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Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.

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Unschuld gekleidet. Rothe Bänder spielten an ihrem
schönen Busen, und oft zitterte ein Abendsonnenblick
durch die Blüten, und röthete ihr weisses Gewand und
ihren schönen Busen. Was Wunder, dass so viele Reize
einen tiefen Eindruck auf mich machten, den keine Ent¬
fernung auslöschen konnte. Einen Bogen würde ich
anfüllen müssen, wenn ich alle verliebten Fantasien und
Thorheiten erzählen wollte, worauf ich verfiel. Nach
einem Jahre kehrte sie wieder in die Stadt zurück. Man
kann in einem Jahre manchen Göttertraum haben, man¬
ches Liebesgedicht machen. An beiden fehlte es nicht.
... Zweimal habe ich sie nach ihrer Verheiratung ge¬
sehn ... Als ich meine Eltern im vorigen Herbste
besuchte, hörte ich, dass sie krank sei, und dass man
ihr kein langes Leben zutrauete ... Es ist Sünde, sie
ferner zu lieben. Meine Liebe ist auch so ziemlich ver¬
loschen; nur eine süsse Erinnerung, und ein süsses Herz¬
klopfen, wenn mir ihr Bild vor Augen kommt, sind
davon übrig. Doch habe ich oft noch den brennend¬
sten Wunsch, sie einmal wiederzusehn. Ob sie Gegen¬
liebe für mich gehabt hat? Ich habe ihr niemals meine
Liebe merken lassen, noch merken lassen können. Wie
konnte ein Jüngling, der noch auf keiner Universität
gewesen war, um dessen Kinn noch zweideutige
Wolle hing, Liebeserklärungen thun, und auf Gegen¬
liebe Rechnung machen? Genug von Herzensangele¬
genheiten. Ich schäme mich fürwahr, diesen Brief ge¬

schrie¬

Unſchuld gekleidet. Rothe Bänder ſpielten an ihrem
ſchönen Buſen, und oft zitterte ein Abendſonnenblick
durch die Blüten, und röthete ihr weiſſes Gewand und
ihren ſchönen Buſen. Was Wunder, daſs ſo viele Reize
einen tiefen Eindruck auf mich machten, den keine Ent¬
fernung auslöſchen konnte. Einen Bogen würde ich
anfüllen müſſen, wenn ich alle verliebten Fantaſien und
Thorheiten erzählen wollte, worauf ich verfiel. Nach
einem Jahre kehrte ſie wieder in die Stadt zurück. Man
kann in einem Jahre manchen Göttertraum haben, man¬
ches Liebesgedicht machen. An beiden fehlte es nicht.
... Zweimal habe ich ſie nach ihrer Verheiratung ge¬
ſehn ... Als ich meine Eltern im vorigen Herbſte
beſuchte, hörte ich, daſs ſie krank ſei, und daſs man
ihr kein langes Leben zutrauete ... Es iſt Sünde, ſie
ferner zu lieben. Meine Liebe iſt auch ſo ziemlich ver¬
loſchen; nur eine ſüſſe Erinnerung, und ein ſüſſes Herz¬
klopfen, wenn mir ihr Bild vor Augen kommt, ſind
davon übrig. Doch habe ich oft noch den brennend¬
ſten Wunſch, ſie einmal wiederzuſehn. Ob ſie Gegen¬
liebe für mich gehabt hat? Ich habe ihr niemals meine
Liebe merken laſſen, noch merken laſſen können. Wie
konnte ein Jüngling, der noch auf keiner Univerſität
geweſen war, um deſſen Kinn noch zweideutige
Wolle hing, Liebeserklärungen thun, und auf Gegen¬
liebe Rechnung machen? Genug von Herzensangele¬
genheiten. Ich ſchäme mich fürwahr, dieſen Brief ge¬

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[XVIII/0026] Unſchuld gekleidet. Rothe Bänder ſpielten an ihrem ſchönen Buſen, und oft zitterte ein Abendſonnenblick durch die Blüten, und röthete ihr weiſſes Gewand und ihren ſchönen Buſen. Was Wunder, daſs ſo viele Reize einen tiefen Eindruck auf mich machten, den keine Ent¬ fernung auslöſchen konnte. Einen Bogen würde ich anfüllen müſſen, wenn ich alle verliebten Fantaſien und Thorheiten erzählen wollte, worauf ich verfiel. Nach einem Jahre kehrte ſie wieder in die Stadt zurück. Man kann in einem Jahre manchen Göttertraum haben, man¬ ches Liebesgedicht machen. An beiden fehlte es nicht. ... Zweimal habe ich ſie nach ihrer Verheiratung ge¬ ſehn ... Als ich meine Eltern im vorigen Herbſte beſuchte, hörte ich, daſs ſie krank ſei, und daſs man ihr kein langes Leben zutrauete ... Es iſt Sünde, ſie ferner zu lieben. Meine Liebe iſt auch ſo ziemlich ver¬ loſchen; nur eine ſüſſe Erinnerung, und ein ſüſſes Herz¬ klopfen, wenn mir ihr Bild vor Augen kommt, ſind davon übrig. Doch habe ich oft noch den brennend¬ ſten Wunſch, ſie einmal wiederzuſehn. Ob ſie Gegen¬ liebe für mich gehabt hat? Ich habe ihr niemals meine Liebe merken laſſen, noch merken laſſen können. Wie konnte ein Jüngling, der noch auf keiner Univerſität geweſen war, um deſſen Kinn noch zweideutige Wolle hing, Liebeserklärungen thun, und auf Gegen¬ liebe Rechnung machen? Genug von Herzensangele¬ genheiten. Ich ſchäme mich fürwahr, dieſen Brief ge¬ ſchrie¬

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Zitationshilfe: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/26>, abgerufen am 21.11.2024.