägeversuchen zusammenhingen und die die Angaben von Zingelis widerlegten, daß Glas für Jod und dergleichen durchlässig sei, bildeten den Abschluß der Landoltschen wissenschaftlichen Lebensaufgabe, und sein letzter Bericht darüber wurde in der Kgl. Preußischen Akademie der Wissen- schaften vor gar nicht langer Zeit verlesen, während er für Mai des näch- sten Jahres einen zusammenfassenden Bericht über die Gewichtsbestimmung beabsichtigt hatte.
Landolts Persönlichkeit war eine ganz eigenartige, vorwiegend be- herrscht durch einen nie versagenden, feinen, anspruchslosen Humor. Derselbe, welcher bei anderen öfters erst das Resultat einer langen Lebens- erfahrung ist, war bei Landolt wohl angeborenes Talent, denn Roscoe beschrieb ihn schon aus der Heidelberger Zeit (1865) als »full of dry humour, aber etwas schweigsam«; auch seine damit zusammenhängende humoristisch angehauchte Gleichmäßigkeit, wenn es wissenschaftliche Fragen galt, rühmt schon Roscoe aus dieser Zeit. Dieser Humor hatte immer einen tieferen Grund, konnte persönlich sein, war aber nie verletzend, so- gar besann sich Landolt nicht, zugunsten eines Scherzes ins eigene Fleisch zu schneiden, allerdings mit der Vorsicht, welche man ebenfalls als eine Landoltsche Eigenschaft bezeichnen kann; gelegentlich entfiel ihm z. B. die bekannte Auslassung über die doch von ihm vorwiegend gepflegte physikalische Chemie. Die dabei geübte Vorsicht besteht darin, daß Lan- dolt gerade derjenige Physiko-Chemiker war, dem die gerügten Fehler am fernsten lagen, denn in der Ausarbeitung der Methode war er nach seiner eigenen Definition Physiker, und Chemiker in der Reindarstellung der Sub- stanz; die Spitze, die nie fehlte, war offenbar gegen die neuere physikalische Chemie gerichtet, wo das Vorwiegen der Berechnung öfters den experi- mentellen Teil zu vernachlässigen droht. Dieser feine Lebenshumor spielte sich aber noch in einer ganz anderen Seite der Landoltschen Lebensgeschichte ab. Wenig Schicksale wurden
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[13/0013]
Gedächtnisrede auf Hans Heinrich Landolt. 11
(deren Kuratorium er angehörte) nach Landolts Rücktritt vom Institut
durchgeführt werden konnten. Schon war auch zu gemeinschaftlicher Aus-
führung mit Quincke hier eine größere Neuarbeit geplant, aber zur In-
angriffnahme kam es nicht. Die kleineren Arbeiten, die noch mit den
Wägeversuchen zusammenhingen und die die Angaben von Zingelis
widerlegten, daß Glas für Jod und dergleichen durchlässig sei, bildeten
den Abschluß der Landoltschen wissenschaftlichen Lebensaufgabe, und sein
letzter Bericht darüber wurde in der Kgl. Preußischen Akademie der Wissen-
schaften vor gar nicht langer Zeit verlesen, während er für Mai des näch-
sten Jahres einen zusammenfassenden Bericht über die Gewichtsbestimmung
beabsichtigt hatte.
Landolts Persönlichkeit war eine ganz eigenartige, vorwiegend be-
herrscht durch einen nie versagenden, feinen, anspruchslosen Humor.
Derselbe, welcher bei anderen öfters erst das Resultat einer langen Lebens-
erfahrung ist, war bei Landolt wohl angeborenes Talent, denn Roscoe
beschrieb ihn schon aus der Heidelberger Zeit (1865) als »full of dry
humour, aber etwas schweigsam«; auch seine damit zusammenhängende
humoristisch angehauchte Gleichmäßigkeit, wenn es wissenschaftliche Fragen
galt, rühmt schon Roscoe aus dieser Zeit. Dieser Humor hatte immer
einen tieferen Grund, konnte persönlich sein, war aber nie verletzend, so-
gar besann sich Landolt nicht, zugunsten eines Scherzes ins eigene Fleisch
zu schneiden, allerdings mit der Vorsicht, welche man ebenfalls als eine
Landoltsche Eigenschaft bezeichnen kann; gelegentlich entfiel ihm z. B.
die bekannte Auslassung über die doch von ihm vorwiegend gepflegte
physikalische Chemie. Die dabei geübte Vorsicht besteht darin, daß Lan-
dolt gerade derjenige Physiko-Chemiker war, dem die gerügten Fehler am
fernsten lagen, denn in der Ausarbeitung der Methode war er nach seiner
eigenen Definition Physiker, und Chemiker in der Reindarstellung der Sub-
stanz; die Spitze, die nie fehlte, war offenbar gegen die neuere physikalische
Chemie gerichtet, wo das Vorwiegen der Berechnung öfters den experi-
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Van't Hoff, Jakobus Heinrich: Gedächtnisrede auf Hans Heinrich Landolt. Berlin, 1911, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoff_landolt_1911/13>, abgerufen am 16.07.2024.
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