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Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.

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schrieben zu haben; doch es sei, litterae non erube¬
seunt
."

Michaelis 1774 begleitete er Miller nach Leipzig.
Folgendes aus seiner Reisebeschreibung. "Von Nord¬
heim bis Rossla, wo ein Graf Stolberg wohnt, fuhren
wir auf offenem Wagen, und hatten einen heitern ge¬
stirnten Himmel über uns. Zu Rossla wurden wir in
die sogenannte gelbe Kutsche gepackt. Dies ist eine
mit gelbem Tuche behangene Landkutsche, worin acht
Reisende sizen können, zwei vorn, zwei hinten, und
vier auf den beiden Seiten. Ich wählte mir der Aus¬
sicht wegen eine von den Seitenlogen, und kuckte wie
aus einem Fenster in die schöne grosse Welt hinaus.
Wir kamen durch Eisleben, wo Luther geboren ist,
konnten aber, weil es Mitternacht war, weder die
Stadt noch Luthers Geburtshaus besehn. Hier bekamen
wir an einem Officier einen lustigen Reisegefährten.
Wir assen zu Mittage mit ihm in Merseburg, und tran¬
ken gewaltig viel Merseburger. Klopstock nennt
es den König unter den Bieren. Es ist das wahre Ein¬
herium Ol. Ich glaube steif und fest, dass Wodan mit
seinen Leuten in Walhalla Merseburger trinkt. Wir
tranken des Göttersafts so viel, dass unsre Gesichter so
feuerroth wurden, als Uzens, da er zur Gottheit aufflog.
Zwischen Merseburg und Leipzig tranken wir Kaffe
in einer Schenke, vor deren Thüre ein Faeton mit zwei

lieb¬

ſchrieben zu haben; doch es ſei, litterae non erube¬
ſeunt
.„

Michaelis 1774 begleitete er Miller nach Leipzig.
Folgendes aus ſeiner Reiſebeſchreibung. „Von Nord¬
heim bis Roſsla, wo ein Graf Stolberg wohnt, fuhren
wir auf offenem Wagen, und hatten einen heitern ge¬
ſtirnten Himmel über uns. Zu Roſsla wurden wir in
die ſogenannte gelbe Kutſche gepackt. Dies iſt eine
mit gelbem Tuche behangene Landkutſche, worin acht
Reiſende ſizen können, zwei vorn, zwei hinten, und
vier auf den beiden Seiten. Ich wählte mir der Aus¬
ſicht wegen eine von den Seitenlogen, und kuckte wie
aus einem Fenſter in die ſchöne groſſe Welt hinaus.
Wir kamen durch Eisleben, wo Luther geboren iſt,
konnten aber, weil es Mitternacht war, weder die
Stadt noch Luthers Geburtshaus beſehn. Hier bekamen
wir an einem Officier einen luſtigen Reiſegefährten.
Wir aſsen zu Mittage mit ihm in Merſeburg, und tran¬
ken gewaltig viel Merſeburger. Klopſtock nennt
es den König unter den Bieren. Es iſt das wahre Ein¬
herium Ol. Ich glaube ſteif und feſt, daſs Wodan mit
ſeinen Leuten in Walhalla Merſeburger trinkt. Wir
tranken des Götterſafts ſo viel, daſs unſre Geſichter ſo
feuerroth wurden, als Uzens, da er zur Gottheit aufflog.
Zwiſchen Merſeburg und Leipzig tranken wir Kaffe
in einer Schenke, vor deren Thüre ein Faeton mit zwei

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[XIX/0027] ſchrieben zu haben; doch es ſei, litterae non erube¬ ſeunt.„ Michaelis 1774 begleitete er Miller nach Leipzig. Folgendes aus ſeiner Reiſebeſchreibung. „Von Nord¬ heim bis Roſsla, wo ein Graf Stolberg wohnt, fuhren wir auf offenem Wagen, und hatten einen heitern ge¬ ſtirnten Himmel über uns. Zu Roſsla wurden wir in die ſogenannte gelbe Kutſche gepackt. Dies iſt eine mit gelbem Tuche behangene Landkutſche, worin acht Reiſende ſizen können, zwei vorn, zwei hinten, und vier auf den beiden Seiten. Ich wählte mir der Aus¬ ſicht wegen eine von den Seitenlogen, und kuckte wie aus einem Fenſter in die ſchöne groſſe Welt hinaus. Wir kamen durch Eisleben, wo Luther geboren iſt, konnten aber, weil es Mitternacht war, weder die Stadt noch Luthers Geburtshaus beſehn. Hier bekamen wir an einem Officier einen luſtigen Reiſegefährten. Wir aſsen zu Mittage mit ihm in Merſeburg, und tran¬ ken gewaltig viel Merſeburger. Klopſtock nennt es den König unter den Bieren. Es iſt das wahre Ein¬ herium Ol. Ich glaube ſteif und feſt, daſs Wodan mit ſeinen Leuten in Walhalla Merſeburger trinkt. Wir tranken des Götterſafts ſo viel, daſs unſre Geſichter ſo feuerroth wurden, als Uzens, da er zur Gottheit aufflog. Zwiſchen Merſeburg und Leipzig tranken wir Kaffe in einer Schenke, vor deren Thüre ein Faeton mit zwei lieb¬

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Zitationshilfe: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/27>, abgerufen am 21.11.2024.